Hallo Markus,
: Erstens solltest DU einmal vermeiden, andauernd Beispiele aus der Erziehung des Menschen zu verwenden. Denn es handelt sich um zwei völlig unterschiedliche Arten von Lebewesen.
BEIDE sind soziale Lebewesen, BEIDE leben in hierarchisch gegliederten Gemeinschaften, BEIDE gehören zu den nicht ausschließlich triebgesteuerten, sondern lernfähigen Lebewesen, BEIDE leben im selben Umfeld. Es sind viel mehr Gemeinsamkeiten, als es vielleicht manch einem lieb ist...
:Menschliche Wertvorstellungen sollte man in einer Argumentation mit Hunden versuchen zu vermeiden, aber zumindest kritisch überdenken!
Tja, damit lässt sich allerdings alles entschuldigen: die Haltung von Hennen in Legebatterien, das Anzapfen von Gallenflüssigkeit aus eingekerkerten Bären, der Stierkampf - und sogar der Ethnozid an "minderen" menschlichen Rassen.
: Zweitens solltest Du dich endlich davon lösen, dass Leistungssport (mit Zwang) etwas mit Rohrstock und verprügeln zu tun hat.
Holla, da wirfst Du aber etwas gewaltig durcheinander! Ich bin nämlich der Meinung, dass Leistungsport GAR NICHTS mit Starkzwang (und nur davon reden wir hier!) zu tun hat! Es geht vielmehr darum, dass viele HF - so wie Du auch! - der Meinung sind, dass Starkzwang für den Sport notwenig wäre - ich vertrete diese Meinung gerade NICHT!!! DU hast doch geschrieben, dass auf 90% der Plätze mit Koralle gearbeitet wird (und das ist noch das harmloseste Mittel, ich habe in meiner aktiven SV-Zeit ganz andere Sachen kennengelernt, darüber brauche ich DIR ja wohl nichts zu erzählen...). Wenn also auf 90% der Plätze mit Starkzwang gearbeitet wird, dann scheint bei den Sportsfreunden ja die Meinung vorzuherrschen, dass Leistungssport und Starkzwang zusammengehören. Nicht ICH vertrete diese Meinung - also unterstell mir nicht irgendetwas!
enn genauso könnte ich die reine Motivation mit domintanten, außer kontrolle geratenen Hunden als Beispiel bringen.
Frage: seit wann sind dominante Hunde und außer Kontrolle geratene Hunde ein und dasselbe??? Und kein Hund gerät wegen einer auf Motivation basierenden Erziehung außer Kontrolle, sondern einzig und allein wegen einer FALSCHEN Erziehung. Ob dieser Zwang oder Motivation zugrunde liegen, spielt dabei überhaupt keine Rolle.
: Also zumindest der Jagdtrieb wird heute zu 99% bei Hunden durch Unterordnung unterdrückt. Auch das Umhertollen der Hunde im Rudel gibt es heute kaum, denn der Hund soll ja immer artig an der Leine (Versicherungsschäden) und wird aus Platzgründen meist nur einzeln gehalten.
Stimmt! Aber das hat weder etwas mit der Erziehung auf Motivationsbasis noch mit der Erziehung auf Zwansbasis etwas zu tun, sondern mit den geänderten Lebensumständen. Und denen unterliegen so gut wie alle Hunde. Wieso schlußfolgerst Du aus der Tatsache, dass die meisten Hunde nicht mehr "frei" leben können, dass man sie dann auch ruhig per Starkzwang ausbilden soll? So nach dem Motto: wenn sie schon nicht mehr "artgerecht" leben können, dann brauche ich sie auch nicht "artgerecht" zu erziehen? Was für ein verquaster Gedankengang ist das?
:Früher (und teilweise heute noch in England) bei den Jagdhunden z.B erfolgte das Leben im Rudel und die Hunde hatten fast täglich die Möglichkeit ihre Triebe auszuleben.
Da hast Du aber sehr romantische Vorstellungen von dem Leben der Jagdmeuten. Die fristeten den größten Teil ihres Lebens im Zwinger und wurden nur zu Jagd herausgelassen. Und die fand durchaus nicht "fast täglich" statt.
: Die Leine kannten die Hunde früher auch meist nicht. Sie liefen (einige damals sicherlich auch angebunden) auf Grundstücken herum und bewachten die Güter. Konnten frei umhergehen und waren nicht durch ständiges Anleinen in der einen Stunde, in denen sie heute draußen sind, in ihrer Beweglichkeit und ihrem Triebverhalten eingeschrängt.
