Das Mädchen und ihre Begleiter schenkten den skeptischen Blicken des Tierheimmitarbeiters keine Aufmerksamkeit. Leute wie sie waren in der
kleinen Stadt in Norddeutschland nicht sehr beliebt.
Das Mädchen hatte nur Augen für den schwarzen Welpen, der sich ängstlich
an die Betonwand des Zwingers drückte. Seine Geschwister tollten munter
umher und ließen sich bereitwillig kraulen. Keine Frage! Das Häuflein
Elend an der Wand sollte es sein!
Ein Vertrag wurde ausgefüllt: Schäferhundmischling, weiblich, 40 DM !!!
Dem Mädchen verschlug es die Sprache. 40 DM !!!! Ein Vermögen, wenn die
monatlichen Einkünfte gerade mal 300 DM betragen. Ein Leben ohne diesen
kleinen Hund erschschien jedoch sinnlos. Die Begleiter des Mädchens sahen das genauso und halfen mit etwas Geld aus.
Erst dann wurde der Zwinger geöffnet und die " Übergabe " konnte statt-
finden.
Das Mädchen war außer sich vor Glück !!! Dieses kleine, weiche Hunde -
mädchen sollte von nun an zu ihr gehören. LILLI soll sie heißen. Das passt zu ihr! LILLI, was für ein Name!!!
Das Mädchen hatte auch kein Geld für Halsband und Hundeleine. Kein Problem, kleine Hunde kann man auch unter den Arm klemmen.
Zwischen lauter bunten Menschen mit gefärbten Haaren und Nietenbesetzten Lederjacken wurde aus LILLI ein großer, schöner Hund.
Ihre Lebensaufgabe schien schien darin zu bestehen, das Mädchen nicht aus den Augen zu lassen. Die Leine, irgendwann doch noch angeschafft,
wurde kaum benutzt, da LILLI sich nur auf die Schritte des Mädchens konzentrierte, oder ihren Worten lauschte.
Wie bereits erwähnt, waren viele Einwohner der kleinen Stadt Menschen mit anderer Lebensart nicht gerade wohlgesonnen. Das galt auch für Hunde, die ohne Leine laufen durften. Es hieß sogar:" Schäferhunde sind
von Natur aus bissig!"
Nix wie weg! Berlin sollte es sein!
Die anfänglichen Sorgen, ob ein Hund vom Land die große Stadt verkraften wird, waren unnötig. LILLI lebte sich sofort ein und tollte
in den zahlreichen Grünanlagen herum. Welch ein Lebensgefühl!!! In Berlin gehörte es damals zum guten Ton, die Hunde frei laufen zu lassen. Cafe`s, Kneipen... kein Problem. Überall freundliche Hunde und
dazwischen LILLI, immer darauf bedacht auf das Mädchen zu achten.
LILLI war 7 Jahre alt, als sie das erste Mal ernsthaft krank wurde.
Die Diagnose des Arztes lautete : Scheinschwangerschaft. Routine für den Arzt... Seltsam nur, weil das Mädchen zu dieser Zeit ein Kind erwartete.
Das Mädchen brachte einen Jungen zur Welt.Etwas zu zart für diese Welt,
weil etwas zu früh gebohren. Sein Name sollte Vincent sein. Vincent, der Sieger!! Ein schöner Name! Niemals hat sich ein Hund so sehr über
ein winziges Baby gefreut wie LILLI!
LILLI, die draußen so gerne vorauslief, trabte von nun an ganz langsam
neben dem Kinderwagen und schnupperte immer mal wieder in Richtung
Kindergesicht, um nach dem Rechten zu sehen.
Sobald Vincent anfing zu krabbeln, war kein Krümel Frolic vor ihm sicher. LILLI hat ihn immer zu erst essen lassen...
Die ersten tapsigen Schritte hat sie aufgeregt wedelnd begleitet. Die
Tränen der mißglückten Gehversuche wurden sorgfältig abgeleckt.
LIILI war immer schneller als das Mädchen!
Viele Menschen behaupten, dass die Jahre mit einem Kind wie im Fluge
vergehen. Sie haben Recht!
LILLI wurde älter. LILLI, die Sprinterin, hatte keine Lust mehr Stöckchen zu jagen. LILLI, die Wachsame, überhörte die Türklingel.
LILLI, die Schöne, bekam ein stumpfes Fell. LILLI, die Fröhliche zog sich zurück. LILLI, die Aufmerksame wurde müde.
Die Diagnose des Tierarztes lautete " Krebs ".
Altersbedingt, machen sie sich keine Sorgen, sie müßen doch nicht weinen. Rufen sie mich an, wenn es schlimmer wird. Alles Routine..
LILLI war 14 Jahre alt, als sie nicht mehr leben konnte. Sie starb mit
Hilfe des Arztes, zu Hause in meinen Armen.
Die Zeit stand still.