Hallo Attila,
ein klares "jein".... ;-))
Wenn wir uns im Hundesport vom "normalen" Ortsgruppenniveau weg bewegen und ein wenig auf hoher Ebene schielen, sieht das alles schon wieder anders aus. Wir reden hier über die Kür, also die Arbeit in Perfektion. Und wenn ich mir auf den Meisterschaften der letzten zwei bis drei Jahre einmal die Richtweise im Schutzdienst ansehe, dann hat man mit einem in erster Linie in Wehr- und Aggressionsbereichen agierenden Hund schlechtere Karten als einer der in erster Linie in den Beutebereichen gelagert ist.
Ich spiele auf die in meinen Augen übertriebene Bewertung des Griffverhaltens an. Jegliches nicht gleich volles Zufassen, kleinstes Knurren, leichtes Griffverändern ja manchmal sogar Kontern wird mit Punktabzug bestraft. Was läuft denn im Hund ab?? Gut... fangen wir vorne an:
Revieren: Klare Gehorsamsarbeit, sagt über Hundequalität nichts oder nur sehr wenig aus... man sieht nur ob er temperamentvoll ist oder nicht.
Stellen und Verbellen: ganz klar liegt die Zielsetzung in den Aggressionsbereichen... aber in der Realität??? Wenn der Hund durchbellt und sich nicht zum Hundeführer umsieht bekommt er i.d.R. die vollen Punkte. Ob er nun den Ärmel anbellt oder massiv mit blanken Zähnen den Blickkontakt zum Helfer sucht wir bestenfalls marginal bewertet... ist geht also eher um den "Klang" (bellt oder bellt nicht) als um den Ausdruck beim Verbellen.
Fluchverhinderung: Klare Beutearbeit, der Helfer flüchtet, die Beute bewegt sich... bringe ich fast jedem "Fliegenfänger" bei, sagt nur aus ob der Hund auf Beute anspringt oder nicht.
Angriff auf den Hund: Sagt bei einem guten, energischen Helfer sehr viel aus. Kontern oder Nachfassen bei den Stockschlägen oder bei Belastung ist fehlerhaft (beim wehrigen Hund aber normal und m. M. nicht rauszuarbeiten). Im Vorteil ist der Beutehund, der über den Beutetrieb die Belastung überspielt. Ein Hund der bei dieser Übung die vollen Punkte bekommt ist demnach als Diensthund tendenziell eher ungeeignet.
Rückentransport: Gehorsam... mehr nicht.
Angriff aus den Rückentransport: Der Hund, der aus der Beute einen wunderbaren "Flieger" macht, in den Helfer wuchtig einsteigt und dabei volle, feste, ruhige Griffe setzt ist im Vorteil. Auch hier steigen wehrige Hunde meistens nicht so wuchtig ein, Tempo kommt aus der Beute, nicht aus der Aggression.
Angriff aus der Lauerstellung: Also der "lange Teil"... mittlerweile ebenfalls zu einer reinen Beutearbeit mutiert. Einige wenige Helfer bekommen noch vor den Anbiß vernünftige Belastungsphasen hin, sind aber meistens durch die sehr starre PO zu sehr geknebelt und an der freien Entfaltung gehindert. Ich bewundere an dieser Übung meistens mehr die sportliche Leistung des Helfers als die des Hundes. Der wehrhafte Hund, der u. U. mal kurz peilt und nicht blind in die Beute springt ist eher im Nachteil.
Angriff auf den Hund... naja, siehe oben.
Was sagt uns das jetzt?? Bis auf das Stellen und Verbellen kann man mittlerweile bei perfekter Ausführung kaum noch erkennen ob der Hund in Aggressionsbereichen arbeitet oder nicht. Wenn er dann noch nach dem "Aus" eine Bannphase zeigt wird es noch extra schwierig. Kontern, nachfassen, leichtes Knurren, Arbeiten in den Helfer - alles Anzeichen für Wehrverhalten - werden mit Punktabzug bestraft.
Dazu kommt noch, das auch ein Hund, der einen ungeschickten Helfer anderswo als in den Schutzarm beißt sofort disqualifiziert wird....
Und wenn ich dann sehe, wie auf hoher Ebene teilweise die Fluchverhinderung gezeigt wird (der Hund liegt teilweise fast im Rücken des Helfers), dann können die Prüfungshelfer froh sein, das hier kein Hund startet der gerade in den Helfer "sticht" und zivil beißt... denn der Beißarm ist dann nicht das erste Körperteil das der Hund erreichen kann.
Wenn wir nun also alleine auf die hohe Ebene schielen, dann geht deine Meinung nicht auf... wobei ich natürlich auch davon ausgehe mit jedem Diensthund irgendwie eine bestandene Sportprüfung zu erreichen....
Viele Grüße
Sören