Kleine Beobachtung aus meiner Zeit in Mexiko auf dem "platten Land" mit sehr ursprünglicher Lebensweise: die Hunde streunen "frei" im Dorf herum. Es sind aber KEINE Streuner, jeder Hund hat einen Besitzer, der auch für sein Futter sorgt (meist Abfälle der menschlichen Nahrung). Die Hauptaufgabe der Hunde bestand in der Abfallbeseitigung (einschl. menschlicher Exkremente...). Einige wenige wurden zur Jagd mitgenommen. Der größte Teil lief einfach so, ohne jede Aufgabe, im Dorf herum. Was machten diese Hunde nun so den lieben langen Tag? Deiner Meinung nach müssten sie also ihre "Triebe" ausgelebt haben im Sinne von ständig Beute jagen, Action, Abenteuer. Und genau das taten sie NICHT! (Obwohl es zahlreich "Ungeziefer" wie Ratten gab.) Das "Triebe-Ausleben" beschränkte sich allenfalls auf den Sexualtrieb, ansonsten bummelten sie durch die Gassen oder sonnten sich an warmen Plätzen. Tatsächlich bestand der größte Teil ihres Tagesablaufes im Schlafen und Dösen. Es war auch durchaus nicht so, dass sie sich zu größeren Rudeln zusammenschlossen. Die meisten waren Einzelgänger oder zu zweit oder dritt unterwegs. Nur einmal konnte ich eine größere Ansammlung von 7 Hunden beobachten - Rüden, die sich um eine läufige Hündin scharten. Wer mal mit offenen Augen durch Urlaubsgebiete im Mittelmeerraum reist, wird dasselbe Verhalten der dortigen Streuner beobachten können.
Wo waren also die "triebstarken", beutegeilen, actionbessessenen Rudel??? Ich habe sie nicht gesehen.
: Willst DU damit sagen, dass die Hunde auf dem Land ein genauso artgerechtes Leben führen und damals FÜHRTEN, wie die Artgenossen HEUTE in den Industriestädten? Die Hunde auf dem Land (meine) können ihren Beutetrieb zumindest manchmal voll ausleben, können zu 90 % unangeleint laufen, können sich FREI bewegen und haben natürliche Gerüche von Hasen, Rehen und Ratten, denen sie nachgehen können. Das kann man von der überwiegenden Zahl der Hunden heute nicht sagen.
Zu Deiner Information: auch ich lebe in einem Dorf auf dem Land. Meine Hunde dürfen ihren Beutetrieb NICHT ausleben, denn dann hätte ich die ortsansässigen Jäger auf dem Hals! Und gerade hier auf dem Land mache ich immer wieder die Beobachtung, dass die Leute mit ihren Hunden ÜBERHAUPT NICHT rausgehen, sondern sie nur im Garten lassen. Ich glaube, dass es da mancher Großstadt-Hund, der täglich mehrmals ausgeführt wird, besser hat. Der Garten ist oft eine bequeme Ausrede, um sich mit dem Hund nicht beschäftigen zu müssen. Und wenn man nicht total einsam auf einem Einödhof lebt, dann hat man auch auf dem Land Begegnungen mit Spaziergängern, Radfahrer usw., die einen schon aus Gründen der Höflichkeit und Rücksichtnahme zwingen, den Hund nicht einfach überall herumstreunen zu lassen. SOOOO frei ist also auch das Landleben nicht für unsere Hunde.
: Nicht alles was der Mensch an Verhältnissen für Tiere erschafft, darfst Du mit "artgerecht" gleichsetzen.
Habe ich an keiner Stelle! Ich habe lediglich gesagt, dass es der MENSCH war, der den Hund, so wie wir ihn heute kennen, geschaffen hat. Der Hund ist ein "Kunstprodukt", keine natürliche Entwicklung. Und dieses Kunstprodukt wurde nach den Bedürfnissen des Menschen gezüchtet durch gezielte, jahrtausendelange Selektion. Damit will ich nur ausdrücken, dass man an Hunde nicht denselben Maßstab anlegen kann, wie an Wildcaniden. Der Hauptunterschied besteht eben darin, dass Hunde in der Lage und auch WILLENS sind, sich neben ihren Artgenossen AUCH dem Menschen als Sozialpartner anzuschließen - dies ist bei Wildcaniden weitestgehend ausgeschlossen (Ausnahmen bestätigen die Regel).
: Jedoch wäre es nach deiner Argumentation doch irgendwann artgerecht, wenn der Mensch eine "Käfigbatterie-legehenne" züchtet.
