Beschwichtigungssignale :: Hundeerziehung + Soziales

Beschwichtigungssignale

von andreas(YCH) am 13. August 2002 07:01

Hallo,

Alex hat es dankenswerter Weise bereits angesprochen und ich möchte mich diesem Gedankengang anschließen: nicht alles, was nach einem Beschwichtigungssignal aussieht, ist auch eines. Man sollte auch da nicht schematisch werden, sondern sich den Blick für individuellen Hund und jeweilige Situation bewahren.

Zunächst beobachten wir ja nur ein Verhalten. Punkt. Anschließend interpretieren wir es. Punkt. Das Ergebnis der Interpretation kann verschieden ausfallen.

Erstens:
Das von einem Hund gezeigte Verhalten muß überhaupt nichts mit einer Beruhigung zu tun haben. Ein Hund kann gähnen und gähnt einfach nur, wie wir auch. Mehr nicht. Er kann sich die Schnauze lecken und hat vielleicht gerade zuvor etwas gefressen, und sei es nur unterwegs einen Grashalm. Vielleicht leckt er sich auch gerade nur den Sabber von den Lefzen. Das läßt sich beliebig fortsetzen.

Auch wenn man aufgrund einer vermeintlich eindeutigen Situation glaubt, der Hund beschwichtige, so muß dies ebenfalls nicht sein.
Beispiel: Hund macht einen Bogen um fremde Hunde. Oder um irgendeinen Gegenstand, der ihm neu und unheimlich ist. Hund hat dabei vielleicht einfach nur Angst. Vielleicht ist er nur vorsichtig und kommt dem furchteinflössenden Subjekt lieber mal nicht zu nahe.
Stellt Euch für Euch selbst mal irgendeine völlig fremde Sache vor, von der Ihr nicht wisst, was es ist und was es macht. Da geht man auch nicht zielstrebig und im Eiltempo darauf zu und steckt die Nase herein. das ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass man beschwichtigen möchten.
Risikoaversion ist nicht gleich Beschwichtigung.

Zweitens: Das Subjekt, bei dem eine Beruhigung erzielt werden soll, muß nicht der andere sein. Es kann durchaus der Hundeorganismus selbst sein. Wenn Hund verängstigt ist, Furcht zeigt, dann bemüht er sich manchmal einfach darum, sein eigenes emotionales Befinden, die Angst und Aufregung in den Griff zu bekommen.
Erinnert Euch mal an Situationen, in denen Ihr nervös und aufgeregt wart. Vielleicht an eine Prüfung oder bei wichtigen Dingen im Beruf. Da wippt man mit dem Fuß, spielt mit dem Kugelschreiber, kratzt sich, fährt sich durchs Gesicht etc. Aber nicht etwa um den Prüfer/Kontrahent zu beschwichtigen, der soll das ja möglichst gar nicht mitbekommen.
Wenn ich meine Hündin vor dem Fressen ruhig und freundlich ablege und aus dem Raum gehe, dann leckt die sich trotzdem die Schnauze und zittert bisweilen sogar, wenn es was ganz besonders Leckeres gibt. Das ist schlicht die Aufregung und die entsprechenden Reaktionen des Organismus, beschwichtigt wird da niemand, schon gar nicht der Fressnapf...

Drittens: man sollte sich davor hüten, dass die Hunde mittels Beschwichtigungssignalen eine glasklare Kommunikation führen, die gewährt, dass Auseinandersetzungen ausbleiben. Es gibt Hunde, die sind körperlich und mental sehr stark und kaum Beschwichtigungssignale zeigen, weil sie es nicht nötig haben.

Beispiel: Unser Altrüde ist seit Jahr und Tag (zumindest in seinen Augen) der Chef der Hundewiese. Der stolziert da drüber, ohne irgendwelche calming signals. Kein Bogen, keine langsame Annäherung. Wenn der wo hin will, dann tut er das zielstrebig und kontrolliert den anderen.
Aber auch dem Schwächeren bieten calming signals keine Gewähr für einen konfliktfreien Umgang mit anderen. Wieviele Hunde werden attackiert, obwohl sie vorher beschwichtigt haben? Bisweilen erfolgen die calmig signals nur, weil der Hund spürt, das er sich gegen den anderen nicht bahupten kann, in der Hoffnung, verschont zu bleiben. Eine Garantie bietet die Beschwichtigung nicht und oftmals gibt es dennoch Prügel.

Dazu passt, dass man seit langem weiss, dass Ernstkämpfe durchaus bis zum Tod egeführt werden, auch wenn der Gegner am Boden liegt und Kehle und Bauch offenbart. Als unser Eddie vor Monaten von einem anderen Hund fast umgebracht wurde, lag er auf dem Rücken, winselte und der andere biss weiter die Fleischbrocken aus ihm raus.

Gar so einfach ist es also mit dem Beschwichtigungsverhalten nicht. Man kann aber sehr gut den Blick für den Hund schulen und dann lernen zu erkennen, in welcher inneren Verfassung er sich befindet. Darin liegt für mich zunächst einmal der Wert: den emotionalen Zustand des Hundes überhaupt erst einmal zu erkennen und dann zunächst dafür zu sorgen, dass ich ihm nicht noch mehr Stress bereite, als er ihn ohnehin bereits empfindet.


Viele Grüße,

andreas

Hundeforum Login

  • Bitte geben Sie für die Anmeldung Ihren Teilnehmernamen und das Kennwort ein.
    Keinen Account? Jetzt Registrieren!





Aus dem Hundeforum Archiv

  • igitt!! Trockenfutter

    Mein Hund hat selbstverständlich immer einen großen Napf mit frischem Wasser bereitstehen. Und nach ...

  • Baldiger Tod.

    Liebe Nora, auch ich sitze jetzt hier und ringe mit den Tränen, obwohl wir uns nicht kennen. Ich habe ...

  • Operation Gaumenzäpfchen

    Hallo Rainer, die Kleine ist ein Coton de Tulear (schmaler langer Kopf). Beim Atmen und Laufen hat ...

  • Thymian

    Hallo Sonja, sicher kann man Kräuter der Nahrung zugeben, aber immer in einem gemässigten Verhältnis, ...

  • Selberkochen und Kotmenge ?

    Huhu Marlene, habe ich heute vormittag vergessen: : Für die Zähne kann ich mir nichts Besseres : ...

  • Futtermenge Leynes und Boos

    Hallo, ich füttere bisher Solid Gold MMillenia. Ich erwäge eine teilweise Umstellung, entweder einmal ...

Hundebilder aus dem Hundeforum

Aktive Hundebesitzer


Hundeforum Yorkie - Statistiken

Alle Hundeforen
Themen: 43.416, Beiträge: 285.516, Hundebesitzer: 11.389.
Neuester Hundebesitzer: Tierschutzverein Sehnde.

Aktuelles Hundeforum
Themen: 4.386, Beiträge: 44.176.

Startseite | Hundeforum | Hundefotos | Neueste Beiträge | | Registrieren