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artgerechte Aufzucht

geschrieben von Cindy(YCH) 
artgerechte Aufzucht
31. Januar 2001 19:10

Hi,

nachdem hier ja auch einige Züchter in diesem Forum sind, würde ich euch gern mal fragen, wie ihr eure Welpen aufzieht, prägt, sozialisiert.
Ich möchte meine Hündin (Grosspudel)im Sommer decken lassen. Einige Ideen bzgl. Welpenauslauf, Aktionen in der Prägephase, Abenteuerspielplatz etc habe ich zwar. Aber da das unser erster eigener Wurf wird, und ich logischerweise noch etwas unsicher bin :-), würde ich mich über ein paar Tips und Ideen freuen. Ausserdem vielleicht auch über eure Erfahrungen, was man Welpen in einem bestimmten Alter zumuten kann, und was sie noch überfordert. Ich habe zwar viele Bücher hier über Hundezucht, die ich sogar alle irgendwann in den letzten Monaten gelesen habe, aber irgendwie sind reale Erfahrungen doch meist besser.

Ausserdem würde mich interessieren, wie ihr das mit Welpenbegleitbriefen haltet. Ich habe zwar die Postings von und zu Isis gelesen, habe aber noch einige Fragen. Ist es nicht besser, die Begleitbriefe schon vor der Abgabe an die Welpenkäufer zu geben? Schliesslich müssen diese ja auch durchgelesen werden, und da wäre es doch bestimmt besser, die vorher abzugeben, bevor die Welpen abgegeben werden. Das gleiche gilt für Bücherlisten u.ä.
Sicher, nicht jeder Welpe ist bei seiner Geburt bereits verkauft. Aber selbst wenn sie schon 8 Wochen alt sind, habe ich nicht vor, die Welpen sofort bei Erstkontakt abzugeben, sondern erst mal darüber zu schlafen, ob mir die Leute sympathisch sind. Und da kann man so was doch vielleicht auch schon unverbindlich abgeben. Oder gilt das bereits als mündliche Abmachung, dass man der Abgabe zustimmt?

Vielen Dank

Gruss Cindy

31. Januar 2001 22:28

Liebe Cindy,

leider kenne ich die "Großpudel" nur aus Rasseportraits, sodaß ich über deren Naturell zu wenig weiß. Ich züchte Weiße Schäferhunde, die sich sicherlich auch im Wesen von Deiner Rasse unterscheiden werden. Ich persönlich bin keine Leseratte "mehr". Die Jahre haben mich gelehrt sich an der Natur zu orientieren. Da mögen sich die Geister scheiden, aber es ist meine Meinung und Erfahrung.

Auch wenn die Welpen noch blind und taub sind während den ca. ersten 2 Lebenswochen, bin ich der Meinung, dass schon in dieser Zeit eine gewisse erste Kontaktaufnahme stattfindet. Da ich meist sehr große Würfe habe (10 und mehr Welpen), ist es die Regel, dass ich diese bzgl.Gewichtskontrolle täglich ein bis 2 x wiege. Dadurch entsteht bereits ein regelmäßiger Kontakt zu den Welpen, der sich meiner Meinung nach bereits irgendwie positiv auswirkt. Oft füttere ich auch Flasche bei, diese Prägung (obwohl blind und taub) ist enorm. Die Welpen riechen mich nur und sind wie verrückt auf Nahrungssuche. Es scheint mir, dass ich dadurch als "Artgenosse" angesehen werde.

Im Umgang mit den "Blinden" versuche ich mich auch immer ein wenig wie eine Hundemama zu benehmen. Meine Streicheleinheiten ( Kruppe streicheln, um die Schnauze streicheln etc.) habe ich mir von der Hündin abgeschaut und ahme diese so gut es geht nach.
Sobald die Blinden zu "Sehenden" werden, setzte ich mich in die Wurfkiste ( in den Wachzeiten, bitte die Welpen nicht überfordern, da sie kurz nach Nahrungsaufnahme agil sind, aber sehr kurz darauf wieder einschlafen) und setzte die Streicheleinheiten nach "Hundemutterart" fort. Bevorzugt streichle ich nicht über den Kopf, sondern mehr im Hals, Backen oder Brustbereich, da die Welpen bei Augenöffnung nur schemenhaft sehen, erschrecken sie sich etwas, wenn man sie über den Kopf streichelt. Währenddessen "labere" ich natürlich auch, damit sie auch mit meiner Stimme vertraut sind.

