Hi,
: es würde mich in dem Zusammenhang mal interessieren, ob Deine unterwürfige Hündin dann auch nach Leuten schnappt, wenn sie ihr unter dem Tisch zu nahe kommen (mit Fuß oder so).
Nein, tut sie nicht. Sie meldet schon vorher, daß sie sich jetzt sehr unsicher fühlt mit Brummen - allerdings macht sie das nur, wenn sie jemand Fremdes anzufassen versucht oder mein Vater sich über sie beugt und sie eben Angst bekommt. Zugeschnappt hat sie noch nie. Außerdem haben wir halt jahrelang an dieser Angst und Unsicherheit gearbeitet - mittlerweile kommt sowas so gut wie nicht mehr vor. Wichtig ist dabei, dem Hund Selbstvertrauen zu geben, ohne ihm Rangprivilegien einzuräumen. Zum Beispiel kann man ihn schon mal im Spiel gewinnen lassen und dann das Triumphtragen (meine ist ein Golden, trägt sehr gerne) heftig loben - oder nicht jedes Kommando mit Druck durchzusetzen versuchen, sondern komplett auf positive Bestärkung umsteigen. NICHT aber das Absetzen vor dem Fressen aufgeben, nicht die Alltagsrituale aufgeben usw... wenn Dein Hund versucht, sich wie ein ranghohes Tier zu benehmen (Dich vom Liegeplatz wegknurrt, Futter nicht abgibt und sowas), dann ist sie nur aus Lernerfahrungen heraus unsicher gewesen und packt jetzt, in einer weniger bedrohlichen Umgebung, ihr genetisch festgelegten Wesensanteil wieder aus. Das hat man oft bei Secondhand-Hunden; sie ändern ihr Verhalten oft nach ca. einem halben Jahr im neuen Heim nochmal komplett, der "wahre" Charakter kommt zum Vorschein. Dagegen ist meine Hündin immer schon so unsicher gewesen (habe sie seit der 10. Woche), sie ist ein typisches Beispiel für einen überzüchteten Golden. Insofern kann man bei ihr gar nicht lieb genug sein und zuwenig Druck machen oder zuwenig auf Rangordnungen achten. Ein wirklich von Natur aus unsicherer Hund wird gar nicht erst versuchen, höhere Rudelpositionen einzunehmen.
Sicher versucht sie manchmal, was zu bekommen (fordert mich zum Spielen auf, bettelt) - aber das sind alles Dinge, die man sofort mit einem einfach "Laß das" abstellen kann; insofern stellt der Hund damit nicht meine Überlegenheit in Frage.
:Meine Hündin ist nämlich eigentlich auch sehr unterwürfig und unsicher. Sie hatte schon 2 Vorbesitzer, als sie im Alter von 14 Wochen (!) zu uns kam.
Kein Wunder, die schlechten Erfahrungen lagen mitten in der Prägephase. Daß die Folgen gravierend sind, ist nicht verwunderlich. Prägeerfahrungen sind teils wirklich irreversibel.
: Wir haben dann den Fehler gemacht, daß wir sie durch die Privilegien trösten und in ihrem Selbstbewußtsein stärken wollten, weil wir ja auch dachten, daß sie das braucht und ihr das gut tut, was dann eindeutig falsch war.
Da fehlt eine Unterscheidung: Dem Hund Privilegien einzuräumen ist eigentlich immer falsch. Ihn in seiner Rangposition zu verunsichern macht einen unsicheren Hund noch unsicherer (er weiß nicht mehr, was los ist - feste Regeln geben ihm Sicherheit, geben ihm Routine), einen selbstbewußten Hund verführt es zum Dominieren. Einen selbstbewußten Hund muß man unter Umständen aktiv dominieren, also vor dem Fressen sitzen lassen, Anstarren-Weggucken üben usw. Einen unsicheren Hund muß man nicht so behandeln - er ordnet sich quasi von selbst unter, wenn wir uns nur ruhig und souverän benehmen. Wenn wir mal auf seine Spielaufforderung eingehen, ist das nur gut für ihn. Bei einem sehr selbstbewußten Hund würde ich das vielleicht eher nicht tun. Was der eine Hund als Aufforderung zum Chefwerden versteht ist für den anderen nur eine gute Gelegenheit, ein bißchen selbstbewußter zu werden (und damit sicherer).
Dagegen ist es bei einem ängstlichen Hund nie verkehrt, sein Ego zu stärken, es systematisch aufzubauen. Das macht man NICHT indem man ihn wie einen Rudelchef handeln läßt, sondern in erster Linie, indem man ihn oft heftig lobt, ihn Aufgaben erfüllen läßt und das begeistert bestätigt (Sachen tragen, z.B.), überhaupt viel arbeitet (ohne jeden Druck!!).
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: Woran erkennst Du nun, ob Deine Hündin das wirklich braucht, oder ob sie sich nicht auch ihre Privilegien nur erschleicht?
Ob der Hund wirklich unsicher ist, sieht man an ihrem Körper (Ohren, Rute, Gesamthaltung). Hunde können Unsicherheit nicht "vorspielen", sie lügen nicht. Daß sie nicht Rangüber ist (das meinst Du mit "Privilegien erschleichen", oder?) kann man leicht sehen, da sie alles sofort und immer ausgibt, sich ohne jeden Widerstand ihr Futter aus der Schnauze holen läßt (obwohl sie sehr verfressen ist), sofort alles räumt, wenn man sie nur anguckt usw. Ein Hund, der sich so verhält, ist nicht ranghoch.
: Also, ich unterstelle nicht, das es so ist, aber ich glaube daß da eine sehr schmale Gradwanderung ist, deren Grenzen ich nicht eindeutig erkenne.
Gratwanderung ist das nur bei Hunden, die "eigentlich", unten drunter in ihrem Wesen doch gerne Rudelchef wären. Bei meinem Hund eher nicht, da sie in ihrer unteren Position heilfroh ist, nicht den Boß machen zu müssen.
: Viele Grüße und guten Rutsch!
Dito
josh und Leika (:-))