Hallo Jens,
: Ich bin mir selbst noch nicht sicher, was mich genau stört. Die
: Leute haben sicher eine gute Einstellung zum Hund. Es ist auch
: nicht der reine Ehrgeiz zu spüren. Die Hunde sind “Partner“ und
: keine Sportgeräte. Liebevoller Umgang, viel Spiel.
D.h. da könntest Du durchaus etwas abgucken und von ihnen lernen...?
: Ich erzähle Dir am besten erst mal meine
:„Hundeplatz-Geschichte“.....
: ...
: ...Mir wurde dort, auf dem alten Hundeplatz immer gesagt, dass
: der Einsatz eines Stachel, oder „Koralle“ (übrigens: interessanter
: Begriff, den kannte ich gar nicht. Auf den ersten Blick wirkt er ein
: wenig euphemistisch auf mich. Denn das „Stacheln“, die
: eigentliche Einwirkung, wird dadurch umgangen. Korallen (als
: Tiere) sind doch sehr ästhetische Erscheinungen, so farbig und
: blumenartig. Warum wurde dieser Bezeichnung für diesen Typ
: Hundehalsband gewählt?) tierschutzwidrig sei....
Zum Begriff: Zwischen einem "Korallenhalsband" und einem "Stachelhalsband" liegt einiges. Letzteres wird in der Parforce-Ausbildung der Jagdhunde verwendet und ist ein mit angespitzten, nach innen gerichteten Stacheln versehenes Lederhalsband. Diese Halsbänder sind in der Ausbildung im Hundesport verboten, im Gegensatz zu den Korallenhalsbändern, die relativ dicke und abgerundete Spitzen haben und durch ihre Mechanik eine ganz andere Wirkungsweise. Daher auch der abweichende Begriff.
: Nun stelle ich fest, dass dort eine ganz andere Einstellung zum
: Stachel und teilweise auch zum Teletak herrscht. Aus einigen
: Gesprächen habe ich erfahren, dass viele den Einsatz des Tak
: ablehnen, aber sagen, dass die Benutzer(die einen Schein dazu
: haben und die Hunde für Schutz- und Wachaufgaben ausbilden)
: selber entscheiden sollen.
:
: Ich stoße da momentan an ethische Bedenken. Heiligt der Zweck
: die Mittel? Oder sollte irgendwann Schluss sein? Sollte man
: nicht irgendwann akzeptieren, dass man bei manchen Hunden
: mit der positiven Einwirkung nicht weiterkommt und dann
: aufhören? Oder sind dann andere Maßnahmen "erlaubt“? Was
: rechtfertigt der Hundesport? Sollten irgendwann auch Mittel
: eingesetzt werden, die dem Hund „Schmerzen“ bereiten, nur weil
: Mensch diesen Sport will und der Hund schon alltagstauglich
: und sozialverträglich ist? Ich kann diese Fragen selbst nicht
: beantworten, habe noch keine eindeutige Meinung.
Für mich hört sich das alles nach einem Verein an, in dem jeder so trainieren kann mit seinem Hund wie der das möchte, so lange er gewissen grenzen nicht überschreitet. Solche tolerant eingestellten Vereine sind sehr selten. Versuche doch einfach, Dich näher mit der Materie zu beschäftigen, diese Gelegenheit hast Du ja jetzt. Sprich mit den Ausbildern, die E-Reizgerät und "Stachelhalsband" einsetzen, probiere beides mal selbst an Dir aus (E-Reizgerät bedeutet nicht unweigerlich "Schmerzen" für den Hund, oftmals wird heute auf sehr viel niedrigeren Stufen gearbeitet), dann wirst Du für Dich relativieren können, ob Du dort mit Deinem Hund trainieren kannst (ohne selbst diese Dinge zu benutzen), sprich ob Du moralisch mit diesen Dingen dort klar kommst. Ich kenen auch jemanden, der ebenfalls am Sinn oder Unsinn solcher Hilfsmittel gezweifelt hat, und der deswegen zusammen mit seinen Vereinskollegen einen E-Reizgerätkurs besucht hat, nur um sich darüber klar zu werden, wie er eigentlich zu diesen Dingen steht (und nicht, um es anzuwenden).
: Ich frage mich auch, ob die Stacheleinwirkung nicht bei den
: Hunden unterschiedlich ist. Macht es einem triebigen Hund, mit
: festem Wesen, viel aus? Ist es für diesen Hund dann wirklich ein
: „Schmerz“, oder überwiegt bei ihm der andere Reiz?
Natürlich, jeder Hund ist unterschiedlich. Und selbst ein und der selbe Hund reagiert in unterschiedlichen Trieblagen ganz unterschiedlich auf gleiche Reize. Sprich einem "Weichei", das sich sonst schon beschwert, wenn man mal am normalen Halsband zuppelt, kann ein derber Riß völlig schnurz sein, wenn er sich im Trieb hochkatapultiert, weil gerade sein Erzfeind, sprich Nachbars Katze, den Weg daher kommt...
: Die Leute auf dem Platz behaupten, dass manchen Hunden der
: Stachel auch völlig egal ist, die merken die Einwirkung dann gar
: nicht. In diesen Fällen benutzen sie den Stachel auch nicht.
Völlig richtig...
: Ich denke, dass Du damit recht hast. Ich schätze die Leute auch
: so ein, dass sie mich auf meine Art arbeiten lassen würden.
: Manche würden bestimmt auch akzeptieren können, dass ich
: keinen Stachel will und mich vielleicht trainieren. Andernfalls ist
: es schwierig ihre Art der Ausbildung abzulehnen, ohne wirklich
: einen eigenen Plan zu besitzen, bzw. die Ahnung, die nötig wäre,
: um alleine, ohne Betreuung, ohne Beobachtung und Ratschläge
: weiter zu kommen. Ich bin ja quasi Anfänger. Wer bietet
: Lehrgänge an, wo bekomme ich dann Informationen?
...
: An die Substanz geht es den Hunden dort bestimmt nicht. Ich bin
: mir nicht sicher, ob man die Grenze nicht dort ziehen sollte, wo
: die ethische Überzeugung verletzt wird. So weit sollte die
: Toleranz nicht gehen. Es wird nicht in diesem Sport an
: Modellautos „gebastelt“, sondern an Lebewesen.
Und ich bin mir sicher, daß den meisten Leuten dort sehr an ihrem Hund gelegen ist.... Es ist nicht einfach, einen guten Verein zu finden, der einem 100%ig zusagt, sprich das Niveau nicht zu niedrig oder zu hoch für einen liegt und in dem man nach eigenem Gutdünkel mit seinem Hund so arbeiten kann wie man das möchte. Vielleicht lohnt es sich für Dich wirklich, Dich näher mit der Materie dort zu beschäftigen, sprich ob Du damit leben kannst, daß andere dort anders arbeiten als Du es mit Deinem Hund tun würdest. So dicke sind die optimalen Vereine (= wo man am liebsten jeden heiraten würde) nämlich nicht verbreitet...
Viele Grüße
Antje