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Unser Sheltie wildert. Wer weis Rat?

geschrieben von Ludwig(YCH) 
Unser Sheltie wildert. Wer weis Rat?
05. März 2002 19:23

Ich habe den heißen Tipp bekommen, in diesen Forum wäre ich richtig, auch mit einem Sheltie, der Kleinausführung eines Collies, und wie dieser ein britischer Hütehund.

Unsere Lucy entstammt der amerikanischen Züchtungslinie der Shelties. Die Elterntiere sind folglich recht groß. Lucy, jetzt 12 Monate alt, war die Größte im Wurf, sie ist fast 50 cm hoch und etwa 20 kg schwer, ohne übergewichtig zu sein, also schon ein kleiner Collie.
Vom Wesen her ist sie sehr ruhig - genau das Gegenteil eines Draufgängers.
Ihre Umgebung erkundet sie am liebsten aus der Schattenposition von Herrchen oder Frauchen heraus. Die ersten Monate ist sie alleine und sehr behütet großgeworden in einem Einfamilienhaus mit großem Garten und eigener Haustüre. Dann sind wir umgezogen auf das Land in ein kleines Dorf, wo Lucy ihre beste Freundin, eine Schäferhündin kennen lernte.

Und hier auf dem Land gab es dann ein für Shelties völlig untypisches Problem: die Dame wildert!!
Angefangen hat es, als Lucy feststellte, dass drei Rehe in Dorfnähe ihren Standplatz haben. Lucy sucht nun sowohl mit den Augen als auch mit der Nase bei fast jedem Spaziergang die Gegend genaustens ab. Wird sie fündig, was alle drei bis vier Spaziergänge der Fall ist, und gelingt es nicht, sie vorher abzulenken (was nur geht, wenn Herrchen oder Frauchen die Rehe eher entdecken), ist sie nicht mehr zu halten. Sie reagiert überhaupt nicht mehr, weder auf Befehlston, noch auf zutraulichen Ruf, noch auf Pfiff. Es ist, als wären ihre Ohren abgeschaltet.
Nach ca 10 bis 15 Minuten kommt sie zurück, wobei ihrer Körperhaltung anzusehen ist, dass sie ganz genau weis, was sie getan hat. Wenn ich sie schimpfe, sucht sie bei Frauchen Zuflucht (und umgekehrt), die aber darauf nicht eingeht.
Manchmal kann ich beobachten wo sie läuft: Zuerst hinter den Rehen her, dann zurück, um den Standplatz und die Spuren, die die Rehe hinterlassen haben, genaustens zu untersuchen.
Bestrafung hilft nichts. Ich habe sie schon in die Unterwerfungshaltung auf den Rücken gelegt, das Fell an der Kehle gepackt, und sie so geschüttelt, dass sie laut gequietscht hat - alles nutzlos. Für den Rest dieses Spazierganges pariert sie zwar und kommt sofort, wenn ich sie rufe. Doch bereits beim nächsten Spaziergang, nur ein paar Stunden später, ist der Drang den Spuren zu folgen wieder stärker als der Gehorsam.

Im übrigen ist Lucy eine Mäusewühlerin, schon von klein auf.

Spieltrieb kann es nicht sein. Sie tobt tagtäglich ausgelassen mit ihrer besten Freundin. Die beiden Hunde werden praktisch immer (und ohne Leine - und das soll auch so bleiben) gemeinsam ausgeführt. Die Schäferhündin gehorcht im übrigen gut, die Vorbildfunktion hilft aber leider nicht weiter. Die zwei Jahre ältere Hündin ist ein Draufgängertyp und die Ranghöhere der beiden Hunde. Sie nimmt Lucy sofort unter Schutz, wenn dritte Hunde dazustoßen.


Wer hat Erfahrung, was zu tun ist?



05. März 2002 19:38

Hallo Ludwig,

Erstens: Niemals (und zwar wirklich n i e m a l s!!) einen Hund ausschimpfen oder strafen, wenn er zu Dir zurückkommt, auch wenn er den größten Bockmist gebaut hat!
Hunde denken anders als Menschen, er kann immer nur Dinge miteinander verknüpfen die gleichzeitig oder unmittelbar aufeinanderfolgend passiert sind.
Wenn Du den Hund als beim Zurückkommen vom Wildern ausschimpft und straft, so wird er diese Strafe mit dem Zurückkommen verbinden und sich dafür bestraft fühlen, nicht aber für das Wildern! Folglich wird er immer weniger zuverlässig auf Ruf kommen, denn zu Herrchen kommen bedeutet Negatives!
Das "schlechte Gewissen" das Dein Hund bei dieser Gelegenheit zeigt, ist keines. Hunde haben kein schlechtes Gewissen, sowas ist stark vermenschlichtes Denken.
Er zeigt lediglich ein arttypisches Meide- und Beschwichtigungsverhalten, da er an Deiner Stimme und Körpersprache merkt, daß es gleich Saures gibt.

Mein Rat:
Arbeite an der Bindung zu Deinem Hund, mach Dich für ihn interessant (mit Spiel, Leckerchen). Suche Dir eine gute (!!) Hundeschule und lasse Dich diesbezüglich beraten.
Baue das zuverlässige Kommen auf Ruf zuerst ohne Ablenkung mit viel positiver Bestätigung auf, erst dann die Ablenkung langsam steigern.
Wild ist eine extreme Ablenkung!!

