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Rettenwollen ./. Profilneurose

geschrieben von Ira(YCH) 
Rettenwollen ./. Profilneurose
08. November 2001 01:18

Hallo zusammen,
die letzte Diskussion war sehr interessant, aber es gibt noch mehr als diese zwei Alternativen, die einen bewegen können, RH-Arbeit zu machen.
Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich genieße diese Herausforderung "Bin ich mit meinem Hund zusammen als Team in der Lage, sowas zu machen?" Dieses Wissen, ja, ich kann es, die ständige Frage, kann ich es auch unter diesen oder jenen Bedingungen, und wieder die Antwort "ja, ich kann" freut mich einfach, gibt mir Selbstbestätigung. Nein, es ist nicht der Hauptgrund, RH-Arbeit zu machen, aber ein weiterer Grund! Die Freude an der Herausforderung und die noch größere Freude, sie zu bestehen - mein Hund und ich.
Und noch viel mehr Herausforderungen gibt es - können wir es bestehen, wir als Staffel, die RH-Kollegen, die auch gleichzeitig im Laufe der Zeit zu Freunden werden; überstehen wir das nächste Missverständnis, den nächsten Tiefpunkt? Ja, bisher hat es geklappt, und das macht stolz.
Ist das auch eine Profilneurose, wenn nicmand was davon mitbekommt, wenn man sich selbst betrachtet und sagen kann "ja, wir alle, ich, die anderen, mein Hund, unsere Hunde sind einfach gut" (sorry, aber ich versuche, offen und ehrlich zu schreiben, dazu gehört vielleicht auch etwas Selbstüberschätzung).
Schön, wenn man mal ein Menschenleben retten kann. Ich tendiere eher zum Suchen auch bei nicht so erfolgversprechenden Einsatzlagen. Es steckt auch ein wenig Angst dahinter, die Angst, es könnte mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit sein, dass der Vermisste doch noch gefunden wird, total unmöglich eigentlich, aber vielleicht....
Kann ich noch in den Spiegel schauen mit dieser Freude, wenn ich festgestellt habe, der Einsatz "lohnt" nicht mehr, derjenige aber doch noch - vielleicht von einem Spaziergänger - gefunden wird, ich ihn aber "aufgegeben" hätte?
Gute Nacht zusammen,
Ira


08. November 2001 09:15

Hallo Ira,

was Du ansprichst ist eigentlich genau das, was ich gemeint habe, als ich weiter unter davon sprach, daß ich ich RH-Arbeit aus Spaß an der Freud mache - und trotz vielerlei Frust.

Weil es eben eine Herausforderung an viele Fähigkeiten ist und weil man in unheimlich vielen Bereichen etwas lernen kann.

Sich Selbstbestätigung in Form von Erfolgserlebnissen zu verschaffen und nach sozialer Anerkennung zu streben, ist Teil des Menschen und in meinen Augen nichts Verwerfliches.

Kritisch wird es erst dann, wenn der Wunsch nach Selbstbestätigung und die Freude an Herausforderungen zum Selbstzweck wird und das ganze Drumherum nur noch Kulisse zur Selbstinszenierung ist.
Dann ist meiner Meinung nach die Grenze zur Profilneurose überschritten - aber wo will man sie genau ziehen?

Die gleiche Argumentation, die Du ins Feld führst, wirst Du übrigens auch bei Hundesportlern hören, wenn Du sie fragst, warum sie ihren Sport betreiben.
Eben auch, weil es gut ist fürs Ego, zusammen mit seinem Hund ein Ziel zu verfolgen und einen Erfolg zu verbuchen, zusammen mit den Vereinskollegen einen begehrten Pokal zu holen und sich über die gemeinsame Leistung zu freuen, etwas gemeinsam aufzubauen und trotz Widrigkeiten weiterzuentwickeln.
Denen wird allerdings oft die krankhafte Hatz nach Pokalen unterstellt, während die RH-ler mit dem Argument "Es geht um Menschenleben" schnell aus dem Schneider sind.

Das Kribbeln, das Heinz vor dem Einsatz beschreibt, hat auch jeder SchH-ler vor einem Turnier. Der Vergleich sei mir verziehen...;-))

Sicher ist die Verantwortung, die man als RH-Führer in einer Einsatzorganisation hat, ungleich größer als die eines Hundesportlers im Verein, aber die Beweggründe, warum man es macht, sind in der Quintessenz gar nicht so unterschiedlich sondern zutiefst menschlich.