Du wirst es nicht glauben - aber genau DAS wird versucht! Ich finde es GRAUENVOLL, aber das ist ein anderes Thema...
: Du siehst das menschliche Umfeld des Hundes als das "natürliche" an und vernachlässigt das historische Umfeld. Ich betone mehr den Wolf im Hund.
Das kannst Du drehen und wenden wie Du willst - der Mensch IST das natürliche Umfeld des Hundes, denn ohne den Menschen gäbe es gar keine Hunde. Ist das so schwer zu begreifen? Das wölfische Erbe im Hund vernachlässige ich damit in keinster Weise, halte fundiertes Wissen über Wolfsverhalten sogar für immens wichtig, um Hund wirklich zu verstehen. Aber seit aus dem Urvater Wolf der heutige Haushund wurde, sind mehr als 10.000 Jahre vergangen. Der Hund hat eine Generationsfolge von ca. 3 Jahren, das sind also rundgerechnet 3000 Generationen. Der Mensch hat eine Generationsfolge von ca. 30 Jahren. Demnach müsstest Du den Menschen von vor 300.000 Jahren mit dem heutigen Menschen vergleichen, wenn Du beide Entwicklungsstufen nebeneinander stellen willst. Willst Du ernsthaft behaupten, wir hätten noch viel mit unseren Vorfahren vor 300.000 Jahren gemeinsam? Wenn Du den Wolf im Hund betonst, tust Du dem Hund Unrecht!
: Ich kenne selbst Wildhunde, die im Wald gelebt haben und nicht mehr zu sozialisieren waren. Das sehe ich als Natur des Hundes an. Ich habe gesehen wie sie eingeschläfert wurden. Wenn der Mensch den Hund sich selbst überläßt verwildert er wieder, wie der Dingo.
Frage: was ist dann in Deinen Augen die Natur des Menschen? Wir haben heute eine riesige Spanne an unterschiedlichen Lebensformen, vom Menschen in der hochtechnisierten Industriegesellschaft bis hin zum Pygmäen mit archaischer Lebensweise in den Tiefen Afrikas. Was ist also artgerecht für den Menschen?
: Aja, und das Rudel benutzt in erster Linie LIEBE zur Erziehung der Rudelmitglieder? Hmm?
Was macht der Alpha-Wolf, wenn seine "Untergebenen" keinen Bock haben, mit auf die Jagd zu gehen? Packt er ihn am Nackenfell und schleppt ihn zur Jagd? Beißt er ihn zusammen, damit er endlich seinen Hintern hochbekommt und mitjagt? Caniden verhalten sich erfolgsorientiert. Sie wissen, wenn sie ihrem Rudelführer folgen, dann ist das zu ihrem eigenen Vorteil. Würden sie aber nicht wollen, so hätte der Rudelführer schlichtweg KEINERLEI Möglichkeit, sie zu zwingen! Unsere Aufgabe als HF besteht darin, dem Hund zu zeigen, dass eine Mitarbeit ihm Vorteile bringt (Spiel, Lob, Leckerli...), dass ein Verweigern der Mitarbeit Nachteile hat. Aber genauso wenig, wie diese Nachteile im Wolfsbeispiel so aussehen, dass der Alpha die anderen zu ihrem Tun zwingen kann, genauso wenig sollten wir dies zur Maxime unserer Ausbildungsmethode machen. Zwang in Form von Zurechtweisung wird nur ausgeübt, wenn es um das UNTERLASSEN unerwünschter Handlungen geht. Da staucht auch der Alpha mal einen anderen zusammen oder die Elterntiere einen übermütigen Welpen. Aber NIE, NIE, NIE werden die Rudelmitglieder mittels Zwang zu irgendeinem Tun aufgefordert - das geht schlichtweg gar nicht! Damit ist logischerweise klar - gerade für jemanden wie Dich, der sich doch so an Wildcaniden orientiert - dass Zwang zur Erreichung einer Leistung NICHT ARTGERECHT ist!!!
: Er war damals schon Begleiter und ob 8000 jetzt im Vergleich zu 15000 früh ist, ist wohl eher auslegungssache.
8000 Jahre entsprechen 24.000 Generationen, das sagt wohl alles!
: :Warum also soll man die Lebensweise der Dingos als Maßstab für unsere Hunde heranziehen?
: Maßstab habe ich nie gesagt. Ich meine, dass diese Lebensweise der artgerechter ist, als die, durch menschliche Erziehung in den Städten.
