Hallo Daniela,
grundsätzlich bin ich auch Deiner Meinung, daß der "Menschenschutz" dem Tierschutz vorrangig sein muß, und definitiv schwer verhaltensgestörte Hunde nahezu nicht vernünftig vermittelbar sind und somit eingeschläfert werden sollten.
Auf der anderen Seite ist diese Diskussion betreffend des geschilderten Falles vollkommen überflüssig, da ich hier kein hochaggressives Fehlverhalten des Hundes erkennen kann.
Sicherlich liegt das Fehlverhalten hier in falscher Behandlung und nicht in einer schweren Verhaltensstörung des Hundes.
Offensichtlich wurde und wird der Hund entsprechend verwöhnt und hierdurch auch sozial übersättigt, was die Führerrolle des Halters natürlich extrem in Frage stellt.
Dadurch aber, daß entsprechende Dominanz fehlt, fehlt auch die entsprechende innere Sicherheit des Hundes, die es ihm ermöglichen würde, mit bestimmten Situationen gelassener umzugehen.
Dazu kommt noch, daß speziell Hunde mit sehr ursprünglichem (wölfischem) Verhalten, die Schmuse- und Streichelattacken rudelfremder (und nicht nur derer) Personen allzuleicht mißverstehen.
Wer schmust und "streichelt" im Rudel denn überschwenglich?
Doch nur der untergebene und unterwürfige Part. Der dominante Part gewährt dieses nur.
Wenn Mensch also jetzt diese klare hierarchische Regelung verdreht, so muß er sich nicht wundern, wenn Hund sich auch entsprechend ""freimacht"" wenn es zuviel wird. Auch das nämlich, ist canidentypisch.
Die normale Reaktion in solchen Situationen ist das Verschnappen des Anderen. Dabei kommen rudelintern nahezu nie Verletzungen auf. Da aber der Mensch VIEL langsamer reagiert, als der Artgenosse, kann es durchaus passieren, daß er ab und an mal erwischt wird.
Sicherlich ist das für das "Opfer" nicht so lustig, von einer Verhaltensschädigung des Hundes aber, ist hier nicht zu sprechen.
Vielmehr ist es notwendig, dem Hund enge Grenzen zu stecken und ihm unmißverständlich klarzumachen, daß mit den Zweibeinern vorsichtiger umzugehen ist.
Vor allem aber ist es wichtig, den Besuchern zu erklären, daß sie es nicht mit einem schnaufenden Steiff-Tier zu tun haben, das alle ihre körperlichen Attacken ertragen muß.
Der leider so verbreitete Streichelwahn vieler Menschen und v.A. auch Kinder, ist oftmals Ursache für vermeidbare Unfälle.
Wie würdest Du reagieren, wenn Du mit Deinem Mann spazierengehst und plötzlich ein Wildfremder sagt: Och die ist aber süß, und sich auf Dich stürzt und Dich befummelt?
Wahrscheinlich würdest Du ihm eine reinhauen. - Nichts anderes machen manche Hunde.
Unsere Gesellschaft aber erwartet vom Hund ein überangepasstes Verhalten - erwartet von ihm, daß er sich Alles von Jedem gefallen läßt.
Das aber, ist ein bißchen viel verlangt.
Auch unsere heutigen Hunde, die - leider manchmal - schon immens degeneriert sind, sind immer noch domestizierte Raubtiere, die nach klar umrissenen sozialen Gesetzen leben - und keine willenlosen Automaten, die es jedem Idioten rechtmachen müssen.
Wer sich mit dieser Tatsache nicht auseinandersetzen kann oder will, sollte auch keinen Hund halten.
Es ist ein grundsätzliches Unding, fremde Hunde zu begrapschen und es ist auch kontraproduktiv für die Rudelbindung, wenn ich meinen Hund von jedem begrapschen lasse.
Hält man sich die Masse von täglichen "Übergriffen" in dieser Hinsicht vor Augen, so ist es verwunderlich, daß nicht noch mehr passiert.
Auch, wenn es von Vielen propagiert wird, so ist es doch keine positive Charaktereigenschaft, wenn ein Hund "Everybody´s Darling" ist und jedweden Fremden als Freund begrüßt.
Vielmehr sollte sich der vernünftig sozialisierte Hund, nonaggressiven Fremden gegenüber neutral verhalten. Das nämlich wäre eine wesenstypische Verhaltensweise.
Aus falschem Verständnis und öffentlichem Druck heraus, versuchen wir jedoch zu oft, ihn zu wesensfremdem Verhalten zu "(v)erziehen", was eben häufig zu Mißverständnissen führen kann.
Abschließend möchte ich kurz noch etwas zum Thema Verhaltensschäden schreiben.
Ich höre permanent, daß sich Halter an den angeblichen (oder tatsächlichen) schlechten Erfahrungen des Hundes orientieren und dadurch bestimmtes Fehlverhalten zu erklären versuchen.
Das ist nun aber in den meisten Fällen völlig widersinnig und dient höchstens der Absolution des Halters.
Sicherlich sind Erfahrungen prägend - jedoch nicht zwingend irreparabel.
Im Gegenteil - gerade der Hund, ist durch seine unglaubliche Anpassungsfähigkeit prädestiniert dafür, sehr schnell neue Erfahrungen, die Alten überdecken zu lassen.
Man sollte also nicht die humanpsychologischen Übertragungen gelten lassen, sondern vielmehr Neuanfänge wagen, die es dem Hund ermöglichen, seine Anpassungs- und Lernfähigkeit unter Beweis zu stellen.
Geschichten, wie: "Mein Hund wurde einmal von einem schwarzen Hund gebissen, und seitdem haßt er alle schwarzen Hunde..." gehören in das Reich der Märchen.
Der Grund, weshalb der Hund dann so auf diese Hunde reagiert, ist die eigene Angst/Nervosität, die sich direkt auf den Hund überträgt.
Selbst eine Mißhandlung durch den Vorbesitzer, hat eigentlich nur positive Konsequenzen für den neuen Halter, da der Hund mit dem neugewonnenen Vertrauen, schnell sehr enge Bindungen eingeht.
Viel ausschlaggebender, als alte Erfahrungen für das Verhalten des Hundes sind, ist die Erfahrung, die er täglich im Zusammenleben mit seinem aktuellen "Rudel" macht.
Aus diesem Grunde, sollte man bei verhaltensauffälligen Hunden, eher sein eigenes tägliches Verhalten einer kritischen Prüfung unterziehen, anstatt Gründe und Entschuldigungen durch die Vergangenheit des Hundes zu suchen.
Liebe Grüße
Daniel