Welche Beweggründe nun aber noch "gut" oder schon "schlecht" sind, über dieses Thema kann man sich durchaus die Köpfe einschlagen, wie die Diskussion hier zeigt.

Grüße
Sabine

08. November 2001 09:50

Hallo zusammen,

laßt Euch doch nicht verrückt machen !

Es gibt, wie überall im Leben, immer irgendwo Neider !

Viele Grüße
Eve

08. November 2001 10:38

: Hallo Ira,
:
: was Du ansprichst ist eigentlich genau das, was ich gemeint habe, als ich weiter unter davon sprach, daß ich ich RH-Arbeit aus Spaß an der Freud mache - und trotz vielerlei Frust.
:
: Weil es eben eine Herausforderung an viele Fähigkeiten ist und weil man in unheimlich vielen Bereichen etwas lernen kann.

Das sehe ich genauso, denn keine Ausbildung ist vielschichtig wie die RH-Ausbildung.

: Sich Selbstbestätigung in Form von Erfolgserlebnissen zu verschaffen und nach sozialer Anerkennung zu streben, ist Teil des Menschen und in meinen Augen nichts Verwerfliches.
:
Auch das sehe ich genauso.

: Kritisch wird es erst dann, wenn der Wunsch nach Selbstbestätigung und die Freude an Herausforderungen zum Selbstzweck wird und das ganze Drumherum nur noch Kulisse zur Selbstinszenierung ist.
: Dann ist meiner Meinung nach die Grenze zur Profilneurose überschritten - aber wo will man sie genau ziehen?

Das habe ich versucht unten in meinen Postings darzustellen. Wenn der Einsatz zum Selbstzweck wird, ohne dass eine Chance besteht Menschenleben zu retten. Dann wird ein Einsatz (Deine Formulierung finde ich sehr gut) inszeniert um sich als noch moralischer und "bessere" RH-Staffel darzustellen (siehe unten). Als jemand der im Rettungsdienst gearbeitet hat, ein medizinischen Studiengang hinter sich hat und tagtäglich im Berufsleben entscheiden muss, ob man in bestimmten Fällen aktiv wird, kann ich nur betonen, dass man auch mal NEIN zu einer Alarmierung sagen muss.

: Die gleiche Argumentation, die Du ins Feld führst, wirst Du übrigens auch bei Hundesportlern hören, wenn Du sie fragst, warum sie ihren Sport betreiben.
: Eben auch, weil es gut ist fürs Ego, zusammen mit seinem Hund ein Ziel zu verfolgen und einen Erfolg zu verbuchen, zusammen mit den Vereinskollegen einen begehrten Pokal zu holen und sich über die gemeinsame Leistung zu freuen, etwas gemeinsam aufzubauen und trotz Widrigkeiten weiterzuentwickeln.

Ich habe viele Hundeprüfungen in meinem Leben gemacht, aber ich war bei Prüfungen immer nervöser als bei Einsätzen, da ich im Einsatz nicht alleine bin, sondern eine starkr Mannschaft hinter mir habe, der ich blind vertrauen kann. Auch hier kann ich bei einem Suchauftrag NEIN sagen, wenn mein Hund platt ist, oder mir die Aufgabe zu schwer erscheint. Ich habe noch mindestens 10 andere RH-Teams dabei, die mich unterstützen können.

: Denen wird allerdings oft die krankhafte Hatz nach Pokalen unterstellt, während die RH-ler mit dem Argument "Es geht um Menschenleben" schnell aus dem Schneider sind.

Leider wahr!!!
:
: Das Kribbeln, das Heinz vor dem Einsatz beschreibt, hat auch jeder SchH-ler vor einem Turnier. Der Vergleich sei mir verziehen...;-))

siehe oben, das Kribbeln ist doch anders

Bis dann,
Helmuth

08. November 2001 12:08

Hallo Helmuth,


: Ich habe viele Hundeprüfungen in meinem Leben gemacht, aber ich war bei Prüfungen immer nervöser als bei Einsätzen, da ich im Einsatz nicht alleine bin, sondern eine starkr Mannschaft hinter mir habe, der ich blind vertrauen kann. Auch hier kann ich bei einem Suchauftrag NEIN sagen, wenn mein Hund platt ist, oder mir die Aufgabe zu schwer erscheint. Ich habe noch mindestens 10 andere RH-Teams dabei, die mich unterstützen können.