Wenn die Welpen ca. 2,5 bis 3 Wochen alt sind, füttere ich an. "Wer gut schmiert, der gut fährt" gilt auch hier. Positive Verknüpfung "Mensch = gutes Essen". Zum anlocken an das Futter "schnalze" ich mit der Zunge und ahme ein "Schmatzgeräusch" nach. Nach dem Fressen ( bzw. der Sauerei sich mit Welpenbrei zu beschmieren) ist bekanntlich zufriedene Spielzeit. Die Welpen "beißen" sich "zahnlos" spielerisch in den Nacken oder die Vorderfüße, hier spiele ich auf sanfte Weise nachahmend mit.

Mit ca. 3 Wochen nehme ich den Aufsatz meiner Wurfkiste ab, sodaß die Welpen die Möglichkeit haben ihr Geschäftchen außerhalb der Wurfkiste zu erledigen. Aber aufpassen, denn manche Welpen finden dann nicht mehr zurück auf die Decke. Deshalb mache ich Nachts noch für einige Tage den Aufsatz drauf. Tagsüber kontrolliere ich ständig, ob alle Welpen warm liegen.

Als Welpenspielplatz im Welpengehege habe ich u.A. einen "Kindertunnel" alla Mickimaus, den sie allerdings erst im Freilauf benutzen. Bevor die Welpen vom Welpenraum nach draußen gehen sind sie meist schon knappe 5 Wochen alt, das ist sicherlich von Rasse zu Rasse verschieden. Also warten, bis die Welpen reif sind freiwillig nach draußen zu gehen. Nicht einfach raussetzen und evtl. frühzeitig stressen. Welpen erkunden langsam ihr "sicheres Revier". (frühzeitige Nestflüchter würden evtl. in freier Natur auch gefressen werden).
Weiters habe ich ein Gestell mit leeren "Konservendosen an mehreren dicken Schnüren aufgehängt". Die Dosen ließ ich mir wieder verschließen, damit keine Verletzungsgefahr besteht. Die klappern sehr schön, da an den untersten Dosen jeweils ein Knoten mit einem Stück Schnur ist. Die Welpen beißen in den Knoten und so fängt es an zu klappern. Außerdem habe ich noch einen Fahrradreifen aufgehängt, sodaß er ca. 3 cm über dem Boden ist. Die Welpen laufen drüber, beißen rein, dieser bewegt sich, da an Schnüren oben aufgehängt. Die Hundehütte draußen ist immer sehr begehrt, die die drin sind, lassen die anderen spielerisch nicht rein. Ab und an gebe ich unter Aufsicht abwechselnd primitive Spielsachen wie einen Plastikeimer rein, alter Karton, einen stabilen alten Turnschuh, einen Handfeger , Stofftiere ohne Augen, ..... Diese Sachen allerdings nur unter ständiger Aufsicht wegen evtl. "Auffressgefahr".

Wichtig ist, daß man selbst viel mit den Welpen spielt, als Spielaufforderung ahme ich wiederum die Mutterhündin nach. In die Pfote beißen, ist eine Spielaufforderung unter Hunden. Natürlich beiße ich nicht in die Pfote sondern nehme das Pfötchen sanft in die Hand und halte es etwas fest. Gleich darauf beißt mich der Welpe in die Hand. Daraufhin kniffle ich ihn zart mit der Hand an irgendeinem entlegenen Köperteil, sodaß er erneut meine Hand versucht zu fangen. Je nachdem welche Anlage man fördern will, bestärkt man die Welpen durch Lob. Nicht durch Tadel ! Tadel nur insofern, durch abrupten Spielabruch bei unerwünschtem Verhalten. Mir ist wichtig, dass die Welpen bei mir ausnahmslos positive Erfahrungen mit mir, meiner Tochter und Besuchern machen. Evtl. Erziehungsmaßnahmen soll der zukünftige Besitzer nach seinen Vorstellungen vornehmen können.

