von Inge + BC(YCH) am 04. Februar 2003 00:05
Hallo Sonja,
irgenwann gab's mal einen Bericht über ein Wolfsrudel. Da konnte man deutlich sehen, dass die rangniederen Tiere gegenüber den ranghöheren bei jeder, wirklich JEDER, Aktion Calming Signals zeigten. Manchmal sehr deutlich, manchmal musste man genau hingucken. Ich habe daraufhin mal die diversen Hunderudel beobachtet, wie die das so untereinander machen. Und siehe da: genauso! Allerdings weniger deutlich ausgeprägt. Da wird bei der Begrüßung beschwichtigt, aber auch bei jedem weiteren Kontakt untereinander. Lediglich wenn die Hunde beim Spaziergang so nebeneinander herlaufen, OHNE sich dabei anzusehen, geht's ohne Calming Signals. Ansonsten: viele, viele CS, auch ein Großteil des freien Spiels beinhaltet CS. Man muss nur mal genau hinschauen, wie oft Hunde den Blick abwenden, wenn sie direkt neben einem anderen Hund stehen. Wie sie Bögen laufen, bei der Begegnung. Sich zur Spielaufforderung abducken - und, und, und.
So halten sie es dann letztlich auch bei der Kommunikation mit uns Menschen. Das bedeutet aber nicht, dass sie dann keinen Kontakt wünschen - gut sozialisierte Hunde lieben ja auch den Kontakt zu Artgenossen, auch wenn sie dabei ständig Signals aussenden. Unsere Reaktion darauf sollte von der Situation, der Art des CS und dessen Stärke abhängen. Meine ältere Hündin z.B., ein recht selbstbewußtes Tier, mag - wie viele relativ ranghohe Hunde - nicht so gerne körperliche Nähe. Wenn ich sie knuddele, gähnt sie manchmal SEEEHHHHR deutlich. Das respektiere ich dann. Zu anderen Zeiten ist sie aber auch mal "schmusiger" gestimmt. Sie gähnt dann zwar auch, aber nur kurz und mehr angedeutet. Dann nehme ich mir mein "Recht" als Ranghöhere heraus und knuddel sie - was sie dann meistens mit einem halb wohligen, halb resignierenden Seufzer über sich ergehen lässt *grins*. So nach dem Motto "na, wenn's denn sein muss..."
Calming Signals werden grundsätzlich in Konfliktsituationen gezeigt. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass Konflikt nicht unbedingt immer etwas Negatives ist. Ein typisches menschliches Calming Signal ist z.B. das Lächeln. Wir lächeln, wenn uns etwas peinlich ist oder wir und entschuldigen wollen - aber eben auch, wenn wir uns sehr freuen. Wenn es z.B. zum Spaziergang geht und der Hund sich darauf freut, aber es mal wieder so ewig lange dauert, bis Frauchen angezogen ist, dann ist das eine typische Konfliktsituation: der Hund möchte etwas, aber kann es nicht sofort erreichen. Also gähnt er. Andererseits kann dahinter auch stecken, dass er Angst vor dem Spaziergang hat, weil er vielleicht umweltunsicher ist etc. Daran kann man schon sehen, dass Calming Signals in ein und derselben Situation etwas ganz Verschiedenes bedeuten können. Anderes Beispiel: der Hund trödelt nach dem Heranrufen. Möglichkeit 1: er hat Angst vor dem Halter. Andere Möglichkeit: er hatte gerade etwas "ganz Dringendes" vor, z.B. an etwas Interessantem Schnuppern, und muss dies nun abbrechen, um dem Befehl Folge zu leisten. Schon hat er wieder einen Konflikt.
Mit anderen Worten: versuche, Deinen Hund "zu lesen", aber überbewerte die Bedeutung der CS nicht!
Gruß
Inge + BC