Da kann ich Dir nur Recht geben. Vor einer SCHH Prüfung bin ich wesentlich aufgeregter als vor einer RH Prüfung. Im Einsatz bin ich zwar gespannt was kommt aber nie aufgeregt. 10 Teams hatte ich noch nie hinter mir.....aber wir haben Einsätze auch schon mit 2 Teams erfolgreich abgeschlossen (Wassersuche) und trotzdem war da nie Aufregung sondern nur Ruhe und Konzentration.

Im übrigen mache ich RH aus den gleichen Gründen wie SCHH. Die Hundeausbildung (der Weg zum Ziel) macht einfach Spaß. Bei RH kommt dazu das die Situation auch beim Training jedes mal anders ist und somit immer eine gewisse Spannung bleibt. Wäre mein einziges Ziel "Menschenleben zu retten" hätte ich längst schon frustriert aufgegeben. Wenn ich mal in der glücklichen Lage sein sollte, wunderbar..... aber ein Helfersyndrom habe ich nicht und dies ist auch nicht meine Hauptmotivation.

Viele Grüße
Sabine

08. November 2001 13:29


: : Kritisch wird es erst dann, wenn der Wunsch nach Selbstbestätigung und die Freude an Herausforderungen zum Selbstzweck wird und das ganze Drumherum nur noch Kulisse zur Selbstinszenierung ist.
: : Dann ist meiner Meinung nach die Grenze zur Profilneurose überschritten - aber wo will man sie genau ziehen?



:Wenn der Einsatz zum Selbstzweck wird, ohne dass eine Chance besteht Menschenleben zu retten. Dann wird ein Einsatz (Deine Formulierung finde ich sehr gut) inszeniert um sich als noch moralischer und "bessere" RH-Staffel darzustellen (siehe unten).

Ich hab's gelesen.
Aber wer will mit letzlicher Sicherheit die Entscheidung treffen, wann es ein Mensch noch "wert" ist, daß man nach ihm sucht?
Ich würde auch dazu tendieren, lieber zehnmal zu oft als einmal zu wenig auszurücken.
In meiner kurzen RH-"Karriere" habe ich es bislang zweimal erlebt, daß sich Angehörige hilfesuchend an die Staffel gewandt haben, als Polizei und Feuerwehr die Suche abgebrochen hatten.
Die Verzweiflung der Leute ging mir unter die Haut und ich hätte es als Staffelführer auch nicht geschafft, "Nein" zu sagen.
Insofern kann ich die Ausführungen von suchhunde schon nachvollziehen.

Und das Auffinden und Übergeben von toten Angehörigen ist ja auch eine soziale Dienstleisung, wenn auch keine Rettung im eigentlichen Sinne.

:Als jemand der im Rettungsdienst gearbeitet hat, ein medizinischen Studiengang hinter sich hat und tagtäglich im Berufsleben entscheiden muss, ob man in bestimmten Fällen aktiv wird, kann ich nur betonen, dass man auch mal NEIN zu einer Alarmierung sagen muss.

Hut ab vor jedem, der beruflich über Leben oder Tod enscheiden muß.
Um die Entscheidung "Wem geb' ich die Niere?" oder "Wer kriegt den Intensiv-Platz?" beneide ich keinen.
Die Entscheidung allerdings, mit meinem Hund zu suchen oder nicht, würde mir bedeutend leichter fallen. Schlimmstenfalls finde ich keinen und es war eine Übung.
Aber vielleicht denke ich in ein paar Jahren anders, wer weiß.

Unter den Begriff "profilierungssüchtig" fallen für mich eher die Auswüchse des Staffel-Hick-Hacks ("W i r wollen in die Zeitung und nicht Staffel XY!"winking smiley oder die Uniformwichtel, die in voller Montur und mit Kenndecke in der Fußgängerzone herumstapfen, noch nicht mal ein geprüftes Team vorzuweisen haben, aber den interessierten Passanten gegenüber tun, als seinen sie gerade vom Erdbebeneinsatz zurückgekehrt.

Gruß
Sabine S.