Agression
14. Juni 1999 08:10

Guten Tag,
ich schreibe im Auftrag einer Kollegin, die vor 15 Monaten einen damals 3-jährigen Pitbull-Mix Rüden aus dem Tierheim geholt hat. Der Hund ist vom Vorbesitzer schwer mißhandelt worden und hat ca. 6 Monate im Tierheim verbracht, wo er auch kastriert wurde.
Anfänglich war der Hund etwas verängstigt und mißtrauisch gegenüber Fremden (vor allem Männern) nachdem er sich aber immer besser einlebte wurde er etwas offener. Kürzlich hat er jedoch die Nachbarin meiner Kollegin gebissen. Und zwar nicht nur ein warnendes Schnappen, sondern ein richtig fester Biss in den Oberarm. Er hatte vorher schon ab und geschnappt, v.a., wenn eine fremde Person Angst zeigte. Diesmal jedoch hat er eine ihm vertraute Person gefasst. Die Nachbarin begrüsst den Rüden immer sehr überschwenglich mit grossem Aufwand, und im Zuge einer solchen Begrüssung hat er zugebissen. Auch nachdem meine Kollegin ihn am Nackenfell geschüttelt hatte, zeigte er keinerlei Anzeichen von Unterwerfung. Wie kann man dem Hund das Beissen abgewöhnen? Kann es sein, dass er durch die Misshandlungen des Vorbesitzers so gestört ist, dass er Personen ausserhalb seiner neuen Familie als Bedrohung ansieht?
Oder dass er nach einer langen Eingewöhnungsphase starke Beschützerinstinkte entwickelt?
Viele Grüße
Sonja


14. Juni 1999 13:37

: Guten Tag,
: ich schreibe im Auftrag einer Kollegin, die vor 15 Monaten einen damals 3-jährigen Pitbull-Mix Rüden aus dem Tierheim geholt hat. Der Hund ist vom Vorbesitzer schwer mißhandelt worden und hat ca. 6 Monate im Tierheim verbracht, wo er auch kastriert wurde.
: Anfänglich war der Hund etwas verängstigt und mißtrauisch gegenüber Fremden (vor allem Männern) nachdem er sich aber immer besser einlebte wurde er etwas offener. Kürzlich hat er jedoch die Nachbarin meiner Kollegin gebissen. Und zwar nicht nur ein warnendes Schnappen, sondern ein richtig fester Biss in den Oberarm. Er hatte vorher schon ab und geschnappt, v.a., wenn eine fremde Person Angst zeigte. Diesmal jedoch hat er eine ihm vertraute Person gefasst. Die Nachbarin begrüsst den Rüden immer sehr überschwenglich mit grossem Aufwand, und im Zuge einer solchen Begrüssung hat er zugebissen. Auch nachdem meine Kollegin ihn am Nackenfell geschüttelt hatte, zeigte er keinerlei Anzeichen von Unterwerfung. Wie kann man dem Hund das Beissen abgewöhnen? Kann es sein, dass er durch die Misshandlungen des Vorbesitzers so gestört ist, dass er Personen ausserhalb seiner neuen Familie als Bedrohung ansieht?
: Oder dass er nach einer langen Eingewöhnungsphase starke Beschützerinstinkte entwickelt?
: Viele Grüße
: Sonja
:
Mein Ratschlag wird Dir nicht gefallen.

Ein Pitbull, der aggressiv gegenüber Menschen ist und ohne plausiblen
Grund einen Menschen beisst, hat eine schwere Wesensstörung.
Die Bull-and-Terrier-Rassen wurden seit 150 Jahren auf Nicht-Aggressivität
gegenüber Menschen selektiert.

Ich würde die konkreten Umstände des Zwischenfalls untersuchen.
Wenn der arme Hund tatsächlich grundlos zugebissen hat, würde
ich das Tier einschläfern.
Der Hund wäre eine Gefahr für seine gesamte Umwelt.

Pat

14. Juni 1999 14:38


: Mein Ratschlag wird Dir nicht gefallen.
:
: Ein Pitbull, der aggressiv gegenüber Menschen ist und ohne plausiblen
: Grund einen Menschen beisst, hat eine schwere Wesensstörung.
: Die Bull-and-Terrier-Rassen wurden seit 150 Jahren auf Nicht-Aggressivität
: gegenüber Menschen selektiert.
:
: Ich würde die konkreten Umstände des Zwischenfalls untersuchen.
: Wenn der arme Hund tatsächlich grundlos zugebissen hat, würde
: ich das Tier einschläfern.
: Der Hund wäre eine Gefahr für seine gesamte Umwelt.

Uff, endlich ist mal jemand derselben Meinung; daß Hunde, die grundlos oder mit entschieden zu niedriger Reizschwelle(was im Einzelfall zu untersuchen wäre, klar) Menschen anfallen, nicht auf biegen und brechen resozialisiert werden müssen, weil "es schon irgendwie gehen wird".
Ein bißchen Rücksicht auf die Menschen, mit denen ein solches Tier zufällig (Spaziergang, ahnungslose Besucherusw) zusammentreffen würde, finde ich trotz aller Tierliebe angebracht!
Nicht jeder steckt den Biß eines Hundes so ohne weiteres weg. Es gibt erstaunlich viele Menschen, die aufgrund eines einzigen Bisses ihr Leben lang eine panische Angst vor Hunden jeglicher Rasse haben, darunter leiden dann in der Folge auch jene, die wesensfeste, gut erzogene Hunde haben.
Man sollte einem Hund immer eine faire Chance geben und alles Mögliche versuchen, um dieses Tier zu resozialisieren und ihm ein gutes Leben zu ermöglichen. Doch wenn sich herausstellt, daß der Hund seine Angriffslust nicht kontrollieren läßt, dann muß man meiner Menung nach auch den Mut zum letzten Schritt haben.
Für die Sicherheit der anderen Hunde und Menschen in der Umgebung.

