Hallo Nadine,
: ich dachte, es geht eben NICHT um Verteidigung und beschützen!?
In erster Linie ist es einen Sport. Daher sind SchH-Prüfungsordnung und DH (= Diensthund) -Prüfungsordnung ja auch so unterschiedlich. Vor allem lernt der Diensthund, im Gegensatz zum Sporthund, einen Zivil-Helfer zu fassen, der Sporthund hingegen wird ausschließlich auf die Beute (= Schutzarm) kanalisiert. Genauso kannst Du einen GSG9-Beamten mit jemandem, der Judo als Sportart betreibt, vergleichen. Der GSG9-Beamte ist vergleichbar mit dem Diensthund und der Judosportler vergleichbar mit dem Sport-Schutzhund (nette Vorstellung... *grins*). Und obwohl der Judosportler aus einer ganz anderen Motivation heraus agiert als der GSG9-Beamte handelt es sich bei Judo trotzdem um eine sog. "Kampfsportart". So sehe ich die Schutzhundeausbildung auch, faßt doch der Hund gemäß PO in erster Linie nur dann in den Schutzarm, wenn er oder sein Hundeführer bedroht werden. Der still stehende Helfer darf nie gefaßt werden, und sobald der Helfer die Gegenwehr nach einem vereitelden Angriff einstellt, muß der Hund sofort ablassen. Daß der Sporthund über den Beutetrieb ausgebildet wird steht ja in keinerlei Gegensatz dazu. Und daß sich sehr viele gemäß PO ausgebildete Sporthunde nicht für einen Einsatz als Dienstschutzhund eignen auch nicht (nur ein ganz geringer Bruchteil der Leute, die in ihrer Freizeit Judo betreiben, wären gute GSG9-Beamte...).
: Laut Euren Erklärungen geht es doch rein nur um den "Beutetrieb" den der Hund am Ärmel ausleben soll/darf.
Tut er ja auch, aber in erster Linie dann, wenn er oder sein Hundeführer "bedroht" werden. Spaziert der Helfer mit dem "Beuteobjekt Schutzarm" unbedarf über den Platz oder steht irgendwo dumm rum, darf der Hund seinen Beutetrieb nicht am Schutzarm ausleben, dann muß er sich beherrschen. Und das ist auch gut so, denn schließlich will man ja nicht, daß sich sein Hund, egal ob in SchH ausgebildet oder nicht, irgendwann mal die Jute-Einkaufstasche der Nachbarin schnappt (zumindest so lange nicht wie sie einem diese nicht um die Ohren haut). Im SchH-Sport kommen also mehrere Reize zusammen, bevor eine Situation entsteht, in welcher der Hund beißen darf (= "Beuteobjekt Schutzarm", Kleidung des Schutzdiensthelfers, "Bedrohung" des Hundes oder des Hundeführers durch den Helfer, äußeres Umfeld mit Schutzdienstverstecken usw.) und das Zusammenspiel dieser Faktoren bring ja viele Hunde erst in eine "Beutestimmung", in welcher sie in den Schutzarm beißen (das sind dann die, die garantiert nicht als Diensthunde geeignet wären...)
: Für mich heißt das also so eine Art Zerrspiel mit einem Ärmel.(Klärt mich auf, falls ich das falsch sehe)
Das stimmt so. Für den Junghund ist es das auch, "Herrlich, es geht auf den Platz und gleich kommt der Jackel mit seinem Jute-Läppchen, nach dem ich haschen darf, und der auch nicht gleich quiekst, wenn man mal etwas heftiger mit ihm spielt". Das ist der Aufbau über die Beute, der Helfer veranstaltet ein Beutehasch-Spiel mit dem Hund, baut ihn "über die Beute" auf, der Hund lernt, ruhige Griffe zu setzen, auf Kommando vom Ärmel abzulassen (er weiß, daß er danach wieder nach dem Ärmel haschen darf), den unbeteiligten Helfer nicht zu beißen. Er lernt, den stillstehenden Helfer "zu treiben", indem er ihn verbellt nach dem Motte "Beweg Dich endlich, dann darf ich in den Ärmel", das nennt man dann "Stellen und verbellen", das ist alles Beutetrieb. ABER die einzelnen Übungen sind immer noch auf die Verteidigungbereitschaft des Hundes bezogen, der Hund faßt z.B. den Schutzarm in SchH1, wenn ein Überfall auf seinen Hundeführer aus dem Hinterhalt erfolgt. Daher ist für mich der Begriff "SchutzhundeSPORT" auch völlig O.K. Dieser Begriff besagt nicht, daß mein Hund bereit ist für mich zu töten, er besagt lediglich, daß mein Hund in der Lage ist, eine Art "ritualisierten Kampf ", so wie Boxen oder Judo oder Schwertfechten auszuführen, wobei die Arbeit über den Beutetreib diesem ja in keinster Weise wiederspricht.
