Hallo Gaby,
: : Unter Trieben versteht man angeborene Anlagen. Diese können zwar durch entsprechende Erziehung in bestimmte Bahnen gelenkt, aber niemals anerzogen werden.
: Wieso denn nicht?
Weil dies eine Definitionssache ist. In der Ethologie sind "Triebe" ganz klar als etwas Angeborenes definiert - da gibt es nichts dran zu rütteln!
: VOn Natur aus würde der Hund seine Rudelmitglieder verteidigen,
Genau das behaupte ich ja auch, wenn ich schreibe: "Sozial lebende Tiere werden, ..., einen Angriff auf Rudelmitglieder immer abzuwehren versuchen". Deine Antwort darauf aber war: "Nanana? Das glaube ich ja nu nicht - es gibt genug Beispiele von Hunden, die in Gefahrensituationen Fersengeld geben - ist ja auch eine biologisch gesehen vernünftigere Reaktion als selbst auch was abzukriegen." Da widersprichst Du Dir selber: einerseits streitest Du ab, dass Hunde Angriffe auf ihr Rudel abwehren, andererseits sagst Du, dass ein Hund "von Natur aus" seine Rudelmitglieder verteidigt.
: aber durch die Erziehung oder auch Domestikation wird dem Hund "eingeimpft", Menschen nicht anzugreifen.
Wenn die Domestikation etwas damit zu tun hätte, gäbe es überhaupt keine Angriffe von Haustieren auf Menschen. Aber glaube mir: nicht nur Hunde greifen Menschen an, auch Schweine, Rinder, Pferde können dem Menschen verdammt gefährlich werden - und sind doch alle domestiziert! Die Domestikation hat - neben vielem anderen - lediglich dazu geführt, dass die Scheuheit und die damit verbundene Fluchtdistanz gegenüber dem Menschen sehr stark verringert wurde. Am Aggressionspotential des Hundes hat die Domestikation zunächst einmal gar nichts verändert. Erst als der Mensch anfing, auch den Aggressionstrieb für seine Zwecke zu nutzen, wurden durch gezielte Selektion Hunde mit unterschiedlich stark ausgeprägtem Aggressionspotential herausgezüchtet. Erziehung tut dann ihr übriges, um den angewölften Trieb zu kanalisieren.
: Es ging hier doch um die Frage, welche Hunde haben Schutztrieb
Eben - und da hattest Du geschrieben, dass es vor allem die Gebrauchshundrassen wie Rottweiler und Dobermann wären, die sich zum Schutzdienst eigneten, wohingegen Kleinhundrassen dafür ungeeignet wären, weil sie nicht über genügend Schutztrieb verfügten. Meine Erwiderung darauf war - Du erinnerste Dich? -, dass gerade beim Dobermann und auch beim DSH die Zucht der letzten Jahre viele Tiere hervorgebracht hat, die sich ganz und gar nicht mehr für den Schutzdienst eignen - viel zu nervenschwach! Dagegen gibt es bei den kleinwüchsigen Terrierrassen einige mit sehr stark ausgeprägtem Schutztrieb, die - ginge es nur um das Vorhandensein des Schutztriebs - sehr wohl geeignet wäre!
: : Sinn und Zweck der Zucht von Gebrauchshundrassen und der speziellen Ausbildung im Schutzdienst sollen dieses angwölfte Verhalten lediglich perfektionieren und in besser zu regelnde Bahnen lenken.
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: Wie bitte? Also, jetzt bin ich platt - ich dachte, Du wärest genau wie ich der Meinung, daß die Ausbuldung im Schutzdienst über den Beutetrieb erfolgt (erfolgen sollte) - was hat das jetzt mit Schutztrieb oder Wehrtrieb zu tun? Ich gestehe, jetzt kann ich Dir nicht mehr folgen....
NATÜRLICH soll die Ausbildung im Schutzdienst, sofern es sich um Schutzhunde-SPORT handelt, ausschließlich über den Beutetrieb erfolgen! Aber daneben gibt es ja wohl noch den "echten" Schutzdienst, wie ihn die Diensthunde leisten müssen. Diese auf Zivilschärfe auszubildenden Hunde müssen selbstverständlich AUCH über den Wehrtrieb ausgebildet werden, sonst sind sie zu nichts nütze!!!!! Und ganz abgesehen davon: sowohl Beute- als auch Wehrtrieb sind angewölfte Triebe, auf die bei der Zucht von Gebrauchshundrassen selektiert wird und welche bei der Ausbildung kanalisiert werden (müssen). Was also ist Dir an meiner Aussage unverständlich????
