Hi Rosi,
na, wenn Du mir tatsächlich glaubst, daß ich Hunde ausbilden kann, ohne sie zu vergewaltigen, bin ich schon fast wieder versöhnt.
Mit dem Sport magst Du recht haben - würde der Todfeind auf dem Platz stehen, könnte ich dort Ringelreihen um dieses Viecherl laufen und mein Hund würde nicht mal schauen - ich bin viel interessanter und er weiß aus Erfahrung, daß jederzeit irgendwas Neues kommen kann, wenn wir zwei arbeiten - eine Wendung, ein Ball, ein Sitz o.ä.
Ich neige allerdings dazu, meinen Hund "draußen" ein wenig "freier" zu lassen - denn auch Jan Ulrich rast auf einer privaten Fahrradtour nicht wie in einem Wettkampf, oder?
Ich dulde allerdings nicht, daß er andere Hunde anmacht - wenn das einer macht, dann der Chef und der bin immer noch ich (glaube ich jedenfalls).... Solche Situationen kannst Du nicht positiv unterlegen, wenn Gefahr drohen kann, da kommt es darauf an, daß der Hund in jedem Fall "im Gehorsam" steht, wie es so schön heißt. Ich will schließlich nicht, daß der Andere Wurst aus meinem Hund macht.
Ich muß dazu auch erwähnen, daß ich einen sehr "starken" Rüden habe, er ist absolut nicht zu vergleichen mit seiner Halbschwester, die ich ebenfalls ausgebildet habe. Bei ihm muß ich gelegentlich mal richtig "draufhauen", aber bitte um Himmels Willen nicht wörtlich nehmen!!!
Bei der Schwester ging es fast nur mit positiver Motivation, Rucken und Rumschnauzen brachten da gar nichts. Ich kann mich erinnern, sogar "Bitte" zu ihr gesagt zu haben...;-))
Es ist also nicht so, daß ich Deine Methode nicht verstehe oder noch nie angewendet habe, nur habe ich bei den Hunden, mit denen ich bisher gearbeitet habe (ich bin auch Ausbilder im Augsburger Modell meines Vereines), festgestellt, daß Du nicht bei allen Hunden die gleiche Methode anwenden kannst und jeder Hund unterschiedlich zart besaitet ist. Allerdings versuche ich immer erst mal die sanfteste Methode und steigere entweder den Druck oder das Lob, je nach Hund. Sobald ich merke, worauf der Hund am besten reagiert, behalte ich dieses Stadium bei.
Platz ist für mich z.B. ein absolutes Druck-Kommando, da ist es mir persönlich ziemlich wurscht, ob der Hund Platz machen will - denn unter Umständen kann sein Leben davon abhängen, wenn er z.B. einem Karnickel hinterher Richtung Autobahn läuft (was schonmal passiert ist).
Da zeige ich dem jungen Hund erstmal, was Platz überhaupt heißt - kennt jeder, dem jungen Hund am Boden das Leckerchen wegziehen, bis er sich hinlegt, um dranzukommen, also ohne Druck. Dann Leckerchen weglassen bzw. erst hinterher geben, dann auf Spaziergängen "Platz" rufen, zum Hund hin und loben etc, später einwirken, wenn Hund auf dieses Wort nicht in jeder Situation reagiert usw.
Mein Fazit aus dem Hundesport ist, kurz gesagt: Soviel Lob wie irgendwie möglich, dem Hund das Gefühl geben, das Unterordnung was gaaaanz Tolles ist - und wenn ich denn mal einwirken muß, weil positive Kondition nicht das gewünschte Ergebnis bringt, sofort den "Druck" aufheben.
Das sieht bei mir so aus: Fuß, geradeaus, rechts - Hund hängt nach, kein Lob. Weiterlaufen, rechts, im gleichen Moment Ruck an der Leine, Kommando Fuß, Hund reagiert, indem er enger bei mir läuft - SOFORT loben!!! Weiter laufen, wieder rechts, ohne Leinenruck läuft Hund mit - loben, loben, loben oder ein Bällchen werfen....Erwähnen muß ich natürlich auch, daß ich dabei viel zu meinem Hund "brabbele", ihn also aufmerksam halte und auch kurz vor Richtungswendungen irgendwas sage (hört sich meist so an wie feine Maus oder Schnalzen oder weiß der Geier was). Das Ergebnis läßt sich, wie gesagt, sehen, er läuft eine unwahrscheinlich freudige, temperamentvolle Unterordnung. Hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, daß ich niemals mit meinem Hund arbeite, wenn ich mies drauf bin - wenn ich auf den Platz gehe, dann bin ich ausgeglichen, motiviert und habe mir vorher Gedanken gemacht, wie ich arbeiten will.
