Lieber Harald!
: Ein echter Problemhund also! Nur noch ein paar Wochen bis zur Spritze,
: wenn der Platz für die "Sommerhunde" benötigt wird...
: Trotzdem dachte ich, eine Chance sollte er noch bekommen. So ging ich
: ganz behutsam vor, allein schon deshalb, weil mir unsere dreijährige
: Tochter wichtiger als jeder Hund ist und meine Frau der ganzen
: Sache ohnehin ziemlich skeptisch gegenüber stand.
Ich verstehe nicht, daß man einen Problemhund so einfach vom Tierheim bekommt. So einen Hund sollten wirklich nur erfahrene Leute bekommen. Und selbst die sollten sofort Hilfe bei einer guten (!) und mit Problemhunden erfahrenen Hundeschule zusammen arbeiten! Ich schreibe extra gute, da ja jeder sich Hundeschule nennen darf. Auch ist es schwierig, einen Problemhund (oder auch schon lieben Hund) zu sich zu nehmen und zu erziehen, wenn nicht wirklich beide, also auch Deine Frau, hinter so einem Entschluß stehen.
: wenn er auch an der Leine zog, als ob er einen LKW aus dem Schlamm
: befreien müsste. Nach ein paar Tagen aber lief er schon ohne Ziehen,
: schliesslich gab's hin und wieder ein Leckerli, wenn er sich benahm.
: Seltsam nur, dass er ausser "Sitz" offenbar kein Kommando kannte.
: Bei "Platz" blickte er mich nur fragend an, probierte
: allerlei Kunststückchen um an das Leckerli zu kommen, aber
: auf die Idee, sich hinzulegen kam er nicht. Nach zwei Wochen konnte
: er es. Von da an lernte er Schlag auf Schlag (oder erinnerte er sich?).
Du hast durch die Leckerchen zwar geschafft, daß Dein Hund, um eben dieses zu bekommen, erst mal hört, aber deshalb hast Du nicht die Rudelführung erlangt! Und hier sehe ich auch ein Problem in der Erziehung mit Leckerchen. Das wichtigste ist immer, daß der Hund zuerst begreift, daß Du sein Chef bist. Und das auch Deine Frau und Dein Kind im Rudel höher stehen als er. Ansonsten kann es schlimmsten Falls passieren, daß wenn Du mal kein Leckerchen hast, er Dir gegenüber aggressiv wird, eben weil er es haben will.
: Wir gingen auch regelmässig auf den Hundeplatz.
Auch hier sehe ich Probleme: Das wichtigste an einer Hundeschule ist nicht die Übung auf dem Hundeplatz, sondern nachdem man den Hund dort eingearbeitet hat ihn in schwierigere aber alltägliche Situationwen zu bringen. Insofern mit ihm in die Stadt zu gehen, in den Wald usw:
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: Nach ein paar Tagen aber war er schlagartig wie ausgewechselt:
: Ein vorbeifahrendes Auto wurde plötzlich angebellt,
: einem Radfahrer drohend hinterhergelaufen, echte oder vermeintliche
: Tiere im Wald gejagt und das Kommando "Komm" geflissentlich überhört.
: Alles Verhaltensweisen, die er vorher nie gezeigt hatte!
Wie bist Du denn auf diese Verhaltensweisen eingegangen? Hast Du ihn jedesmal und sofort zur Ordnung gerufen?
: Als ich ihn von einem Hof holte, weil er nicht kam, knurrte er mich sogar an!
: Da ich mich unter keinen Umständen anknurren lassen will,
: massregelte ich ihn mit beiden Händen durch Hochnehmen und
: anschliessendem Runterdrücken am Hals. Er warf sich dann auch
: auf den Rücken und es schien alles wieder gut.
