: ich habe noch kein aussagekräftiges Argument gelesen, dass mir begreiflich machen würde, warum man keinen Zwang (hier die Koralle) einsetzen sollte.
Hallo Markus,
das einfache Argument ist: ich will einen aufmerksamen, freudig arbeitenden Hund haben und keinen, der ins Meiden fällt, weil er mit dem Stachelruck rechnen muß. Ich verzichte folglich auf den Stachel überall da, wo's auf die Perfektionierung von Mensch-Hund-Teamarbeit ankommt, insbesondere in der Unterordnung. Sieh Dir eine durchschnittliche Wald-und-Wiesen-Prüfung an, und Du kannst ganz genau sehen: dieser Hund wurde über Spiel gearbeitet, jener über Futter, dieser über Stachel, jener mit E-Gerät; ich kann das jedenfalls erkennen, vielleicht nicht lückenlos, aber tendenziell. So verliere ich in meinen Prüfungen zehn bis zwanzig Punkte wegen "Ungenauigkeiten" in der Unterordnung - die Unterordnung sieht aber trotzdem klasse aus und macht mir ebenso viel Spaß wie meinem Hund, eben weil der springt und auch schon mal schnappt vor Vergnügen. Er kennt einfach keine Zwangsmittel in der UO.
Im Schutzdienst hingegen benutze ich den Stachel, um die Aufmerksamkeit eines total auf die Beute/den Helfer fixierten und weitgehend schmerzunempfindlichen Hundes zurückzugewinnen, nicht um ihm weh zu tun. Ich benutze ihn ein-, zweimal und dann nicht mehr. Der Stachel ist ein Zwangsmittel; ich setze ihn ein, um ein Unterlassen zu erzwingen (also stets nur negativ), wenn es anders nicht geht, also z. B., die augenblickliche "Aufgedrehtheit" des Hundes zu unterbrechen. Aber der "inflationäre" Einsatz des Stachels beim Bringen, bei der Leinenführigkeit, ja sogar am Fahrrad und auf der Fährte ist hingegen nichts als Tierquälerei; der Hund wird einfach so zurechtgeruckt, wie man ihn haben will, und er meidet aus Angst vor Schmerzen. Stellst Du Dir so die Zusammenarbeit mit dem Hund vor?
Du sprichst von Vermenschlichung. Nun ist es aber keineswegs so, daß in der Hundewelt die nackte physische Gewalt herrscht, sondern das Zusammenleben der Hunde ist viel subtiler geregelt. Ich ziehe gerade wieder einen Welpen auf und habe noch nie gesehen, daß der Alte ihn beißt; wohl packt er ihn gelegentlich unsanft, stößt ihn um, steht knurrend über ihm. Diese Verhaltensweisen mache ich mir für meinen Umgang mit dem Welpen zunutze. Ich kann aber nicht erkennen, wo es in der Natur "Zwangsmittel" gibt, die mit dem Stachel zu vergleichen wären. Nun ist aber ein Mensch-Hund-Gespann auch kein Wolfsrudel, sondern wir müssen die Möglichkeiten entdecken, uns dem Hund verständlich zu machen. Dazu taugt nackte Gewalt in den wenigsten Fällen.
Gruß, Attila