Um die Welpen einzeln besser nach ihren Veranlagungen einschätzen zu können, nehme ich mir einzeln einen Welpen ins Haus (in der Meute sind sie bekanntlich alle frech). Da zeigen sich erstaunliche Unterschiede !
Beispiel Zwei Extreme:
Welpe 1 setze ich auf den Boden, er bleibt sitzen, fängt an zu zittern und zu jammern und traut sich keinen cm zu bewegen (Scheiße !).
Welpe 2 setze ich auf den Boden, er schaut nach links und nach rechts, rennt los und hängt an der Blume oder dem Vorhang (Super !).
Dazwischen gibt es Schmuser und einige mehr, die die Nähe des Menschen suchen , die weniger oder mehr forsche Draufgänger sind. Aber wie gesagt bei Deiner Rasse kenne ich mich nicht so gut aus, was gewünscht oder ungewünscht ist.

Jedenfalls muß man Welpe 1 entsprechend mehr einzeln fördern als Welpe 2.

Viele Züchter lassen keinen Besuch zu den Welpen wegen evtl. Infektionsgefahr. Von Anfang an habe ich das nicht so gemacht ! Welpen sollen mit vielen fremden Personen in Kontakt kommen, was meiner Meinung nach deren Wesen absolut positiv beeinflusst. Auch auf die Gefahr hin, dass sich meine Welpen mit irgendeiner Krankheit anstecken könnten, ist mir die vielseitige Prägung wichtiger. Toi , toi , toi, mir wurde noch nichts eingeschleppt.
Allerdings, wenn ich weiß, dass jemand zuhause bereits einen Hund hat, sollen sich die Leute frisch gewaschenen Kleider anziehen, bei mir werden zudem deren Schuhe und Hände desinfieziert. Fremde Hunde kommen nicht ins Haus, Ausstellungen mit erwachsenen Hunden von mir werden gemieden, Hundeplätze sowieso.

Je nachdem wie die Mutterhündin auf "Welpenbesuch" reagiert, treffe ich Maßnahmen. Eine freundliche Hündin, die Besucher freundlich begrüßt ist optimal, soetwas schauen sich die Welpen ab. Hat die Mutter jedoch starken Beschützerinstinkt für ihre Welpen, so nehme ich vorab die Hündin aus dem Wurfzimmer, erst dann lasse ich den Besuch hinein. Welpen schauen sich viel von der Mutter ab egal ob positiv oder negativ.

Als ich anfing zu züchten, war ich der Meinung, dass die Aufzuchtsphase der Welpen beim Züchter den größten Wesenseinfluss auf die Welpen hat. Nach 11 Jahren Zucht bin ich jedoch eines Besseren belehrt worden, meiner Meinung nach sind 80 % der Wesensmerkmale vererbt, 20 % Aufzuchtsbedingt. (Vielleicht steinigen mich einige bzgl. dieser Aussage).

Liebe Grüße von Birgit und den Werntalern


31. Januar 2001 23:47

Hi Cindy!

Vorab gesagt, ich bin kein Züchter. Kenne mich aber -so denke ich- schon ein wenig aus, da ich seit mehreren Jahren Züchter im Freundeskreis habe und einiger deren Würfe auch von Anfang an begleiten durfte. Nun, so kan ich zu 22 Paten"kindern"!

Die Ausführungen von Birgit finde ich gut. Wie sie schon sagte differieren die zeitlichen Angaben von Rasse zu Rasse.

Mit ihrer Einschätzung der Wesensmerkmale in Bezug auf Vererbt und Geprägt, gehe ich nicht ganz konform. Ich halte den Prozentsatz der Vererbung von Birgit als zu hoch gewählt.

Eingehen möchte ich auch noch auf den Besuch. Auch hier bin ich derselben Meinung wie Birgit.
Ich finde es sehr wichtig -nicht nur für die Welpen- diesen Kontakt ab Augenöffnen der Welpen zu ermöglichen. Natürlich muß das Step by Step gehen und Anfangs nur ein Interessent für kurze Zeit. Nicht das da Massenaufläufe stattfinden und Mutter und Welpen völlig überfordert werden.
Aus o.g. Grunde finde ich es auch wichtig, das möglichst viele der Welpenkäufer so früh wie möglich feststehen. Die sollen kommen -so oft wie möglich- und sich um die Welpen kümmern! Nicht nur dastehen und "ach wie süß, auch wie niedlich" kreischen! Nein, einbinden in die Arbeit die solche Welpen halt auch machen. Welpenbrei anrühren. Welpenscheiße wegmachen usw. usw. Dabei verstärkt (oder revidiert) sich auch der Eindruck "seiner" Käufer!

