Antiautoritäre Hundeerziehung?
15. Februar 2002 15:02


Hallo zusammen


Vor etwa 3 Jahren hatte ich einen jungen DSH und den nahm ich mit in den Verein, in dem ich 4 – 5 mal im Jahr aushelfe, wenn kein Figurant anwesend ist. Eine etwa 55 jährige Frau, hatte einen Junghund im gleichen alter.
Als ich meinen Hund auf den Platz nahm und rannte er davon zum andern zum spielen, ich rief ihm und er hörte nicht auf mein Kommando. Also ging ich zu ihm, zupfte ihn ganz leicht am Fell, er quietschte ein bisschen, ich lief nach hinten, rief ihn nochmals ab, er kam ich lobte ihn und gab ihn mit dem Kommando Frei frei und er durfte wieder spielen gehen. Dieser Eingriff musste ich nie mehr machen, von jetzt an kam er immer wenn ich ihn rief.

Nun diese Frau regte sich so auf über mein Verhalten, dass sie mir am selben Abend noch nach Hause telephonierte. Sie konnte einfach nicht verstehen was ich getan hatte. Sie sagte mir, dass ich meinen Hund erdrücken würde, dass er im Geist nicht frei sein würde und dass ich an der Wesensprüfung die Konsequenten tragen werden müsste, wenn mein Hund geistig nicht frei sei.
Ich fragte sie, wie sie es dann machen wolle. Sie sagte mir, dass sie alles ohne Druck machen wolle. Dass sie noch in einem Kinologischen Verein (wobei der kann sicher auch nichts dafür) trainiere und dass dort über positive Verstärkung trainiert werde. Sie wolle dass ihr Hund offen sei zur Umwelt, alles positiv sehe und nicht als erstes Angst habe. Er solle viel Kontakt mit anderen Hunden haben und usw.
Ich sagte ihr, dass sei gut so, ich mache ihr keine Vorschriften und sie solle mich einfach machen lassen, denn ich wüste schon was ich tue.

Nun war ich ja wieder ab und zu im Verein und da fragte sie mich, ob ich meinen Hund nicht für den Wesenstest vorbereiten wolle wie sie, und dies nicht Ueben wolle. Da erklärte ich ihr, dass das ein Beschiss sei und dass wenn mein Hund den Test nicht ohne solche Vorbereitungen besteht, dass er dann die letzte Kugel bekomme. Und schon war sie wieder aus dem Häuschen und konnte sich fast nicht mehr beruhigen.

Nun mein Hund wurde mal 14 Monate alt und ich ging an den Wesenstest und er bestand mit den besten Eigenschaften. Das nahm ich dann mit in den Verein und zeigte es ihr.

Nun als ihr Hund etwa 18 Monate alt war, war ich wieder im Verein und ich sah, wie er sich losriss und sich auf ein Welpen stürzte. Der Besitzer des Welpen wehrte sich und der Hund richtete seine Aggression nun gegen den Hundebesitzer. Die gute Frau kam nun herbeigeeilt und und wollte ihren Hund anleinen, aber dieser stellte sich nun gegen die eigene Hundeführerin. Ich schaute nur zu und dachte, jetzt greife sie sicher ein, aber nichts, sie leinte ihn mit ach und krach an und verräumte ihn. Darauf ging ich zu dieser Frau und sagte ihr, dass sie diesen Hund in einem halben Jahr dem Tierarzt bringen würde, wenn sie jetzt nicht eingreife. Da wurde sie ziemlich ausfällig und sagte mir, dass sie auf ihrem Weg bleiben würde, auch wenn es Schwierigkeiten gebe.

Drei Monate später hörte ich vom Übungsleiter, dass er der Frau ein Platzverbot geben wolle, wenn sie nochmals mit diesem Hund auf den Platz komme. Er stellte sich gegen alles, antwortete dauernd mit Aggression und hatte neben zahlreichen Hunden, einen Hundeführer und die eigene Hundehalterin gebissen. Man konnte sich diesem Hund nicht mehr nähern ohne dass er knurrte und Aggression zeigte.

Nun war diese Frau in Nöten weil man ihr den Platzverweis androhte und so telephonierte sie mir und sie weinte sich bei mir aus. Ich dachte noch ausgerechnet bei mir, sie hätte das auch bei jemandem anderem machen können. Sie sagte mir, dass sie mit den Nerven am Boden sei und dass sie den Hund einschläfere, wenn es nicht besser werde. Ich sagte der Frau, dass ich den Hund holen komme und ihn bei mir zuhause anschauen würde.

Ich fuhr zur Frau, holte den Hund aus dem Zwinger, da biss er mich gleich mal. Ich biss auf die Zähne, lies mir nichts anmerken und tat ihn ins Auto. Daheim lud ich ihn aus und er durfte ins Haus. Das ging recht gut, da er durch die neue Umgebung nicht mehr so selbstsicher war. Danach nahm ich mir pro Tag etwa 2 Std. Zeit die ich zusätzlich nur für diesen Hund reserviert hatte. Ich ging mit ihm in die Stadt, auf den Bahnhof, Buß fahren usw. Einfach sozialisieren, da er ein wenig unsicher war. Einmal stellte er sich gegen mich und wollte mich beißen. Ich legte ihn auf den Rücken und drehte ihm am Halsband die Luft ab, biss ich merkte, dass er nicht mehr beißen wollte, sondern nur noch flüchten. Danach hörte ich auf und seit dem versuchte er es nie mehr. Ich sozialisierte ihn weiter und nun war der Effekt, dass wenn er unsicher war, dass er dann zu mir kam anstatt Aggression zu zeigen. Etwa nach 4 Wochen nahm ich den Hund auf den Platz auf dem auf dem man ihn verbieten wollte. Ich lies ihn springen und alle machten fast ihn die Hosen vor Angst. Aber der Hund zeigte nicht die kleinste Aggression gegenüber von Menschen und anderen Hunden. Nun spielte er mit den anderen Hunden, er ging schwanzwedelnd auf die Leute zu und lies es nicht nur zu wenn man ihn streichelte, er hatte es sichtlich gerne, es war ein neuer Hund.