Liebe Grüße
Daniela

14. Juni 1999 15:50


: Ein bißchen Rücksicht auf die Menschen, mit denen ein solches Tier zufällig (Spaziergang, ahnungslose Besucherusw) zusammentreffen würde, finde ich trotz aller Tierliebe angebracht!

Es ist nicht so, daß der Hund einfach so aus heiterem Himmel Menschen anfällt. Er droht (und schnappt) wenn jemand einen unsicheren Eindruck macht. (Dass man den unsicheren Menschen keinen Vorwurf daraus machen kann, ist natürlich auch klar!) Dass er die Nachbarin richtig gebissen hat, war das erste Mal, dass er weiter gegangen ist. Anscheinend grundlos, denn eine überschwengliche Bergüssung durch einen Menschen, den er kennt, sollte ja kein Aggressionsauslöser sein.

: Nicht jeder steckt den Biß eines Hundes so ohne weiteres weg. Es gibt erstaunlich viele Menschen, die aufgrund eines einzigen Bisses ihr Leben lang eine panische Angst vor Hunden jeglicher Rasse haben, darunter leiden dann in der Folge auch jene, die wesensfeste, gut erzogene Hunde haben.

Logisch. Was soll man aber tun, wenn der Hund selbst schwer misshandelt wurde? Kann man ihn dann für ein so schwerwiegendes Fehlverhalten irgedwie angemessen bestrafen? Oder kann das auch für seine Besitzerin (zu denen er ein normales, enges Verhältnis hat) gefährlich werden?

Liebe Grüße
Sonja

14. Juni 1999 16:07

Hi Sonja,

: Anscheinend grundlos, denn eine überschwengliche Bergüssung durch einen Menschen, den er kennt, sollte ja kein Aggressionsauslöser sein.

Ich weiß ja nicht genau, WIE überschwenglich die Begrüssung von Seiten der Nachbarin ausgefallen ist, aber es kann durchaus sein, daß der Hund sich beispielsweise durch heftige Umarmungsversuche in die Enge gedrängt fühlte und entsprechend reagiert hat. Ich muß in diesem Zusammenhang an Kinder denken, die ja auch zu stürmischen Begrüssungen neigen können, was auch nicht jeder Hund ohne Murren über sich ergehen läßt. Daß der Hund die Nachbarin kannte, bedeutet wohl auch nicht unbedingt, daß er sie nicht trotzdem noch als rudelfremd einstuft.

Liebe Grüße senden
suki und maxi

14. Juni 1999 17:24

Grüß Euch zusammen,

ich hab einmal sonja´s meldung umgestellt. dann kann ich besser antworten, was mir dazu einfällt.

:Oder kann das auch für seine Besitzerin (zu denen er ein normales, enges Verhältnis hat) gefährlich werden?

jeder hund kann für jeden menschen gefährlich werden. nur wird die situation bei den meisten hunden nie auftreten. nicht umsanst heißt es bei der ersten hilfe - schnauze zubinden!

: Kann man ihn dann für ein so schwerwiegendes Fehlverhalten irgedwie angemessen bestrafen?

es ist ein fehlverhalten aus menschlicher sicht, weil wir den hund immer als vierbeinigen menschen sehen. man kann einen hund in unserem sinne nicht "angemessen bestrafen".

:Anscheinend grundlos, denn eine überschwengliche Bergüssung durch einen Menschen, den er kennt, sollte ja kein Aggressionsauslöser sein.

vielleicht hat sich der mensch aus hundlicher sicht fehlverhalten und der hat ihn "angemessen bestraft"? (das ist natürlich unfug). frage: wie hat die überschwängliche begrüßung denn ausgesehen?
vor jahren gab es einmal einen prozeß wegen schmerzensgeld. eine silvesterparty-besucherin hatte den hund der familie auf der couch genauso knuddeln wollen, wie es die besitzerin zuvor getan hatte. der hund verbat sich das durch einen biss ins gesicht. fehlverhalten??? wessen??

: Er droht (und schnappt) wenn jemand einen unsicheren Eindruck macht.

das sieht nach einem typischen teufelskreis aus:

hund sieht das erste mal einen ängstlichen menschen und reagiert neugierig, worauf der mensch dem hundehalter mitteilt, daß er angst hat. vorsichtshalber und um rücksichtsvoll zu sein will der hundehalter ihn zurücknehmen. der hund ist jung und in der explorationsphase, gehorcht nicht so gut. "wenn ihr hund nicht gehorcht, dann...." mensch wird sauer, läßt das durch härtere einwirkungen am hund aus. er ist ja in beweiszwang und dann ist man nicht mehr locker.
hund lernt die etwas abweichende koordination solcher menschen und eventuell den mit dem angstausbruch verbunden intensiveren geruch nach buttersäure mit der nachfolgenden reaktion seines menschen zu verbinden. vom lernverhalten bleibt dem hund eine sinnvolle reaktion übrig: meiden der situation, d.h. abwehren, knurren und schnappen.
ich wage zu behaupten, daß ein großteil der probleme mit ängstlichen menschen auf diese oder ähnliche art vom hund gelernt wurden. wo entspannung (beim hund) angesagt ist, darf man keinen streß erzeugen. das ist nicht einfach, wenn man selber unter streß steht.

tschüß martin & mirko