Hallo Heidi,
ein gewisses Maß an physischer Veränderung gehört im Grunde dazu, ist sogar natürlich. In der gesamten Evolution haben sich Arten ihren Lebensumständen angepasst, selbst der Mensch ist heute im Durchschnitt größer, die Pubertät beginnt im Durchschnitt früher, usw.
Die Ernährung unserer Hunde ist deutlich optimierter, was in meinen Augen nichts mit "optimal sein" zu tun hat, ich glaube eher dass das heutige Hightech-Futter einiges an Krankheiten mitverschuldet hat, aber das ist hier nicht das Thema.
Da ich mich mit anderen Rassen weniger auskenne, bleibe ich DSH-Schuster mal bei meinen Leisten: Fakt ist, dass der Rassegründer schon damals eine genaue Vorstellung hatte, dass sich der DSH weiterentwickeln sollte und auch in welche Richtung: dem optimalen Trabergebäude, um ausdauerndes Traben an der Herde mit geringstem Energieaufwand und Verschleiß zu ermöglichen. Er gab vor, welches Längen-/Höhenverhältnis, welche Laufknochenlänge und -winkelung, welche Brusttiefe nötig ist, um den zu Höchstleistungen geeigneten Organen genug Raum zu bieten.
Irgendwann kam man dem Ziel näher, die Rasse evolutionierte wenn ich das mal so sagen darf. Aber dann kamen Leute an die Macht, die aus dem DSH nicht mehr nur den "derb aussehenden Arbeitshund", sondern einen eleganten Verkaufsschlager für finanzkräftige Kunden machen wollte. Die überwinkelten, wabbelhaxigen Abschussrampen verdanken wir übrigens dem amerikanischen Modediktat der 70er und 80er. Entsprechend wurde (was ich unverschämt dem Rassegründer gegenüber finde) sogar der Standard geändert: aus "hoher Widerrist, der in einen geraden Rücken übergeht, die vom Becken ab harmonisch in eine lange, leicht absenkende Kruppe mit tiefem Rutenansatz übergeht" haben die gemacht "hoher Widerrist, der Rücken verläuft sanft abfallend in harmonischer Linie und geht im Bereich des Beckens in die lange, abfallende Kruppe über".
Im Prinzip stehen die Leistungslinien, die ich züchte, in der Evolution des DSH zwischen den Hunden von damals und den Hunden von heute, sie sind in den 60ern sozusagen stehengeblieben. Das hat auch einen Grund: die leistungsorientierten Schäferhundzüchter haben nur auf Zweckmäßigkeit gezüchtet, und Zweck war damals schon 95% Dienst und Schutzhundesport, nur 5% Hüten. So haben sich die Leistungslinien nicht weiterentwickelt, denn um sprinten zu können, war die Laufknöchenlänge und zunehmende Masse der Formwertzucht nicht geeignet. Um springen zu können, war die stark gewinkelte Vorhand und der auf dem tiefen Brustkorb liegende Körperschwerpunkt nicht geeignet.
Also, im Prinzip hätte da mit Formwertzucht Schluss sein müssen, mein Schwarzer wäre in den 60ern ein sogenannter V-A Hund gewesen (=Vorzüglich-Auslese) und hätte zu 99% dem vom Rassegründer geschriebenen Standard entsprochen, heutzutage muss ich nachhelfen, dass er sein verdientes Vorzüglich überhaupt bekommt.
Daran kann ich leider nichts ändern, ich züchte in meiner Welt nach dem für mich geltenden Standard, und der lautet wortgetreu dem Rassegründer:
Schön ist, was dem Gebrauch dient
Und genau deshalb ist mir der Schutzhundesport auch so wichtig. Ich brauche keine Selbstbestätigung oder die Staubfänger, die man da manchmal bekommt. Der Sport gibt mir die Möglichkeit, für die Zucht nach Gesundheit, Wesen, Triebveranlagungen und Leistungsvermögen zu selektieren, denn das brauchen die Hunde, um Erfolg in diesem Sport zu haben.
LG, Liesel