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Schlechtes Gewissen

geschrieben von Mike(YCH) 
Schlechtes Gewissen
03. Mai 2001 20:02

Hallo,

ich trau mich kaum, das zu schreiben, aber das muß heute abend einfach raus, auch wenn Ihr mich dafür niedermacht. Ich hab's verdient.

Vorhin kurz vor der Dämmerung habe ich noch mit meinem Hund Max (DSH, 2 Jahre) auf der Wiese gespielt und Unterordnung gemacht. Wieder einmal wollte er nicht. Das geht nun seit Monaten so. Alle Hunde, mit denen er auf dem Platz angefangen hat, haben inzwischen die BH, nur er nicht. Dabei ist er aus einer guten Zucht, aber er will einfach nicht. Ich war schon der Verzweiflung nahe. Heute abend war es nun ganz schlimm. Auf jedes "sitz" schmiß er sich in Platz, und bei der Freifolge machte er, was er noch nie gemacht hat, er legte sich aus der Grundstellung hin und ging nicht mehr weiter. Und so warm war es heute abend nun auch nicht mehr.

Nach ein paar Malen bin ich ausgeflippt. Ich habe die Leine genommen und sie ihm ein paarmal kreuz und quer drübergezogen. Ich habe ihn am Nackenfell gepackt und ihn hin- und hergezogen. Er jaulte und schrie natürlich, aber das machte mich noch wütender. Der Kerl ist wirklich zu gar nichts zu gebrauchen. Er blieb dann einfach auf der Wiese liegen und wolte nicht mehr mit. Als ich ihn ranrief, kam er zaghaft angelauifen und legte sich ein paar Meter vor mir ins Gras. Das hat mir dann sofort fürchterlich leid getan. Ich wollte ihn streicheln, aber er zeigte Meideverhalten. Scheiße, Scheiße, Scheiße! Was habe ich da nur gemacht? Ich liebe den Hund, er war für mich wie mein Baby. Und nun das.

Wenn ich hier immer lese, wie Ihr Eure Hunde ohne Zwang erzieht, ich kann das gar nicht glauben. Wie soll das gehen? Aber manche faken auch. Attila zum Beispiel, der hier immer so harmlos schreibt, ist ein reiner Zwangsabrichter, aber seine Hunde laufen, aber meiner will nicht! Warum nicht? Was soll ich denn jetzt machen?

Ich glaube, ich gebe den Hund weg. Ich will auch keinen mehr. Mir ist das alles zuviel, wenn man soviel Zeit in den Hund steckt, und dann läuft alles schief. Und ich will ihn nicht nochmal quälen. Was meint Ihr, habe ich mit dem Hund noch eine Chance?

Mike






03. Mai 2001 20:21

Hallo Mike,

also erstmal vorab - warum sollst Du dem Hund keine Chance geben? Schließlich ist und bleibt er Dein Baby, ob mit BH oder ohne.

Um es mal ganz kurz und einfach zu sagen: Das ihr noch keine BH habt, liegt nicht daran, das der Hund nicht will, sondern daran, das Du ihm bisher einfach nicht richtig gezeigt hast, was er machen soll.

Gerade das Platz statt Sitz ist eindeutig.

Was Du machen kannst? Deutlich unterschiedliche Kommandos geben - Siiiiiitz und Plaatttzzzz. Und nicht so viel erwarten, langsam wieder von vorne anfangen.
Der Hund ist total verunsichert und Dein Ehrgeiz macht es auch nicht besser.
Viel spielen, wirklich spielen und nicht nur die Beißwurst werfen.
Für jedes noch so kleine bißchen Fortschritt loben, loben, loben!

Dein Hund ist jetzt in einem Stadium, wo jeder Druck das Vertrauensverhältnis zerstört. Du mußt da wirklich nur mit positiver Motivation herangehen. Konzentriere Dich auf den Hund, überfordere ihn nicht - jeden Tag nur ein wenig, fünf Minuten vielleicht. Und dazu die Übungen immer anders gestalten. Mal Platz machen und warten, bis Du rufst, mal an jedem Bürgersteig Sitz machen.