Ganz wichtig ist, wenn der Hund alles richtig macht, die Unterordnung früh aufhören und spielen - und jede Übung erst dann beenden, wenn er sie richtig macht, also bei Sitz auch sitzt etc.
Die ersten Lebensmonate meines Hundes habe ich die Unterordnung spielerisch geübt - ein paar Schritte bei Fuß, dann kam der Ball - Sitz und Leckerchen usw. Irgendwann stand mein Hund so hoch im Trieb, daß er fast auf zwei Beinen neben mir her hüpfte, so toll fand er das alles....Und das wurde dann im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut und es kam mit zunehmenden Alter auch die eine oder andere Korrektur.
Mitllerweile ist er soweit, daß er alles kann - er will bloß manchmal nicht und spielt den Clown und da bekommt er dann Einwirkung, denn ich bestimme, wann gespielt wird - sozusagen. Als ich mit "Steh" angefangen habe, habe ich jeglichen Druck weggelassen und bei dieser sensiblen Übung ist die größte Korrektur sowieso, daß kein Lob kommt.
Du darfst aber auch nicht vergessen, daß auf einer Prüfung nicht soviel gelobt wird wie im Training und der Führer selbst meistens noch tierisch nervös ist - wenn dann plötzlich kein Lob mehr kommt, wo sonst immer was kam, verunsichert das den Hund, also muß ich auch im Training mal bewußt nichts sagen, damit mein Hund auf der Prüfung nicht völlig perplex ist.
Die Hunde, die im Augsburger Modell in meiner Gruppe sind, schaue ich mir auch erstmal genau an - wie reagieren Hund und Mensch aufeinander? Was wissen die Besitzer über ihren Hund? Wie läuft der Hund, ist er eingeschüchtert oder der "Stänkerkopp" der Gruppe? Danach instruiere ich die Leute, wie sie was machen sollen - und ich kann Dir gar nicht sagen, wie oft ich schon vorgebetet habe, sie sollen ihre Hunde loben und motivieren und nicht einfach neben sich her ziehen!
Viele machen anfangs den Fehler, die Leine straff zu halten, damit der Hund bei Fuß bleibt - wo soll der Hund merken, was sein Mensch von ihm eigentlich überhaupt will? Also, locken, loben, laufen, Hund aufmerksam machen, Leine locker lassen! Leinenruck erfolgt hier nur, indem die Leine plötzlich "zuende" ist - wenn Hund neben Mensch läuft, ist sie locker und er wird auch ganz viel gelobt - ist doch eigentlich was tolles.... Ein Hund, der hinterher-trottet, wird mit Leckerchen oder Ball in der Hand motiviert, enger zu laufen - zerre ich so einen Hund hinter mir her, wird der irgendwann gar nichts mehr machen, ist doch logisch....
Ich gehe mal davon aus, daß Du meinem Roman entnehmen kannst, daß ich sehr wohl die positive Motivation kenne und auch anwende - aber auch hier gilt halt, Du kannst nicht pauschalisieren. Es gibt Hunde, die wollen manchmal einfach ihren Kopf durchsetzen, obwohl sie wissen, was verlangt wird und Du als Rudelchef darfst das einfach nicht durchgehen lassen, sonst hast Du "verloren". Und, um es mal ganz deutlich zu sagen: Druck in jeglicher Form, also härtere Tonart oder Leinenruck, wirkt nur, wenn der Hund bereits weiß, was von ihm verlangt wird - Du kannst keinem Hund vernünftig "bei Fuß" beibringen, indem Du ihn über den Platz zerrst. Schade, daß Du mich nicht mal bei der Arbeit sehen kannst, denn die Körpersprache meines Hunde verrät bestimmt viel über die Qualität der Ausbildung - und ich denke, daß wir so unterschiedlich gar nicht arbeiten.
Grüße, Gaby