Gib Deinem Hund eine Aufgabe! (Fährten, Agility, es gibt sehr viele Möglichkeiten!) und biete im Ersatzjagdspiele an (Ball).

Alles muß langsam und schrittweise aufgebaut werden, im Notfall evt. mit einer Schleppleine arbeiten.
Ich habe es ohne Schleppleine, nur mit zuverlässiger positiver Bestätigung des Kommandos "hier" incl. Jackpot geschafft und kann mittlerweile meinen Hund von Wild (meistens) abrufen.
Kommt aber auf den Hund drauf an!

Sehr zu empfehlen sind die Clicker-Bücher von Birgit Laser und Martin Pietralla, auch wenn man nicht clickern will.
Aber man lernt kollossal viel über die hundlichen Lernmechanismen!

Viel Glück!
Sarah

05. März 2002 21:13

Hallo Sarah,


: Das "schlechte Gewissen" das Dein Hund bei dieser Gelegenheit zeigt, ist keines. Hunde haben kein schlechtes Gewissen, sowas ist stark vermenschlichtes Denken.
: Er zeigt lediglich ein arttypisches Meide- und Beschwichtigungsverhalten, da er an Deiner Stimme und Körpersprache merkt, daß es gleich Saures gibt.


kann man wirklich sicher sagen, daß Hunde kein schlechtes Gewissen haben?
Wenn meine Hündin die Weihnachtsplätzchen vom Wohnzimmertisch klaut und danach mit gesenktem Kopf und geduckter Körperhaltung zu mir in die Küche läuft und ich sofort merke, da stimmt was nicht, ist das dann auch ein Beschwichtigungsverhalten? Obwohl ich nicht geschimpft habe, weil ich es zu dem Zeitpunkt noch gar nicht wußte?

Versteh das bitte nicht als Kritik, mich würde das wirklich mal interessieren.

Viele Grüße, Andrea


05. März 2002 21:23

hallo ludwig,

eine wichtige grundregel, die einfach zu verstehen aber schwierig durchzusetzen ist:

beim hundeführer ist die angenehme zone. hier wird nicht geschimpft oder gestraft, sondern fürs zurückkommen gelobt.
der bereich des wilderns ist die zone des ungehorsams. diese zone muss dem hund unangenehm gemacht werden. wie man dies tut, bleibt jedem selbst überlassen. jedenfalls sollte man SOFORT irgendwie reagieren, bevor der hund alzu oft erfolg gehabt hat. das habe ich in der junghundphase auch verpasst und musste es später mit dem teletakt nachholen, weil mein hund x-mal erfolg hatte und hart genug ist, es doch immer wieder mal zu versuchen, obwohl es dann wehtut. wäre er früher nicht sooft damit durchgekommen, hätte ich ihm so manche harte einwirkung ersparen können. mein nächster hund wird aber garantiert beim ersten jagdversuch schon merken, das sich das nicht lohnt.


06. März 2002 07:18

Hallo Andrea,

schlechtes Gewissen hat etwas mit Moral zu tun.
Das Bewußtsein, etwas sittlich Verwerfliches und Bestrafungswürdiges getan zu haben, sozusagen.
Ich glaube nicht, daß Hunde so ein Empfinden haben.

Wenn mein Hund in meiner Abwesenheit etwas vom Tisch geklaut hat, dann zeigt er auch die typischen Beschwichtigungssignale (tiefes, verhaltenes Wedeln, gesenkter Kopf...), auch wenn ich gar nicht mitbekommen habe, daß er sich selbst bedient hat.
Das denke ich, kommt einfach daher, weil er die Erfahrung gemacht hat: Klauen vom Tisch = Ausgeschimpft werden

Als böser Sünder fühlt er sich dabei sicher nicht, denn er hat ja nur seine legitimen Bedürfnisse befriedigt und will jetzt der erfahrungsgemäß zu erwartenden Strafe entgehen.

Das ist meine Meinung, aber es ist natürlich Ansichtssache, wie man das Verhalten des Hundes interpretiert.
Aber ich persönlich glaube nicht, daß Hunde ein moralisches Bewußtsein im Sinne von Gut und Böse haben.
Sie sind gnadenlose Egoisten, aber sehr liebenswerte! ;-)

Grüße
Sarah

06. März 2002 07:29

Hallo Ludwig,

ich nochmal.

Falls Du auf Grund von tomtoms Posting auf die Idee kommen solltest, dir nun ein Teletakt-Gerät zuzulegen, um das Jagen bei deinem Hund abzustellen, dann kann ich Dich davor nur warnen.

tomtom hat nämlich vergessen, zu erwähnen, daß dieses Gerät -wenn überhaupt- in die Hand eines sehr, sehr erfahrenen Ausbilders gehört und man damit riesigen Schaden anrichten kann.

Ich persönlich lehne diese Art von Hilfsmittel gänzlich ab, wie gesagt, ich habe das Jagen anders in den Griff bekommen.

Aber jeder Hund ist anders und viele Wege führen nach Rom.
Das Allheilmittel ist der Teletakker sicher nicht, im Gegenteil, in der falschen Zehntelsekunde aufs Knöpfchen gedrückt, und du hast einen psychischen Krüppel zuhause. Also Vorsicht!

Gruß
Sarah