: Ginge es um Schutz, würde der Hund doch nicht stolz mit dem Ärmel vom Platz gehen und den "komischen Typen" der diesen Ärmel getragen hat links liegen lassen?
Siehe oben, der Schutzdiensthelfer ist ein Sozialpartner des Hundes. Er beißt nicht in den Schutzärmel, weil er diesen Sozialpartner schwer verletzen oder gar töten will, Du kannst die ganze Sache eher damit vergleichen, daß zwei in einem Rudel lebende, mental und körperlich etwa gleichstarke Hunde um einen Stock balgen. Sie leben dabei ihren Beutetrieb aus, aber auch innerartliche Aggression wird angesprochen ("beutebezogene Aggression"
, wobei sich die Aggression sehr ritualisiert zeigt, jeder der Hunde versucht über den anderen zu imponieren und zu dominieren. So etwas findest Du bei uns Menschen z.B. beim Tennis, einer sehr aggressionsbezogenen Sportart. Hat der Hund beim Kampf mit dem Helfer um die Beute gewonnen, wozu sollte er ihn dann noch beachten, außer, er möchte, daß das Spiel weitergeht und dann bringen viele Hunde den Ärmel nach eine kurzen Runde über den Platz, springen mit dem Arm an diesem hoch und annimieren ihn dazu, wieder in den Schutzarm zu fassen, damit das Spiel noch nicht vorbei ist. Wenn ein Hund im Spiel dem anderen den Stock erfolgreich abjagt, wieso sollte er diesen dann auf den Boden schmeißen und sich über den anderen Hund stürzen? Das wäre genauso wiedersinnig wie der über Beute aufgebaute Sporthund, der nach dem Schutzdienst seinen Ärmel ausspuckt und den ungeschützeten Helfer attackiert.
: Ist das eigentlich in jedem SchH Verein, daß der Hund den Ärmel am Ende immer bekommt und damit vom Platz geht??
Da skommt immer auf den einzelnen Hund und auf seinen Ausbildungsstand an und auch auf den Hundeführer. Anfangs dürfen wohl alle Hunde die Beute, egal ob Lappen, Beißwurst oder Schutzarm, vom Platz tragen. Neigt der Hund zu unruhigen Griffen und/oder stellt sich der Hundeführer arg dappig an, indem er z.B. dem Hund gestattet, die Beute auf den Boden zu legen und darauf herumzukauen, dann wird ein guter Helfer darauf achten, daß der Hundeführer mit seinem Hund und der Beute nicht alleine ist, am Anfang legst Du nämlich fest, wie gut und ruhig die Griffe eines Hundes für den Rest seines Lebens werden. Ältere Hunde müssen nicht immer den Schutzarm vom Platz tragen, je nach Ausbildungsstand erhalten sie ihn auch mal in mehreren Übungsstunden hintereinander gar nicht "geschenkt". Meine Hündin z.B. hat in der letzten Zeit recht früh vom Ärmel abgelassen, immer sofort dann, wenn der Helfer seine Kampfhandlung eingestellt hat, halt etwas zu früh; sie weiß, wenn sie abläßt, erhält sie den Ärmel gleich wieder, der Spaß geht weiter. Nun geht der Spaß dann halt nicht für sie weiter und sie bleibt etwas länger im Schutzarm, letzendlich hat sie mit dem Ablassen ja auch Zeit bis ich "Aus" rufe. Da sich aber die Arbeitsleistung eines Hundes permanent verändert kann es in der nächsten Übungsstunde vielleicht schon wieder genau das Falsche sein, ihr den Ärmel nicht zu schenken, das muß dann der Helfer aus dem Bauch heraus entscheiden. Und dann stehe ich wieder da und will mit meindem ärmeltragenden Hund vom Platz, derweil diese dauernd wieder mit dem Ärmel zum Helfer düst und ihn durch Hochspringen und Anschubsen mit dem Ärmel zum Weitermachen annimieren will...
Viele Grüße
Antje