Hier ein aktueller Artikel bez. Tiermehl/BSE:
"Wie aus einem Elefanten Tiermehl wird
Eklig und gefährlich: Das bisherige Futter für Schweine und
Geflügel
Von unserem Redaktionsmitglied Walter Serif
Gibt es etwas Ekligeres als Tiermehl? Unabhängig von der
BSE-Gefahr ist das Futter, das aus Schweinen "Kannibalen" macht,
nichts für Zeitgenossen mit einem sanften Gemüt. In den 43
deutschen Tierkörper-Beseitigungsanstalten wird alles
zusammengeschmissen: Abfälle aus dem Schlachthaus, tote Rinder,
Schweine und Hühner, aber auch eingeschläferte Hunde und Katzen.
Schließlich liefern Pharmaunternehmen und Universitäten Laborratten
und Versuchstiere. Manchmal kommt auch ein Elefant aus dem Zoo
hinzu. All dies wird gemahlen und zerkocht. Bei 133 Grad Celsius -
Druck: drei Bar - wird die Masse gerührt und danach getrocknet,
gedörrt und gepresst.
Die Bundesregierungen haben nach Ausbruch der BSE-Krise stets
betont, dass die deutsche Methode der Herstellung von Tiermehl
sicher sei. Das Tiermehl darf seit 1994 nicht mehr an Wiederkäuer
verfüttert werden. Trotzdem gibt es unter Experten Zweifel an der
Sicherheit. Der EU-Lenkungsausschuss, der aus unabhängigen
Wissenschaftlern besteht, empfiehlt eine Methode, die noch
aufwändiger und teurer ist: 30 Minuten (statt 20 Minuten) bei 140
Grad und 3,6 Bar Druck.
Kritiker der Verfütterung des Tiermehls argumentieren, dass über
Knochenmehl oder verunreinigte Apparate infiziertes Rind wieder ins
Rinderfutter gelangen kann. Diese "Kreuzkontamination" lässt sich
nicht mit absoluter Sicherheit ausschließen. Deshalb steht zum
Beispiel für die Franzosen fest: Nur bei einem Stopp der
Tiermehlverfütterung endet dieser tödliche Nahrungskreislauf, der
beim Menschen zum Ausbruch der neuen Variante der
Creutzfeldt-Jacob-Krankeit führen kann. Außerdem stellte sich trotz
der Beschwichtigungen der deutschen Agrarminister immer wieder
die Frage, wie es denn die Nachbarn mit der Sicherheit beim
Tiermehl halten. Rinderwahn lässt sich auch übers Tiermehl
importieren.
Das Verfütterungsverbot hat auf lange Sicht aber zusätzlich einen
anderen Vorteil: Es minimiert die Gefahr einer Übertragung von
BSE-Varianten auf Schweine oder Hühner. Nach dem gegenwärtigen
Stand der Wissenschaft ist dies zwar unwahrscheinlich. Doch darauf
sollte man sich lieber nicht verlassen. Bei Geflügel hat es bisher im
Feldversuch keine Übertragung gegeben. Anders sieht es bei
Schweinen aus. So wurde nach Angaben des
Bundesgesundheitsministeriums ein Schwein infiziert. Dazu waren
allerdings unnatürlich große Mengen von Prionen (Eiweiß) notwendig,
die außerdem direkt ins Gehirn und in die Bauchhöhle gespritzt
wurden. In der Wirklichkeit kann dies so nicht passieren. Gewiss ist
aber: Wer Tiermehl an Pflanzenfresser verfüttert, muss sich nicht nur
mit Fragen der Ethik herumschlagen. Bei Schafen und Rindern
kennen wir inzwischen die Rache der Natur.
Frankreich musste sich zu Wochenbeginn bei der Tagung der
EU-Landwirtschaftsminister harte Worte von den Partnern anhören
lassen, die sich gegen ein EU-weites Verbot der Tiermehlverfütterung
wehrten. Darunter auch der deutsche Minister Karl-Heinz Funke
(SPD). Bei den Argumenten der Verbots-Gegner spielen finanzielle
Interessen keine geringe Rolle. Nur ein Politprofi wie Bundeskanzler
Gerhard Schröder (SPD), der es im Gefühl hat, wann ein Thema heiß
wird, kann sich als gebildeter Laie über solches Schein-Expertentum
hinwegsetzen.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium stellt zum Beispiel die Frage,
wie die etwa 450 000 Tonnen Mehl entsorgt werden können. (Eine
ausgewachsene Sau, die Ferkel säugt, braucht nach
Expertenangaben pro Tag 700 Gramm Tiermehl.) Da die deutsche
Methode hygienisch einwandfrei sei, könnte das Produkt als
Bindemittel in der Zementproduktion eingesetzt werden. Auch eine
Verbrennung in Biogas-Anlagen sei denkbar. Das Ministerium hält
sogar einen weiteren - wenn auch vielleicht eingeschränkten - Export
durchaus für möglich. Die Franzosen haben große Schwierigkeiten
bei der Lagerung und/oder Verbrennung und wollen Teile deshalb im
Saarland verbrennen lassen. Dort regt sich bereits der Widerstand.
Ein anderes Problem ist der Ersatz des proteinhaltigen Tiermehls. In
Frage kommt in erster Linie Soja. Der Soja-Preis hat im Zuge der
Debatte kräftig angezogen, und dieser Trend wird sich fortsetzen,
wenn Deutschland (und vielleicht bald die ganze EU) aussteigen.
Soja aus den USA, Australien oder Brasilien hat allerdings einen
Nachteil. Es ist oft gentechnisch verändert. Man kann als
Verbraucher offensichtlich nicht alles haben.
© Mannheimer Morgen – 25.11.2000"
Grüße
Kathi