Viele Grüße frank

01. Februar 2001 11:08

:Welpenscheiße wegmachen usw. usw. Dabei verstärkt (oder revidiert) sich auch der Eindruck "seiner" Käufer!

ja, das mußte ich bei der Züchterin vom Großen auch machen :-)))

Gruß
Merlino

01. Februar 2001 12:03

Hi Birgit,

danke zuerst mal für deine Antwort und dafür, dass Du dir so viel Mühe gemacht hast. Was Du so beschrieben hast kommt in etwa so hin, wie ich mir das so vorgestellt habe.
Was die Leseratte betrifft :-), klar, aber irgendwoher muss man sich ja mal vorher was anlesen, informieren etc. Eines muss allerdings klar sein, nämlich dass man kritisch liest. Eine Züchterin erzählte mir, sie hätte schon mit anderen gesprochen, die nur zwischen 11. und 13. Tag zum Decken sind, weil das so in den Büchern steht. Die Hündin wurde nie tragend. Warum wohl? :-)

Gruss Cindy

01. Februar 2001 12:17

Hi Frank,

: Mit ihrer Einschätzung der Wesensmerkmale in Bezug auf Vererbt und Geprägt, gehe ich nicht ganz konform. Ich halte den Prozentsatz der Vererbung von Birgit als zu hoch gewählt.
:

also, alles was ich bisher so gehört und gelesen habe, sagt mehr oder weniger das gleiche,was Du meinst. Mit gehört meine ich jetzt von Fachleuten, Tierärzten für Verhaltenskunde etc.
Deren Kommentar war, dass man häufig meint, etwas sei vererbt, obwohl es nur sehr früh von der Mutter abgeguckt wurde.

: Eingehen möchte ich auch noch auf den Besuch. Auch hier bin ich derselben Meinung wie Birgit.
: Ich finde es sehr wichtig -nicht nur für die Welpen- diesen Kontakt ab Augenöffnen der Welpen zu ermöglichen. Natürlich muß das Step by Step gehen und Anfangs nur ein Interessent für kurze Zeit. Nicht das da Massenaufläufe stattfinden und Mutter und Welpen völlig überfordert werden.

Das ist auch etwas, was ich wollte. Darauf wollte ich schon achten, dass die Welpen genug Menschenkontakt bekommen, aber auch nicht überfordert werden. Ich habe einen Hund erlebt, der von klein auf immer Menschenkontakt hatte, aber meiner Meinung nach zu viel (auch wenn sich das jetzt seltsam anhört). Die Familie hatte zu diesem Zeitpunkt 4 oder 5 Kinder, von etwa 4 bis 18 Jahre, ständig Freunde der Kinder im Haus, immer Trubel, dann noch andere Freunde, die nur mal "Welpengucken" komen wollten etc. Zwei Bekannte von mir haben Welpen aus diesem Wurf. Beide Hunde extrem misstrauisch und ängstlich den Menschen gegenüber. Der eine ist in der Familie einer Freundin, kennt mich seit nun 10 Jahren, ich habe ihm bestimmt nie etwas getan und wenn ich nur in seine Nähe komme, rennt er mit eingezogenem Schwanz weg. Sollte ich es mal wagen, ihn auch nur aus Versehen zu berühren, schreit er und verkriecht sich hinterm Sofa etc. Dieses Verhalten zeigt er bei jedem, der nicht im Haus wohnt.


: Aus o.g. Grunde finde ich es auch wichtig, das möglichst viele der Welpenkäufer so früh wie möglich feststehen. Die sollen kommen -so oft wie möglich- und sich um die Welpen kümmern! Nicht nur dastehen und "ach wie süß, auch wie niedlich" kreischen! Nein, einbinden in die Arbeit die solche Welpen halt auch machen. Welpenbrei anrühren. Welpenscheiße wegmachen usw. usw. Dabei verstärkt (oder revidiert) sich auch der Eindruck "seiner" Käufer!
:


Wow, ich hätte nie gedacht, dass man so was von den Welpenkäufern fordern könnte. So, sie richtig in die Arbeit einbinden. Aber logisch ist es schon.

Gruss Cindy