Ich denke, daß Deine Maßregelung nicht streng genug war. Die Rangordnung war noch nicht geklärt. Ich denke es ist besser, in solchen Fällen den Hund kurz aber kräftig zu bestrafen, als daß es so weit kommt, daß der Hund eingeschläfert werden muß.:
: er löste sich in unserem Garten, was mir natürlich nicht gefiel
: und ich darauf hin (für seine Begriffe) wohl im Ton etwas zu
: harsch reagierte.
D.h. Du hast sonst mit ihm netter gesprochen? Wieso sollte er entscheiden dürfen , wie Du mit ihm sprichst?
sprang sofort wie wild herum, rannte durch den Garten
: wie von der Tarantel gestochen und nahm die typische
: "spiel-mit-mir"-Stellung ein. Ich ging darauf ein und es begann das
: inzwischen geübte Beiss- und Umwerfspiel.
: Dabei "biss" er jedoch so fest zu, dass ich mir ohne feste Jacke
: wohl eine ernste Fleischwunde zugezogen hätte. Auch auf "Schluss"
: hörte er erst nach mehrmaliger Wiederholung und sprang selbst danach
: immer noch wie wild durch den Garten. Dabei knurrte er ziemlich furchterregend.
: Wir gingen sofort zum Abreagieren raus.
Und hiermit hat der Hund genau das bekommen, was er wollte. Also hat er gewonnen!
Er biss in die Leine,
: attackierte sogar Baumstämme, sprang herum wie ein wilder Hengst
: und verhielt sich extrem aggressiv. So hatte ich ihn noch nie gesehen!
: Das ganze Spektakel dauerte etwa eine halbe Stunde. Mich griff er
: zwar nicht direkt an, aber ich muss gestehen, dass mir ziemlich
: mulmig zumute war. Zum Glück kamen keine Passanten oder andere Hunde vorbei.
Du hast also zugelassen, daß er sich so benimmt? Ein Hund merkt sofort, wenn man Angst vor ihm hat! Also wieder ein Sieg für ihn.
:
: : Die Sicherheit meiner Familie geht vor. Meine Frau hatte nach
: dem Vorfall regelrechte Angst vor ihm. Gestern Abend brachte ich ihn
: ins Tierheim zurück. Wer das ohne Tränen fertigbringt, ist kein Mensch.
: Die Leiterin des Tierheimes entschied auch sofort --
: doch letztlich bin ich derjenige, der sein Todesurteil besiegelt hat.
:
: Es plagt mich die Frage, ob mein Entschluss voreilig war.
: War ich vielleicht zu streng mit ihm?
Du warst mit Sicherheit nicht zu streng mit ihm Im Gegenteil denke ich eher. Wieso hast Du es nicht erst mal mit einer guten Hundeschule versucht? Ich verstehe nicht, wie Du Dir einen Problemhund nehmen konntest und dann ihn so schnell wieder aufgegeben hast. Deshalb haben doch solche Hunde so große Probleme. Jeder findet den Hund süß, aber keiner denkt darüber nach, was es heißr einen Hund zu erziehen. Ich gehe mit meinem Hund in eine Hundeschule, die mit dem Tierschutz in Köln zusammenarbeiten. Deshalb sehe ich sehr oft Hunde, die wirklich aggressiv sind. Einen Bobtail z.B. der seine Besitzerin schwer verletzt hat. Oder Amstaffs die mit Hunden Probleme haben. So gut wie alle Hunde sind wieder resozialisierbar. Es gibt einige Ausnahmen (z.B. einen Hund der jahrelang für den Hundekampf mißbraucht wurde). Ich möchte Dich deshalb bitten, Dich nächstesmal besser vorher zu informieren. Ich kann verstehen, daß Dir Deine Familie wesentlich wichtiger ist, als ein Hund. Aber das war Dir ja nun auch vorher bewußt. Sorry, ich will Dir keine Vorwürfe machen, Du hast sicher nicht leichtfertig gehandelt, aber es handelt sich schließlich um ein Hundeleben!
Liebe Grüße, Simone.: