Hallo P.H.,
Na, ein wenig nähern wir uns ja nun an. Dennoch ein paar kritische Anmerkungen.
: Du schreibst das aber ein wenig anders, Du stellst Starkzwang nicht in einen Satz mit einer erfolgreichen Hundeprüfung.
Nein, weil es auch viele HF gibt die Starkzwang einsetzen, ohne je irgendeine Prüfung anzustreben. Einfach nur, um die "mühselige" Erziehungsarbeit abzukürzen. Tatsache ist aber auch, dass Starkzwang GERADE von HF mit Sportambitionen eingesetzt wird.
:Ich arbeite ja, weil ich Geld verdienen muss. Meine Arbeit gefällt mir auch. Trotzdem würde ich vielleicht nur zweimal in der Woche arbeiten gehen, wenn ich nicht anders müsste. Nun es ist immer so, ich muss eine Leistung erbringen, manchmal ein wenig wiederwillig und DANACH werde ich belohnt.
Und genau darum geht es! Der Idealfall wäre natürlich, dass Mensch und Hund ihre Arbeit IMMRE freudig machen würden - aber das ist eine Illusion. Beide haben mal gute und mal schlechte Tage, mal mehr, mal weniger Lust. Und genau so, wie Du auch dann Deinen Job gut machen musst, wenn Du mal weniger Lust dazu hast, genauso muss auch z.B. ein Hütehund auch dann seine Arbeit gut machen, wenn er mal nicht so richtig Bock darauf hat. Daraus resultiert, dass man auch im alltäglichen Umgang mit dem Hund ebenso wie im Hundesport durchaus auch dann Gehorsam und Leistung erwarten kann, wenn der Hund mal nicht 100%-ig bei der Sache ist.
ABER: der entscheidende Punkt liegt darin, WIE ich Mensch oder Hund an solchen lustlosen Tagen dazu bringe, ihre Arbeit dennoch gut zu erledigen. Wenn Du keinen Bock hast, weil gerade draußen die Sonne so schön scheint, arbeitest Du dann besser, wenn Dein Chef Dir eine überbrät, Dir mit Gehaltsentzug droht oder Dich Spießrutenlaufen lässt? Oder fällt Dir die Arbeit nicht vielmehr dadurch ein wenig leichter, indem Dein Chef Dich GERADE an solch lustlosen Tagen ein wenig motiviert? Das können manchmal winzige Kleinigkeiten sein: ein aufmunterndes Wort, eine schöne Tasse Kaffee... Was zeichnet eigentlich einen guten Chef aus? Doch wohl seine Fähigkeiten zur "Menschenführung" - und darunter versteht man ganz genau diese Dinge: das Eingehen auf die Persönlichkeit des Einzelnen, um so die maximale Leistung aus ihm herauszuholen. Einem Chef, der permanenten Druck auf seine Angestellten ausübt, wird es nie gelingen, sie zu optimaler Mitarbeit zu motivieren. Längst gibt es unzählige Seminare für Manager, in denen ihnen exakt diese Dinge beigebracht werden! Und glaub mir, eines bekommen sie da nie und nimmer beigebracht: das Ausüben von Druck auf ihre Mitarbeiter! Das Stichwort heißt vielmehr: Motivation, Motivation und nochmals Motivation.
:Ich sage immer, mein Hund muss Respekt vor mir haben
Richtig - aber Respekt muss man sich VERDIENEN. (Gibt doch irgendwie zu denken, dass ein wichtiger Wortbestandteil das Dienen ist...) Mit Druck erzeugt man Unterdrückte, mit Zwang erzeugt man Erzwungenes - beides hat mit den von Dir so propagierten "freien" Hunden nichts gemeinsam!
: Ich fände es auch falsch, wenn man immer nur den Zwang beurteilt.
Da stimme ich Dir zu - ich habe ja schon geschrieben, dass man erst mal genau definieren muss, was unter Zwang zu verstehen ist. Meine Kritik richtet sich einzig und allein gegen jede Form von Starkzwang (Koralle, Stachel, TT...), sowie gegen die Anwendung von Zwang in solchen Fällen, wo er lediglich dem schnellen Erfolg dienen soll, dasselbe Ergebnis aber mit Geduld auch erreichbar wäre, bzw. Handlungen erzwungen werden sollen, für die der Hund/Mensch schlichtweg nicht geeignet ist.
: Verweigert er es aber, so zwinge ich ihn. Er weiss was Sitz ist und wenn ich es sage, so soll er es ausführen
Richtig - ein einmal gegebenes Kommando muss durchgesetzt werden, vorausgesetzt, man ist sich sicher, dass der Hund es auch bereits wirklich beherrscht (genau da kann man die schlimmsten Verfehlungen beobachten!). Aber der bei einer solchen Korrektur ausgeübte Zwang kann sich sehr wohl auf winzige Kleinigkeiten beschränken, z.B. auf konsequente Wiederholung, auf ein leichtes(!!!) Niederdrücken der Kruppe (im Falle von Sitz) u.ä. Dazu braucht man weder Stachler noch TT oder Hilfsschnüre.
:Ich bin doch nicht nur sein Hampelmann, der ihn füttert, pflegt, Unterkunft gewährt, spielt, läuft usw. und verlange dann nicht auch was. Ich habe das gute Recht, dass er sich auch mir ein wenig anpasst und wenn ich Sitz sage, so soll er es machen.
Um es mal ganz krass auszudrücken: nein, Du hast KEIN Recht, Anpassung zu verlangen. DU hast einen Hund haben wollen - ihn hat keiner gefragt. Damit hast Du auch die verdammte Pflicht, für sein Futter, seine Unterkunft und Pflege Sorge zu tragen! Dem Hund Erziehung und sportliche Ausbildung angedeihen zu lassen hat nur einen einzigen Grund: es erleichtert das Zusammenleben und bietet dem Hund sinnvolle Beschäftigung. Wenn Du von einem Hund Gehorsam deswegen erwartest, weil Du sein Futter bezahlst, also quasi aus Dankbarkeit, dann ist das schon von vornherein die falsche Einstellung. Nein, Du sollst nicht sein Hampelmann sein - aber Dein Hund ist auch nicht DEIN Hampelmann!
:Ein Stachel kann man so und so einsetzen und grösstenteils wird er vernünftig eingesetzt.
Der Sinn des Stachler ist, Schmerz zu erzeugen - denn darauf beruht seine einzige Wirkung. Von daher gibt es schlichtweg keinen vernünftigen Einsatz!!! Der Sinn eines Revolvers liegt im Töten - worin sonst? Ein "bißchen Töten" gibt es nicht!
:Aber ganz ohne Zwang, geht es nicht und ein Tacker oder Stachel muss nicht automatisch Starkzwang sein, so wie erfolgreicher Hundesport auch nicht.
Natürlich geht es nicht ohne Zwang - ich will mich jetzt nicht wiederholen, aber Zwang und Starkzwang sind eben zwei Paar Schuhe. Tacker und Stachel sind IMMER Starkzwang, denn nur darauf beruht ihre Wirkung. Wenn sie dem Hund nicht wehtun würden, wofür werden sie dann benutzt??? Dann braucht man sie doch gar nicht! Somit widersprichst Du Dir selber.
Richtig ist, dass erfolgreicher Hundesport durchaus auch ohne Starkzwang zu erreichen ist, sogar ohne häufigen Einsatz von Zwang überhaupt. Aber dazu sind ein paar Dinge Vorraussetzung: ein HF, der seinen Hund LIEBT und als Sportkameraden, nicht als Sportgerät ansieht; der die Persönlichkeit des Hundes mit all ihren Vor- und Nachteilen respektiert und vom Hund nicht Dinge verlangt, die er nicht zu leisten vermag; der über genügend Selbstbewußtsein verfügt, dass er es nicht über seinen Hund definieren muss; der sich selber beherrschen kann und diszipliniert ist, ohne den Wunsch, Macht ausüben zu wollen; der Geduld nicht mit Nachlässigkeit, Konsequenz nicht mit Gewalt verwechselt; der in sich selber ruht und nicht zum Jähzorn neigt; der genügend Humor besitzt, um auch mal über eine mißlungene Übung lachen zu können; der den Fehler grundsätzlich zuerst bei sich selber und erst dann beim Hund sucht; dem der gemeinsame Spass an der Sache wichtiger ist, als eine hohe Punktzahl; dem es nicht wichtig ist, dass der Hund schon mit 1,5 Jahren die SchH III besteht - ein solcher HF kann viel, nein, ALLES erreichen. Ehrlich gesagt habe ich diese Sorte HF unter VPG'lern sehr selten angetroffen (es gibt sie zum Glück aber auch da und sie werden langsam, langsam mehr).
Gruß
Inge + BC