Hallo Anke,
Heikes Antwort finde ich super! Aber leider ist es nicht einfach, die eigene Unsicherheit einfach abzuschütteln - andernfalls wäre die gesamte Menschheit ein selbstbewußter, in sich ruhender, zufriedener Haufen. Und das ist sie bekanntlich leider nicht...
Was also kannst Du konkret tun, wenn es Dir nicht von heute auf morgen gelingt, Dich von Deinen Ängsten zu befreien?
Zunächst einmal: übe das "Hier"-Kommando in einer vertrauten Umgebung ohne Ablenkung. Ich vermute aufgrund Deines Postings, dass Du über keinen Garten verfügst, richtig? Denn das wäre natürlich die beste Umgebung. Aber die Wohnung tut's auch. Wann immer Du etwas von Deinem Hund willst und das ihm Freude macht, rufe ihn mit dem "Hier"-Kommando. Also: wenn Du ihn füttern willst, halte den Napf in der Hand, und wenn Jasper dann in Erwartung seines Futters zu Dir kommt, sag deutlich "Hier" und - da Jasper ja das "Sitz" schon gut beherrscht - auch "Sitz", sobald Dein Hund bei Dir ist, und dann erst stellst Du ihm den Napf hin. Achte dabei gleichzeitig darauf, dass Jasper erst auf ein Auflösekommando, wie z.B. "Friss", zu fressen beginnt, denn er soll gar nicht erst lernen, dass er ein gegebenes Kommando nach eigenem Gutdünken wieder aufheben kann. "Sitz" heißt sitzenbleiben - so lange, bis DU ein anderes Kommando gibst! Im Verlaufe des Tages rufe Jasper ganz oft mit einem "Hier" zu Dir - z.B. wenn Du mit ihm spielen willst. Oder wenn er gerade in einem anderen Zimmer ist. Kommt er zu Dir und sitzt vor (das kannst Du aber auch u.U. erst etwas später einführen), dann lobst Du ihn überschwenglich, oder spielst kurz mit ihm oder gibst ihm ein Leckerli. Möglichst immer mal die Form des Lobes abwechseln, denn für einen pappsatten Hund ist ein Leckerli nicht unbedingt das tollste Lob, für einen ausgepowerten Hund ist ein Spiel nicht unbedingt das beste Lob. Wiederhole diese Übung zigmal am Tag über ca. eine Woche. Erst wenn das Kommando zu Hause sicher befolgt wird, solltest Du es auch auf dem Spaziergang anwenden.
Was aber machst Du bis dahin auf den Spaziergängen? Schleppleine ist eine gute Möglichkeit. Wenn Du damit nicht klarkommst, Jasper aber frei laufen lassen möchtest, dann solltest Du ihn nicht zu Dir rufen, sondern ruhig zu ihm hingehen und ihn anleinen (Bitte KEINE Nachlaufsituation daraus machen!!!!) Es schadet aber auch nicht, wenn Du Jasper mal zu Deiner eigenen Sicherheit eine Woche nur angeleint ausführst. Länger als eine Woche sollte es eigentlich nicht dauern, bis er das Hier-Kommando beherrscht.
Wenn Du schon von weitem siehst, dass sich ein anderer Hund nähert, Jasper ihn aber noch nicht entdeckt hat, leine ihn an. Er muss JETZT lernen, dass er nur auf ausdrückliche Erlaubnis von Dir zu anderen Hunden hinlaufen darf. Hat Jasper dagegen schon den anderen Hund entdeckt und ist längst auf und davon, dann bleib ruhig. Und rufe ihn UNTER GAR KEINEN UMSTÄNDEN. Denn nichts ist schlimmer für die Erziehung, als ein Kommando, das man nicht auch durchsetzen kann. Und da Du weißt, dass Jasper in der Situation eh nicht auf Dich hört, gib erst gar kein Kommando!!! Im übrigen: wovor hast Du eigentlich solche Angst, wenn Jasper zu einem anderen Hund hinläuft? Beißereien sind viel seltener, als man annimmt und gerade ein jüngerer Hund wird oft von älteren nicht richtig ernst genommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, ist also relativ gering, so dass Du nicht gleich in Panik geraten brauchst, wenn Jasper zu einem Hund hinläuft.
