Hallo Antje,
Hallo Antje,
Was verwirrt Dich denn an der Sache? Dass dort Leute mit dem Halsband arbeiten und Du dadurch ihre Haltung zu ihrem Hund nicht einschätzen kannst? Dass Du selbst vielleicht glaubst, ihre Einstellung irgendwann zu übernehmen?
Ich bin mir selbst noch nicht sicher, was mich genau stört. Die Leute haben sicher eine gute Einstellung zum Hund. Es ist auch nicht der reine Ehrgeiz zu spüren. Die Hunde sind “Partner“ und keine Sportgeräte. Liebevoller Umgang, viel Spiel.
Ich erzähle Dir am besten erst mal meine „Hundeplatz-Geschichte“. Ich bekam einen Hund und war (heute auch noch) also völliger Neuling auf dem Gebiet. Wusste zwar aus Büchern, dass ich konsequent sein soll usw., aber nicht, wie ich ihn genau in der Praxis erziehen sollte. Also Sitz, Bleib, Fuß – das ganze für den Alltag. Er zog oft sehr und gehorchte wenig auf Rufe – hatte ihn aus dem Tierheim mit 4 Monaten bekommen. Mein erster Hund. Wollte deshalb auf einen Hundeplatz. Mir wurde dort, auf dem alten Hundeplatz immer gesagt, dass der Einsatz eines Stachel, oder „Koralle“ (übrigens: interessanter Begriff, den kannte ich gar nicht. Auf den ersten Blick wirkt er ein wenig euphemistisch auf mich. Denn das „Stacheln“, die eigentliche Einwirkung, wird dadurch umgangen. Korallen (als Tiere) sind doch sehr ästhetische Erscheinungen, so farbig und blumenartig. Warum wurde dieser Bezeichnung für diesen Typ Hundehalsband gewählt?) tierschutzwidrig sei. Veraltet und nicht mehr akzeptabel. Es wurde dort vorwiegend über Leckerli gearbeitet, aber auch mit Würger für die Hunde, die sehr zogen. Heute arbeiten die, so glaube ich, teilweise auch mit Halti. Die Grundeinstellung zum Hund, die mir dort als blutiger Anfänger vermittelt wurde, war die, dass alles über Lob laufen sollte, Fehler im Voraus erkennen und für das richtige Verhalten belohnen. Keine Härte anwenden, wenn es nicht unbedingt sein muss, nur gerechtfertigt bei Aggression oder extremer Dominanz.
Es wurde mir dort also eine Form der Ethik in der Hundeausbildung vermittelt. Das Wichtigste daraus: Hundeausbildung soll für den Hund nicht unangenehm sein.
Ich muss dazu sagen, dass auf diesem Platz (es gab dort keine VPG- Ausbildung), ganz selten wirklich triebige Hunde anzutreffen waren, keine Malinois, selten mal ein DSH. Und es wurde wenig, bis gar keine Anleitung gegeben, wie man seinen Hund motiviert. Das Ziel war auch mehr die „Alltagstauglichkeit“ und nicht der Sport als solcher, weil dort auch keiner war, der wirklich eine „gute“ UO hätte laufen können. Die Übungen zur BH (in Gruppen zu ca. 5) waren monoton für mich und so lief später dann auch der Hund. Nun bin ich in einen dem DHV- angeschlossenen Verein eingetreten. Es sind dort viele Malis, Schnauzer und DSH und die Leistungen, was die UO angeht, (also rein vom optischen Eindruck, den ich gewonnen habe) sind um Welten besser. Nun gut, sie haben aber auch eine andere Einstellung zur Ausbildung, das Ziel ist bei Ihnen ist auch der Sport. Sie trainieren auch mehr. Ich wollte einfach mit meinem Hund „weiter kommen“, nicht auf dieser Stufe stehen bleiben, daher habe ich gewechselt.
Nun stelle ich fest, dass dort eine ganz andere Einstellung zum Stachel und teilweise auch zum Teletak herrscht. Aus einigen Gesprächen habe ich erfahren, dass viele den Einsatz des Tak ablehnen, aber sagen, dass die Benutzer(die einen Schein dazu haben und die Hunde für Schutz- und Wachaufgaben ausbilden) selber entscheiden sollen.
Ich stoße da momentan an ethische Bedenken. Heiligt der Zweck die Mittel? Oder sollte irgendwann Schluss sein? Sollte man nicht irgendwann akzeptieren, dass man bei manchen Hunden mit der positiven Einwirkung nicht weiterkommt und dann aufhören? Oder sind dann andere Maßnahmen "erlaubt“? Was rechtfertigt der Hundesport? Sollten irgendwann auch Mittel eingesetzt werden, die dem Hund „Schmerzen“ bereiten, nur weil Mensch diesen Sport will und der Hund schon alltagstauglich und sozialverträglich ist? Ich kann diese Fragen selbst nicht beantworten, habe noch keine eindeutige Meinung.
Ich frage mich auch, ob die Stacheleinwirkung nicht bei den Hunden unterschiedlich ist. Macht es einem triebigen Hund, mit festem Wesen, viel aus? Ist es für diesen Hund dann wirklich ein „Schmerz“, oder überwiegt bei ihm der andere Reiz? Die Leute auf dem Platz behaupten, dass manchen Hunden der Stachel auch völlig egal ist, die merken die Einwirkung dann gar nicht. In diesen Fällen benutzen sie den Stachel auch nicht.
Es wird nirgendwo einen Verein geben, wo Du immer mit allen anderen in allen Dingen einer Meinung sein wirst. Wenn Du glaubst, daß Du auf diesem Platz mit Deinem Hund so arbeiten kannst wie Du das möchtest, ohne von anderen missioniert zu werden, dann halte ich diesen Verein für "gut". Es ist Dein Hund, Du hälst das obere Ende der Leine in der Hand und Du bestimmst, womit Dein Hund am unteren Ende befestigt wird (ob mit Koralle oder Halti oder gar nicht). Wenn Du und Dein Hund dann nach bestem Wissen und Gewissen in diesem Verein gefördert werden, halte ich die Sache für O.K. Man muß nicht alle Leute in einem Verein heiraten wollen bzw. mit deren Meinung übereinstimmen. Du selbst legst für Dich und Deinen Hund eine Grenze fest und optimal ist es, wenn man über Ausbildung kontrovers diskutieren kann, aber jedem zugesteht, es so machen zu können wie er möchte.
Ich denke, dass Du damit recht hast. Ich schätze die Leute auch so ein, dass sie mich auf meine Art arbeiten lassen würden. Manche würden bestimmt auch akzeptieren können, dass ich keinen Stachel will und mich vielleicht trainieren. Andernfalls ist es schwierig ihre Art der Ausbildung abzulehnen, ohne wirklich einen eigenen Plan zu besitzen, bzw. die Ahnung, die nötig wäre, um alleine, ohne Betreuung, ohne Beobachtung und Ratschläge weiter zu kommen. Ich bin ja quasi Anfänger. Wer bietet Lehrgänge an, wo bekomme ich dann Informationen?
Grenzen sollte man dort ziehen, wo es dem Hund an die Substanz geht, aber das scheint Deiner Beschreibung nach dort nicht zu passieren, sonst wäre die Bindung der Hunde zu ihren Leuten nicht gut.
An die Substanz geht es den Hunden dort bestimmt nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob man die Grenze nicht dort ziehen sollte, wo die ethische Überzeugung verletzt wird. So weit sollte die Toleranz nicht gehen. Es wird nicht in diesem Sport an Modellautos „gebastelt“, sondern an Lebewesen.
Viele Grüße
jens