Das Leben in Städten ist sicherlich WEDER für Hunde NOCH für Menschen wirklich artgerecht - insofern stimme ich Dir zu. Was die menschliche Erziehung angeht, verweise ich darauf, dass der Hund eben ein Produkt des Menschen ist, auch in ihm einen Sozialpartner sieht (wie wir ja übrigens auch im Hund!!!), somit ist die Erziehung durch den Menschen nicht zwangsläufig nicht-artgerecht. Aber bei all dem stellt sich mir trotzdem immer wieder die Frage: was hat das eigentlich alles mit der Rechtfertigung von Starkzwang bei der Ausbildung von Hunde zu tun? Du reitest hier ständig auf "artgerecht" herum, betonst den Wolf - wo ist der Stachel, TT, Koralle, artgerecht, wo benutzen Wölfe sie???
: : Wenn ein Hund sich z.B. während der "artgerechten" Jagd lieber für andere Hunde statt für die Beute interessieren würde - wie lange könnte er dann wohl überleben??? Mit anderen Worten: Hunde kennen auch unter "wilden" Lebensumständen genügend Situationen, wo sie zielgerichtet und ohne Ablenkung handeln müssen.
: Nach DIR sind die wilden Lebensumstände nicht artgerecht, oder? Für Dich ist eine "artgerechte" Lebensweise eine Unterordnung des Hundes durch uns Menschen?
Habe ich das geschrieben? Wo? Ich habe lediglich gesagt, dass auch wildlebende Caniden genügend Situationen zu meistern haben, wo nicht das Spiel mit Artgenossen sondern andere Dinge, die volle Konzentration erfordern, im Vordergrund stehen. Daraus schließe ich, dass es durchaus artgerecht ist, vom Hund zu fordern, z.B. bei der UO oder irgendeiner Arbeit oder beim Sport mal NICHT mit anderen Hunden zu spielen. DU hattest die These aufgestellt, dass es nicht artgerecht wäre, vom Hund zu verlangen, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, wenn er doch gerade lieber mit seinen Kumpels spielen möchte - also unterstell mir nicht Deine eigenen Ausführungen!
: Also ein Hund wird nicht nur durch Starkzwang erzogen, das hat hier keiner gesagt. ES ging nur um den Einsatz. Grundlage sollte der Zwang doch niemal sein. Daher hieß es doch auch Spiel + Zwang...
"Eine Waffe, die es gibt, wird auch benutzt". DU hast geschrieben, dass auf 90% der Plätze mit Stachler & Co. gearbeitet wird! Artgerecht????
: Da habe ich schon anderes erlebt, trotz Liebe, Geduld und Konsequenz kenne ich viele Hunde, die in der UO viel mehr Spaß am JAgen und schnüffeln haben. Hätten sie die WAHL, dann würden sie die UO schleunigst verlassen...
: Dein LOB, deine Liebe kann nie den ausgeprägten Beutetrieb eines Hundes ersetzen, wenn er ein Kaninchen sieht.
Ups - schon wieder wirfst Du Dinge durcheinander. Ich dachte, diese Diskussion geht um den Einsatz von Starkzwang bei der SPORTLICHEN Ausbildung??? Das zumindest war der Ausgangspunkt des Threads und nur darauf bin ich eingegangen. Ich habe es schon oben beim Wolfsbeispiel geschrieben: zum UNTERLASSEN unerwünschter Handlungen wenden auch Wildcaniden Zwang an! Selbstverständlich kann man einem stark jagdpassionierten Hund nicht immer nur mit Lob und Leckerli von seinem Tun abbringen (obwohl auch das geht - aber meistens fehlt die Zeit und die Gelegenheit dazu). Und da es hier auch u.a. um das LEBEN des Hundes geht (Jäger, Unfall...), sind hier rigorosere Maßnahmen bisweilen nicht zu umgehen (wobei ich den Starkzwang, etwa TT, auch nur in sehr seltenen Ausnahmefällen anwenden würde, in der Regel reicht ein mehrwöchiges(!!!) Schleppleinen-Training). Aber der Schutz des LEBENS des mir anvertrauten Hundes ist wohl etwas ganz anderes, als das Erreichen einer hohen Punktzahl bei der Prüfung! Auch wenn Du den Vergleich nicht magst: wenn mein Kind Gefahr läuft, unters Auto zu kommen, weil es unbedacht über die Straße laufen will, dann reiße ich es auch unsanft zurück. Aber niemals werde ich es rütteln und schütteln, damit es seine Mathe-Prüfung besser besteht oder im Turnen eine Eins bekommt!
Gruß
Inge + BC