Aber ehrlich gesagt: Dem Hund gebe ich jede Chance - nur Dir nicht. Ein Hund ist keine Maschine, wo der Hersteller für Qualität garantiert.

Wenn ich so etwas wie Deinen Bericht lese, könnte ich heulen - nicht wegen der Probleme, sondern wegen dem, was Du daraus machst und wie Du dazu stehst.
Denke erstmal über Dich selber nach und was Du überhaupt von Deinem Hund willst - sonst wirst Du es nie schaffen, Deinen Hund und Dich zu einem Team zu machen.

Jeder Erfolg, ob in der Ausbildung oder bei Prüfungen, basiert darauf, das der Hund kapiert hat, was man von ihm will. Wenn das nicht der Fall ist, ist nicht der Hund zu doof, sondern der Hundeführer hat seinem Hund einfach nicht begreiflich gemacht, was verlangt wird.

schäferhunde zeichnen sich in erster Linie durch eine Eigenschaft aus. Sie wollen gefallen, wollen arbeiten, wollen Bestätigung.
Dadurch, das Du Deinen Hund aber im unklaren läßt, was Du von ihm willst, nimmst Du Deinem Hund ein Stück Lebensfreude.

Grüße, Gaby und Schutzhund III-DSH

03. Mai 2001 20:33

Grüß dich Mike,

puh, so wie du deinen Frust beschreibst, braucht ihr beide mal ein wenig Ruhe, um euch auf das zu besinnen, was einen Hund und einen Halter ausmacht. Auch wenn du einen DSH aus guter Zucht hast, er ist auch nur ein Hund, so wie du ein Mensch bist. Und als Hund sollte er trotz Sport in erster Linie dein Freund, Partner, Gefährter sein, nicht wahr? Geh mal ein wenig joggen (ohne Hund), verausgabe dich richtig und denke darüber nach. Im Moment wirst du deinen Hund nicht zu einer vernünftigen Unterordnung bringen, dazu ist zu viel kaputt (Vertrauen). Also lass es einfach bleiben und überlege dir, warum du sonst einen Hund hast. Füße wärmen? Liebevolle Behandlung, wenn du traurig bist? Einen Grund, um auch im Regen draußen Spaß zu haben? Spielst du mit deinem Hund? Ich meine wirklich spielen, ohne dabei an Ausbildung zu denken! Du musst den "Draht" zu deinem Hund wiederfinden. Das WARUM ohne Hundesport. Denn dein Hund weiß vermutlich genauso wenig, warum er mit dir Unterordnung machen soll, wie du nicht weißt, warum du außer für den Sport einen Hund hast. Wenn neben dem Sport das Vertrauen zwischen dir und deinem Hund stimmt, wirst du auch im Sport wissen, wie du deinen Hund richtig behandelst.

Ließ mal ein paar Bücher von Karen Pryor oder Lind. Vielleicht lernst du dann deinen Hund ganz anders kennen. Und bitte, derweilen keine Unterordnung mehr. Versuche nur mehr Dinge zu machen, die dir und deinem Hund Spaß machen und klappen. Wenn du dann hoffentlich wieder weißt, warum du einen Hund hast und dir der Erfolg einer BH nicht mehr so wichtig erscheint, dann kannst du langsam wieder anfangen. Wenn du verstanden hast, wie man mit positiver Verstärkung einen motivierten Hund erzieht.

Viele Grüße und ich drücke dir die Daumen, dass du deinen Hund wiederfindest und keinen Fremden mehr neben dir hast.

