Grüß Dich Markus,
: : Wo aber liegt der vernünftige Grund im Erzwingen sportlicher Höchstleistungen???
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: Worin liegt heute in den meisten Fällen ein vernünftiger Grund für Hundehaltung, könnte man genauso fragen.
Ups - da sehe ich nun überhaupt keinen Zusammenhang! Wenn ich z.B. Kinder habe oder haben möchte, so kann ich tausend Gründe dafür angeben, WARUM ich gerne Kinder habe bzw. haben möchte. Aber kein einziger dieser Gründe würde rechtfertigen, meine Kinder mit dem Rohrstock zu verprügeln, um aus ihnen Höchstleistungen - seien sie sportlicher oder schulischer Art - herauszuholen!
: Die richtige Unterordnung wird erst benötigt, seit der Hund in Industriestaaten gehalten wird. Er keine Möglichkeit mehr hat, sich frei zu bewegen und seine Triebe voll auszuleben.
Woher hast Du denn diesen Unsinn? Ich habe es schon geschrieben: der Hund wurde vom Menschen seit Urzeiten nur zu einem einzigen Zweck gezüchtet - um den Menschen bei der Arbeit (Jagd, Hüten, Bewachen...) zu unterstützen. Mit anderen Worten: zu keiner Zeit war es Ziel der Hundehaltung, dass Hunde sich "frei bewegen" und ihre "Triebe voll ausleben" konnten. Diese Lebensform trifft - wenn überhaupt - in begrenztem Maße für Streunerhunde zu. Der Hund wurde aber nicht aus dem Wolf geformt, um sein Leben als Streuner zu fristen. Wer hätte denn daran ein Interesse haben sollen??? Somit trifft Deine These NICHT zu, dass nur Hunde in Industriestaaten ein eingeschränktes Leben führen - das trifft vielmehr auf Hunde in allen Bereichen zu!
: Warum hälst Du dann einen Border Collie, obwohl DU genau weißt, dass Agility kein vollständiger Ersatz ist?
Dem liegt ein Mißverständnis zugrunde. Das BC hinter meinem Namen steht nicht für Border Collie, sondern sind die Initialen meiner beiden Hunde (Bonnie und Coco). Es sind Dalmatiner.
: Wenn Du genau weißt, dass diese Rasse an der Herde arbeiten will und nicht krankhaft, wie das Ständige kreisen des Tigers im Käfig, einen Ball hütet? Wenn Du also genau weißt, dass die Haltung nicht dem ursprünglichen Zuchziel entspricht. Dass diese Haltung nicht den Veranlagungen des Tieres gerecht wird. Das alles bedeutet doch, dass es nicht "artgerecht" ist!
Tja, siehst Du - da stimme ich Dir sogar zu! Ich stehe sehr wohl auf dem Standpunkt, dass man sich bei der Wahl des Hundes genau überlegen sollte, welches die Veranlagungen des Hundes sind. Und nur, wenn man diese auch befriedigen kann, sollte man sich für die jeweilige Rasse entscheiden. Beim Border Collie gibt es ja mittlerweile die sog. Schau-Linien mit nur noch geringem Hütepotential. Das mag die Haltung als Familienhund rechtfertigen, vorausgesetzt, man bietet diesen Hunden, die ja trotzdem noch sehr arbeitsfreudig sind, einen Ersatz in Form von Hundesport. Aber einen Border Collie aus Hütelinie als Familienhund zu halten, halte ich tatsächlich für nicht "artgerecht" und genau genommen sogar für Tierquälerei!
: : Ich habe es schon in meiner Antwort an P.H. geschrieben: Hunde gibt es nur aus einem einzigen Grund - weil es Menschen gibt!
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: Legehennen gibt es auch nur, weil es Menschen gibt. Trotzdem sind wir uns doch einig, dass es für die Henne nicht "artgerecht" ist.
Falsch! Die HALTUNG der Legehennen in Käfigbatterien u.ä. ist nicht artgerecht, mit der Henne selber hat das gar nichts zu tun! Zwar ist richtig, dass der Mensch bestimmte Hühnerrassen so gezüchtet hat, dass sie deutlich mehr Eier legen, als es die Ursprungsrasse (Bankivahuhn) tut, aber unter dem Eierlegen leiden die Hühner nicht - wohl aber unter den Haltungsbedingungen. Die Legehenne als solche ist also genauso ein Kunstprodukt, wie es der Hund ist - in beiden Fällen rechtfertigt dies aber nicht, sie durch unnatürliche und z.T. brutale Methoden zu Höchstleistungen zu bringen.