Ganz wichtig ist die Festigung der Bindung zwischen Dir und Jasper! Du musst Dich für ihn interessant machen! Und gleichzeitig muss er lernen, dass von Dir gerufen zu werden nicht bedeutet, dass jetzt das Ende aller schönen Aktivitäten droht. Also nicht nur rufen und anleinen, wenn es nach Hause geht oder er von einem vierbeinigen Kumpel weggeholt werden soll. Wenn er das "Hier" zu Hause bereits gut kann, übst Du also mit ihm unterwegs. Zunächst konsequent nur angeleint, wobei es egal ist, ob Du eine Flexi, Schleppleine oder normale Leine benutzt. In jedem Fall gibt Dir die Leine die Möglichkeit, Jasper beim Nichtbefolgen des Kommandos zu korriegieren. Damit ist übrigens nicht gemeint, dass Du ihn zu Dir heranziehst. Dann würde Jasper lernen: "Hier" bedeutet, dass Frauchen mich zu sich zieht. Er soll aber von sich aus kommen, also nicht passiv sein, sondern aktiv agieren. Die Leine dient also lediglich dazu, ihn am Weglaufen zu hindern. Bleib ganz ruhig stehen, knie Dich evtl. hin. In dem Moment, in dem sich Jasper Dir zuwendet und auch nur einen einzigen Schritt auf Dich zu macht, gib das Kommando "Hier". So festigst Du das zu Hause Gelernte: Jasper verknüpft, dass er sich bei "Hier" zu Dir hinbegeben soll. Klappt es an kurzer Leine auf kurze Distanz, verlängerst Du die Distanz, z.B. mit der Flexi oder der Schleppleine. Klappt das, machst Du dasselbe unter Ablenkung, d.h. wenn andere Hunde da sind. Sei gewiss: dabei wird es etwas länger dauern, denn Jasper wird garantiert erst mal nur zu den anderen Hunden hinschauen. Aber irgendwann wird er einen Schritt auf Dich zumachen - und sofort sagst Du "Hier" und belohnst ihn. Anschließend das Aufheben des Kommandos nicht vergessen!
Merkst Du etwas? Das Kommando wird während der Lernphase nicht zuerst gegeben und dann wartet man, ob der Hund es auch befolgt. Das bringt Euch nicht weiter. Umgekehrt wird ein Schuh daraus (und das gilt grundsätzlich für alle neu zu lernenden Kommandos): erst wenn der Hund Anstalten macht, die gewünschte Handlung auszuführen, wird genau in dem Moment (Timing!!!) das Kommando gegeben. So erreicht man die berühmt "Verknüpfung".
Dann, nach ca. 1 Woche, kommt der große Moment: jetzt wird ohne Leine geübt. Zunächst wieder nur, wenn keine große Ablenkung in der Nähe ist. Ruf Jasper auf dem Spaziergang öfter zu Dir und lobe ihn jedesmal. Wenn er sehr verfressen ist, mit Leckerli, wenn er sehr verspielt ist, mit einem kurzen Spiel. Dabei solltest Du sog. führernahe Spiele grundsätzlich bevorzugen, also z.B. Zerren an einem Tau oder Kong. Denn Jasper soll lernen, dass es in Deiner Nähe toll ist, dass DU interessant bist. Versteck Dich mal hinter einem Baum, und wenn Jasper Dich sucht und gefunden hat, sagst Du genau in dem Moment, wo er sowieso auf Dich zuläuft, deutlich "Hier".
Auf diese Art und Weise lernt er das Kommando - vor allem aber lernt er, dass es schön ist, zu Dir zu kommen. Denn er weiß, dass er 1. gelobt wird und 2. danach auf Deine Erlaubnis hin (!) auch wieder spielen bzw. frei laufen darf. Damit hat er keinen Grund mehr, das Kommando zu ignorieren.
Über eines aber solltest Du Dir klar sein: Jasper ist mit 8 Monaten voll in der Pubertät. D.h. er beginnt sich "abzunabeln" - und das ist bei Hunden wie bei Menschen eine Zeit, in welcher der "Chef" auf seine Führungsqualitäten getestet wird. Auch Hunde, die zuvor schon super gehorcht haben, proben in der Zeit schon mal den Aufstand und haben die Ohren auf Durchzug gestellt. Du hast Dir durch Deine Unsicherheit aber bisher die Chance genommen, schon einen einigermaßen guten Gehorsam bei Jasper zu erreichen. Es wird daher mit Sicherheit ein etwas mühevollerer Weg für Euch beide sein - wappne Dich also mit Geduld.
Ansonsten kann ich Dir nur einen ganz, ganz wichtigen Tipp geben: mach Dich unbedingt frei davon, Dir Gedanken darüber zu machen, was andere von Dir halten. Viele, viele Hundebesitzer fühlen sich bloßgestellt, wenn sie ihren Hund rufen, dieser aber nicht gehorcht, und irgendwelche Leute das mitbekommen. Folge: sie werden entweder unsicher oder sind verärgert - und beides spürt ein Hund und reagiert entsprechend darauf. Im Zweifel mit noch mehr Ungehorsam... Es ist vollkommen egal, was ander von Dir denken. Wichtig sind nur Du und Dein Hund!!! Wer sich davor fürchtet, sich mal kräftig zu blamieren, der sollte sich besser gar keinen Hund anschaffen. Damit will ich auch auf das hinaus, was Heike geschrieben hat: sieh alles nicht so verbissen, gib Dir nicht an allem die Schuld, lass Dich nicht verunsichern, sondern kultiviere eine gute Portion Humor.
Und noch eines: wenn Du es trotz all Deiner Unsicherheit geschafft hast, eine so jungen Hund selbst auf Entfernung ins Sitz befehlen zu können, dann hast Du bereits mehr erreicht, als Hunderte von anderen Hundebesitzern je schaffen. Darauf kannst Du stolz sein und das solltest Du auch. Vielleicht schöpfst Du daraus ja die notwendig Selbstsicherheit, um auch das "Hier"-Problem zu lösen. Ich wünsche es Dir jedenfalls von Herzen!
Tschüss
Inge + BC