Mina

... es macht einen guten Hundehalter aus, der erkennt, wenn er nicht die Nerven für die Unarten seines Hundes hat. Statt die Forderungen dann raufzuschrauben, verlangt man etwas Einfaches und hört dann auf! Bis das Kostüm wieder belastbarer ist.
Blender gibt es überall, selbst unter den sehr bekannten Ausbilderkreisen. Doch wenn die Ausbildungsmethode funktioniert, sind die Informationen daraus nicht weniger wert, wenn der Autor selber seine Methoden nicht praktiziert. Es gibt halt Theoretiker und Praktiker.

04. Mai 2001 07:40

Tschau Mike

Obwohl ich eigentlich keine Zeit mehr habe schreibe ich Dir ein paar Wörter.

Ich machte nie ein Geheimnis, dass ich mit einem dosiertem Zwang arbeite. Aber Zwang heisst nicht durchdrehen, im Gegenteil da muss man emotionslos und ruhig sein. Deine Einwirkung kann der Hund nicht ordnen und somit war sie überflüssig, für das Sitz sogar schädlich.

Ich machte auch schon Prüfungen und aus dem Sitz aus der Bewegung wurde ein Platz. Den Fehler suchte ich aber immer bei mir, das Kommando zu laut gegeben, zu fest unter Anspannung gestanden usw.

Im Training hebe ich den Hund einfach wieder hoch wenn ich Sitz sage und er Platz machen sollte. Dein Hund führt das Kommando ja aus, aber er macht ein Platz, weil er Angst hat vor Dir und mit deiner Einwirkung die Du gemacht hast, obwohl er sich gegenüber von Dir schon ergeben hat mit seinem Platz, wird er das nächste mal noch schneller in ein Platz gehen und sich dort noch kleiner machen. Wenn Du so weiter fährst, dann wird er einmal bei einem Sitz sich auf den Boden werfen und Dir die Brust zeigen.

Ich schlage Dir vor, eine Zeitlang nichts zu machen, nur zu spazieren und zu einem späteren Zeitpunkt, fängst Du wieder an zu trainieren mit deinem Hund. Dir würde ich vorschlagen über positive Motivation zu trainieren. Kong oder Wurst, was besser geht mit deinem Hund. Am Anfang machst Du vielleicht nur eine kleine Übung, zum Beispiel 1x Hier, dann bestätigen und dann den ganzen Abend spielen. Oder 10 Schritte Fuss, dann Bestätigen und dann spielen. Zu einem späteren Zeitpunkt machst Du zwei Übungen, 10m Fuss, langes Spielen, den Hund ins Auto, den anderen zuschauen, den Hund holen ein Hier und dann wieder spielen, fertig.

Du musst dich deinem Hund anpassen und nicht dem Stand, wie weit die anderen sind. Du darfst dich von dem nicht unter Druck setzen lassen. Zudem muss nicht nur der Hund lernen, dass es positiv ist mit Dir zu arbeiten, sondern auch Du musst das lernen. Das mit ganz kleinen Schritten immer mit Freude.

Du musst schauen, dass Du positiver gestimmt bist, wenn Du den Hund aus dem Auto holst, dann setzt Du ein lächeln auf, sagst im Hallo und Du bist freudig. Ich steure das nicht, aber ich habe immer ein lächeln drauf bei der Unterordnung, sehr wahrscheinlich weil ich es so gerne mache. Wenn der Hund das nicht macht was Du erwartest, dann ist es besser Du machst einfach nichts, als dann eine solche Reaktion.

Probiere es mit solch kleinen Schritten aus. Ein Verein kann positiv oder negativ sein und wenn Du dich mit den anderen vergleichst und dann dadurch so gefrustet bist, dass Du so reagierst, dann ist es negativ. Spätestens da hätte der Übungsleiter mit Dir reden sollen.

Eine BH-Prüfung ist keine Hexerei, wenn man es richtig macht. Aber Du entwickelst dich von der Prüfung weg, anstatt zur Prüfung hin. Mach einen Schlussstrich, einen Monat eine Pause und dann fange so wie beschrieben mit ganz kleinen Schritten wieder an, dafür mit viel Freude.