: ARTGERECHT ist etwas, dass der Art entspricht, dass ohne den Einfluss des Menschen, OHNE ERZIEHERISCHE EINWIRKUNG vorhanden sein sollte, aus den Genen und damit Trieben heraus..
Wieder falsch! Artgerecht ist u.a., ein Lebewesen so zu halten, dass von ihm keine widernatürlichen Handlungen erwartet oder gar mit Gewalt erzwungen werden. Erziehung ist durchaus artgerecht, denn selbst die Mutterhündin - oder im intakten Rudel auch der Rüde - üben sehr wohl erzieherischen Einfluss auf die Welpen aus!!! Oder würdest Du behaupten, es sei nicht artgerecht für den Menschen, wenn er ein Mindestmaß an Erziehung genießt? Die Frage ist doch vielmehr, auf welche Art und Weise diese Erziehung zustande kommt - mit Geduld, Liebe, Motivation, Belohnung - oder mit Gewalt, Psychodruck, Liebesentzug, Strafe.
: Trotzdem wird der Hund erst "Hund" durch EINWIRKUNG des Menschen. Ohne erzieherischen Einfluss bleibt ein Hund "wild". Ohne den Einfluss des Menschen wird der Hund keine UO laufen, keine Bälle hüten, keinen Agilityparcour überwinden, sondern im Rudel jagen und töten wollen und sich EBEN NICHT für den Menschen interessieren.
Ohne erzieherischen Einfluss seitens der Elterntiere wird KEIN Hund erfolgreich im Rudel jagen oder lernen, sich in die Rudelhierarchie einzufügen! JEDES höhere Lebewesen, dessen Leben also nicht nur ausschließlich durch angeborene Triebe bestimmt wird, sondern zu einem großen Teil auch durch Lernerfahrung, bedarf der erzieherischen Anleitung. Zu diesen höheren Lebewesen gehört auch der Hund! Der Mensch führt mit seiner Erziehung also lediglich das fort, was der Hund sonst im Rudel durch die älteren Rudelmitglieder lernen würde. Dass die Erziehungsziele im Zusammenleben mit dem Menschen andere sind, als in einem Rudel, macht die Sache aber solange durchaus artgerecht, wie vom Hund nicht etwas abverlangt wird, was seinem Naturell vollkommen widerspricht. Und da bei der jahrtausendelangen Selektion stets auf solche Eigenschaften Wert gelegt wurde, die den Vorstellungen des Menschen entsprachen, sind die von uns an den Hund gestellten Anforderungen durchaus artgerecht - denn nur ihretwegen existieren Hunde überhaupt!!!
:Willst DU nun behaupten, dass es nicht artgerecht ist, wenn der Hund im wilden Rudel lebt? Guck Dir doch mal die australischen Dingos an.
Habe ich je gesagt, es wäre für einen Hund nicht artgerecht, in einem Rudel zu leben??? NATÜRLICH ist es artgerecht - ich halte u.a. gerade deswegen auch die Mehr-Hunde-Haltung für die bessere! Der entscheidende Punkt ist, dass für einen Hund AUCH Menschen zu einem natürlichen Rudel gehören - es ist durch die generationenlange Selektion befähigt, sich BEIDEN Spezies anzupassen, der eigenen wie auch dem Menschen. Und was die Dingos angeht: hierbei handelt es sich um rück-verwilderte Haushunde. Zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Domestikation verwilderten diese Hunde wieder. Durch die isolierte Lage Australiens kam es bis in die Neuzeit zu keiner Vermischung mit weiter domestizierten Hunden, so dass der Dingo heute eine eigene Art darstellt und von daher in keinster Weise mehr mit unseren Haushunden verglichen werden kann. Es kommt ja auch niemand auf die Idee, Wölfe wie Haushunde halten und ausbilden zu wollen (außer vielleicht Filmtier-Schulen, aber das sind Sonderfälle).
: Ich glaube, dass DU die Zucht des Hundes durch den Menschen überbewertest. Wiederum auf das Beispiel DINGO bezogen, sieht man deutlich, dass der Hund sich nicht dem Verhalten, dass der Mensch angezüchtet hat, sondern seinem ursprünglichen Verhalten anpaßt. Dieses Beispiel widerspricht deutlich deiner Deutung von der Artgerechten Lebensweise eines Hundes.