Viele konnten das fast nicht glauben, dass sich ein Hund in so kurzer Zeit, dermaßen verändern kann. Was war passiert.

Der Hund fühlte sich nun auf einmal wohl, er war sicher und ihm ging’s sichtlich besser und wieso?

Weil er nicht mehr der Rudelführer sein musste. Er war in dieser Aufgabe sichtlich überlastet. Es war kein Alphahund und er war nicht dazu geschaffen dies zu sein. Weil er nicht der sicherste Hund war, reagierte er als Rudelführer mit Aggression. Er musste ja alles unter Kontrolle haben, auch wenn er es nicht konnte. Bei mir war es anders, er musste nichts mehr unter Kontrolle haben, denn ich hatte es und er konnte sich gehen lassen. Er wurde sofort sicherer und die Fortschritte die er machte, die überraschten sogar mich.

Ich sagte danach dieser Frau, dass ich diesen Hund umplatziere, was ich auch tat, das gab nochmals Tränen, aber sie sah es ein und dem Hund geht es heute gut.

Gruß P.H

Was meint ihr, hätte ich das anders machen sollen?


15. Februar 2002 15:12

Hallo,

was du gemacht hast, nämlich dem Hund klare Strukturen zu geben, ist einwandfrei.
Deine Methode beim Angriff auf dich ist in einer der wenigen Situationen, wo es zu akzeptieren ist.
Aber, wegen der Überschrift, antiautoritär ist es sicherlich nicht gewesen :-).

Gruß
Andreas

15. Februar 2002 15:14

: Aber, wegen der Überschrift, antiautoritär ist es sicherlich nicht gewesen :-).
:
: Gruß
: Andreas

Hallo Andreas

Ich glaube P.H meinte mit Antiautoritär die vorherige Besitzerin.
Grüessli

Karin

15. Februar 2002 15:17

Servus P.H.,

............Andreas hat recht!!!

Aber eines möchte ich noch ergänzen. Dieser Hund hatt keine Ausbildung "über positive Motivation" sondern GAR keine. Daran liegt es meistens!

Grüsse Alex

15. Februar 2002 15:27

Tschau Alex

Da will ich nicht wiedersprechen, er hatte nicht eine grosse Ausbildung, das stimmt.

Zudem muss ich ergänzen, weil das die Frage bei Schlegel war, das war gratis und den Verkaufspreis habe ich natürlich der Frau zurückerstattet.

Was Schlegel mit seinem Aggressiven Hund geleistet hat im Film ist eine Katastrophe. Wie will ich einem Hund mit Maulkorb klar machen dass er nicht beißen darf, der staut die ganze Aggression und wenn er danach den Hundeführer gebissen hat und der Hund eingeschläfert werden musste, dann war Schlegel schuld, weil er das so provoziert hatte. Das nenne ich Hundeausbildung, wenn er danach den Besitzer verbeißt. Aber ich habe mich genau zu diesem Film schon mal geäußert und ich bin überzogen, dass ich den Hund in drei - vier Lektionen, ohne dem Hundeführer den Geldsäckel zu lehren hinbekommen hätte.

Gruß P.H

P.S
Ab jetzt fährte ich.

15. Februar 2002 16:40

Servus PH,

nein, du hast das schon sehr richtig gemacht. Auf alle Fälle ein Lob an dich, dass du dem Hund und damit der Dame auch geholfen hast.
Deswegen ist die Erziehung über "positive Bestärkung" jedoch nicht gleichzusetzen mit einer antiautoritären Erziehung. Ich persönlich stehe auch hinter diesem "sanften" System und wollte mit meinem letzten Welpen ausprobieren, ob es denn nicht GANZ damit geht. Also nur noch erwünschtes Verhalten verstärken und unerwünschtes Verhalten ignorieren oder tauschen.
Ich will keine großen Reden schwingen, doch es funktionierte nicht. Ich versuchte das Anknabbern von Möbeln und Teppichen, das Nagen an Kleidung und Händen, das Pinkeln in der Wohnung und das Bellen zu ignorieren oder zu tauschen. Klappte, doch war das ein 24-Stunden-Job, dem selbst ich nicht gerecht werden konnte. Jeder Hund muss wissen, was NEIN bedeutet, und zwar unmissverständlich, um Gefahren zu vermeiden. Ein aufgeweckter Welpe ist jederzeit bereit, ein unerwünschtes Verhalten gegen Aufmerksamkeit zu tauschen, aber wehe die Aufmerksamkeit liegt nicht bei ihm. Diese Welpies können sehr, sehr erfinderisch sein.
Ein intaktes Rudelgefüge bekommt man auf viele Arten hin. Sanft, halbsanft und brutal. Konsequenz ist dabei der Schlüssel. Setzt man sich nicht durch, ob nun sanft oder brutal, hat man verloren.

Mina