Hundesport macht nur Sinn, wenn es Dir und deinem Hund Freude macht. Vielleicht nicht immer, aber überwiegend. Deinem Hund machte diese Einwirkung aber keine Freude und Du hattest ja ein schlechtes Gewissen. Also Du hast es in der Hand das zu ändern.

Gruss P.H





04. Mai 2001 07:49

PS. Gib doch das Kommando Sitz in einem ganz lieben Ton, wie wenn Du mit einem Kleinkind sprichst und ein wenig höher in der Oktave.

Das Platz ein wenig energischer und einen Ton tiefer. Das sind Hilfen die Du auch an der Prüfung anwenden darfst.

Gruss P.H


04. Mai 2001 08:28

Ich glaube, ich gebe den Hund weg. Ich will auch keinen mehr. Mir ist das alles zuviel, wenn man soviel Zeit in den Hund steckt, und dann läuft alles schief. Und ich will ihn nicht nochmal quälen. Was meint Ihr, habe ich mit dem Hund noch eine Chance?

Eine Hundeerziehung besteht nicht nur aus Fortschritt, manchmal ist der Rückschritt der Fortschritt. Ein Hund sichert sich selber ab. In dieser Phase des Trainingsaufbaues sieht der Hund aus, wie eine Pflaume. Der erfahrene Hundesportler weiss dass dieser Augenblick kommt und ist sogar froh darüber. Denn aus dieser Miesere, wenn sich der Hund absichert, kommt man gestärkt heraus und danach ist der Hund prüfungstauglich.
Der unerfahrene Hundeführer ändert in diesem Augenblick sein System und fängt von vorne an. Aber welches System man auch anwendet, es kommt immer dieser Durchhänger, in dem sich der Hund absichert. Wenn man da immer ändert, ist man nie prüfungstauglich.


Ich könnte es Dir besser an meinem Hund zeigen, als beschreiben.
Aber beim Voraus rennt mein Hund vielleicht auf einmal langsam und schaut zu mir zurück, ob ich ihm jetzt Platz sage. In diesem Augenblick, sieht das Voraus vers.... aus, aber wenn der Hund begriffen hat, dass er das Platz nicht selber bestimmen kann, dann ist alles wieder in Ordnung. Ich bin ja froh wenn er sich so verhält, er hat begriffen, er muss nach vorne rennen und ich sage mal ein Platz und er muss sich hinlegen. Er kennt den Ablauf dieser Übung. Er sichert sich somit ab. Nach einer gewissen Zeit, sieht diese Übung wieder so aus, als ob er nicht wüsste, dass er je ein Platz machen müsste und der Hund rennt mit voller kraft nach vorne, hat aber ein Ohr zu mir gerichtet und wartet auf das Platz.

Zur einer Übung gehören Fortschritte und Rückschritte und dann kommt noch der ganz grosse Durchhänger. Das ist genau das, was viele nicht begreifen wollen und nie werden. Das ist aber auch das, was sie ewig daran hindert, eine gute Prüfung zu machen.

Wenn Du den Hund weggeben willst, dann mach das so. Aber dann sei konsequent und kaufe nie mehr einer.
Wenn Du ihn behälst, dann arbeite dich aus diesem Loch, werde eine Einheit mit deinem Hund. Du wirst sicherlich nicht mehr Weltmeister mit diesem Hund, aber Du kannst was machen aus euch, ein Them. Mit dem Nächsten Hund, wird es dann besser. Aber Du musst dich zuerst mit diesem Hund durchkämpfen und diesen auch behalten bis er gestorben ist.

Hundesport ist eine langdauernde Sache, da kann man nicht einfach einen Video schauen und ein Buch lesen und dann ist man gut. Da braucht es einfach auch Hartnäckigkeit und Erfahrung, neben gesundem Menschenverstand.

Also fiel Glück, P.H