Wie gesagt: der Dingo verwilderte vor ewig langer Zeit, als er auf einer noch sehr niedrigen Domestikationsstufe stand. Hast Du mal das Buch "Der Herr der Fliegen" gelesen? Das zeigt wunderbar auf, was mit "zivilisierten" Menschen geschieht, wenn sie sich archaischen Lebensumständen ausgesetzt sehen - sie "verwildern" auch wieder. Wenn dieser Zustand nur lange genug über viele Generationen anhält, was glaubst Du wohl, wohin sich der "moderne" Mensch hinentwickeln würde??? Aber das kann doch wohl nicht im Ernst als Maßstab für die Erziehung unserer Kinder genommen werden, oder? Warum also soll man die Lebensweise der Dingos als Maßstab für unsere Hunde heranziehen? Dingos, Wölfe, afrikanische Wildhunde, Rothunde - sie alle sind eng mit unseren Hunden verwandt und wir können viel von ihnen lernen, gerade was den Umgang mit unseren Hunden angeht. ABER: sie alle sind KEINE Haushunde, und das macht den entscheidenden Unterschied aus. Sie sind NIEMALS auf Zusammenarbeit mit dem Menschen selektiert worden.
: Vielleicht habe ich das, was ich ausdrücken wollte, unglücklich formuliert. Mein Hund interessiert sich auch NICHT die Bohne für andere Hunde in der UO, aber ist das artgerecht? Ich behaupte: nein!
Wenn ein Hund sich z.B. während der "artgerechten" Jagd lieber für andere Hunde statt für die Beute interessieren würde - wie lange könnte er dann wohl überleben??? Mit anderen Worten: Hunde kennen auch unter "wilden" Lebensumständen genügend Situationen, wo sie zielgerichtet und ohne Ablenkung handeln müssen. Was ist daran nicht artgerecht? Jagd ist nicht nur lebensnotwendig für einen wilden Hund, sondern auch eine selbstbelohnende Tätigkeit. Wenn wir also wollen, dass der Hund die UO so freudig macht, dass ihn in diesem Moment die anderen Hunde schnuppe sind, liegt es also an uns, ihm die UO so zu vermitteln, dass er sie freudig macht. Punktum! Dann ist es genauso artgerecht, dass er sich in dem Moment NICHT um andere Hunde kümmert, wie es artgerecht ist, dass ein jagender Hund dies nicht tut!
: Die Legehenne geht auch immer wieder in ihren Käfig, weil sie nichts anderes kennt.
Und da hast Du genau den Nagel auf den Kopf getroffen: die Legehenne hat GAR KEINE ANDERE WAHL!!! Einen Hund, den ich mit Starkzwang erziehe, hat auch keine andere Wahl - und ist damit ein genauso bedauernswertes Geschöpf wie die Legehenne! Ein Hund, der mit Geduld, Liebe und Konsequenz erzogen wurde, hat IMMER die Wahl - er arbeitet FREIWILLIG, weil es ihm Spass macht, weil er sich auf die Belohnung freut, weil er am gemeinsamen Tun mit seinem menschlichen Rudelmitglied interessiert ist. Und ja - das beinhaltet durchaus, dass der Hund, eben WEIL er die Wahl hat, vielleicht auch einmal nicht ganz so korrekt mitarbeitet, wie ich mir das wünsche. Aber weil er Freude an seinem Tun hat, wird er 1.) nie und nimmer bewußt Fehler machen, so nach dem Motto "Ich zeig Frauchen mal die lange Nase, ätsch" und 2.) wird er in 98% der Fälle bemüht sein, alles richtig zu machen, einfach, weil es ihm FREUDE macht. Und ich werde gewiss niemals wegen der restlichen 2% Starkzwang anwenden, denn ich will einen Hund, der IMMER die Wahl hat, einen Hund, der sich mir FREUDIG unterordnet weil er weiß, dass er mir 100%-ig vertrauen kann - und nicht aus Angst vor Repressalien gehorcht.
: Denn Stachel funktioniert. Siehe die Weltmeister der letzten 20 Jahre (und wahrscheinlich noch mehr) in den verschiedenen Gebrauchshundesportarten.
Selbstverständlich funktioniert der Stachel - genauso, wie Prügel bei Kindern, Wegsperren in dunkle Keller, Folter bei Gefangenen, Bedrohen mit einer Waffe, Erpressung - alles funktioniert, um das Gewünschte zu erhalten. Billigst Du deswegen diese Methoden auch? Wenn ja, können wir uns jede weiter Diskussion ersparen.
Gruß
Inge + BC (KEIN Border Collie)