: Aber ein Hund, der gut im Schutzdienst ist, zeigt nicht unbedingt "Schutztrieb" auf einsamen Waldwegen....
Richtig - weil er entweder im SPORT lediglich über den Beutetrieb ausgebildet wurde, oder aber - sehr häufig - nur über einen mangelhaft ausgebildeten Wehrtrieb verfügt. Daher werden zukünftige Diensthunde auch stets auf das ausreichende Vorhandensein BEIDER Triebe geprüft; nur wenn beide vorhanden sind, eignet sich der Hund als Diensthund. Für einen reinen Sporthund dagegen ist das Vorhandesein eines ausgeprägten Beutetriebes völlig ausreichend. So ein Hund kann locker die DM und höher gewinnen mit voller Punktzahl in Abteilung C - aber einen ernsthaften Angriff auf seinen HF wird er aller Wahrscheinlichkeit nach nicht abwehren.
: Ich kenne Hunde, die sehr hohen Wehrtrieb haben, aber überhaupt nicht daran denken, ihr Herrchen zu verteidigen - hier eher eine Frage der Rangordnung, ist mir klar, aber diese Hunde gehen gleichzeitig kompromißlos nach vorne, wenn sie sich selber bedroht fühlen.
Das KANN eine Rangordnungsfrage sein - viel eher aber handelt es sich bei solchen Tieren um Angstbeisser.
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ie HSH werden schlicht und einfach auf die Tiere, welche sie beschützen sollen, geprägt, indem sie schon als winzige Welpen fast ausschließlich mit ihren späteren "Schutzbefohlenen" zusammenleben. So ein geprägter HSH "denkt" dann, er sei z.B. ein Schaf, die Schafherde sieht er als sein Rudel an. Und das wird er auf äußerste verteidigen, so wie es jeder Hund bei Angriffen auf sein Rudel täte!
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: Die Sache mit der Prägung ist mir bekannt - trotzdem, versuche das mal mit einem Border Collie statt mit einem HSH, dann sieht das mit der kompromißlosen Verteidigung etwas anders aus....
Ein Border Collie ist ein Hütehund und kein HSH - das ist ein himmelweiter Unterschied! Die Aufgabe des Borders lag nie und nimmer in der Verteidigung der Herde. So ist es doch logisch, dass er nie so kompromisslos regieren würde wie ein HSH!
: Ach, Inge - ich finde trotzdem, daß da ein Unterschied ist - wie ich sagte, Wehrtrieb meint für mich, daß der Hund sich selbst (oder eine Hündin ihre Welpen) verteidigt.
: Schutztrieb ist für mich eine Eigenschaft, die z.B. bei bestimmten Gebrauchshunderassen selektiert wurde und die in meinen Augen meint, daß der Selbsterhaltungstrieb eines Hundes zugunsten des Wohlergehens seines Rudels den kürzeren zieht.
Wenn eine Hündin ihre Welpen verteidigt, kann sie dabei sehr wohl auch den kürzeren ziehen. Wenn Du also eine Unterscheidung treffen möchtest, dann allenfalls die, dass ein Hund entweder sich selber oder etwas anderes (sein Rudel, Welpen, Herde, Mensch, Revier...) verteidigt. Die Natur baut aber ganz allgemein auf dem sog. "Egoismus der Gene" auf, d.h. alles was die belebte Natur anstellt dient letztlich nur einem Ziel: der Arterhaltung. Bei sehr sozial lebenden Tieren besteht ein Rudel/eine Herde zum überwiegenden Teil aus eng miteinander verwandten Individuen, das ist auch bei Wildcaniden nicht anders. Ein Angriff auf die Welpen oder das Rudel bedeutet somit auch immer eine Gefährdung der eigenen Gene, genauso, als wenn das Tier selber angegriffen würde. Wenn Flucht also nicht möglich ist, wird ein sozial lebendes Tier auch sein eigenes Leben aufs Spiel setzen, um der Gesamtheit - und damit letztlich eben auch wieder den eigenen Erbanlagen - zu dienen. Und genau dadurch ergibt sich in der Konsequenz eben KEIN Unterschied zwischen der Verteidigung des eigenen Lebens, dem der Welpen oder dem des Rudels. Bekanntlich hat bei Wildcaniden immer nur die Alphahündin Welpen - aber diese werden von den übrigen Rudelmitgliedern genauso unter Einsatz ihres Lebens verteidigt, wie dies die Mutter selber tun würde. Somit kannst Du letztlich eben NICHT zwischen einem Schutz- und einem Wehrtrieb unterscheiden - beides meint ein und dasselbe.
Kennst Du das Buch von Thomas Baumann "Neue Wege der Polizeihundausbildung"? Dort werden die für die Schutzhundausbildung notwendigen Triebe genau beschrieben - welcher wofür wichtig ist, wie ihr Zusammenspiel funktioniert usw.
: Es ist auch bei uns Menschen ein Unterschied da - es gibt Leute, die bringen sich aus Angst in Sicherheit, wenn sie Zeuge eines Angriffes werden - andere greifen ein ohne Rücksicht auf ihre eigene Unversehrtheit.
: Sicher ist das in unserer Gesellschaft eine Frage der Erziehung und sicher ist das arg vermenschlichend, aber auch bei Hunden gibt es solche und solche.
Natürlich - aber das ist eine Frage des WESENS: es gibt wesensschwache Hunde (Menschen) und wesensstarke. Der wesensschwache Hund ist für den Schutzdienst völlig ungeeignet, aber auch als reiner Familienhund ist er oft problematisch, da er leicht zum unberechenbaren Angstbeisser wird. Wesensschwache Tiere überleben unter natürlichen Bedingungen nicht lange, für ein Rudel können sie sogar zur Gefahr werden. Daher wirst Du unter Wildcaniden kaum je ein wesensschwaches Tier finden, der Selektionsdruck verhindert, dass sie zur Fortpflanzung gelangen. Bei domestizierten Hunden (letztlich auch beim Menschen, schließlich das am stärksten domestizierte Wesen :-) ) gibt es dagegen viele wesensschwache Exemplare, da die Zuchtauslese/Partnerwahl ja oftmals auf ganz anderen Kriterien beruht. Aus diesem Grund fordert die Gebrauchshundzucht ja auch Leistungsnachweise, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Das Problem ist bloß, dass viel zu viele Hunde durch falsche Ausbildungsmethoden, welche die eigentliche Veranlagung des Hundes kaschieren, irgendwie durch die Prüfungen geschleift werden und so in die Zucht gelangen, obwohl sie von ihrer trieblichen Veranlagung her gar nicht geeignet sind. Und damit wären wir wieder bei den von Dir genannten Dobermännern bzw. Kleinhunden: es gibt eben mittlerweile viele Gebrauchshunde, die diese Bezeichnung eigentlich nicht mehr verdienen, da sie durch falsche Zuchtauswahl nicht mehr die nötige Nervenstärke und Triebigkeit mitbringen. Andererseits gibt es auch außerhalb der üblichen Gebrauchshundrassen etliche Rassen - und zu diesen zählen eben ganz besonders einige Terrier - die von Nervenstärke und Triebigkeit her sehr für den Schutzdienst zu gebrauche WÄREN, wenn - ja wenn sie nicht einfach zu klein wären.
Das war schlicht und einfach der Grund für meinen ersten Einwand auf Dein Ursprungsposting, in dem Du schriebst, dass auch die Genetik über die Schutzhundeignung des Hundes entscheide und daher die Gebrauchshundrassen geeignet sind, Kleinhunde aber nicht. Zusammengefasst lautet meine Antwort also: im Prinzip JA, aber es gibt eben auch nicht geeignete Gebrauchshunde und hervorragend geeignete Kleinhunde. Nicht mehr und nicht weniger wollte ich ausdrücken.
Aber schön, dass daraus ein so langer Dialog zwischen uns wurden :-)
Liebe Grüße
Inge