Nur mal zum Nachdenken bez. des "Sinns" eines Sucheinsatzes, wenn ersichtlich ist, daß ein Vermisster nicht mehr lebend aufgefunden wird.....
"Hoffentlich hatte sie einen schönen Tod"
Seit über zwei Wochen wird die 74-jährige Kunigunde Wagner vermisst - Die Familie kämpft mit der Ungewissheit
Von Karin Weber
Regen. "Ich rechne nicht mehr damit, dass sie noch lebt", sagt Petra Drexler, die Tochter der seit dem 25. Oktober vermissten Regenerin Kunigunde Wagner. Hoffnungslosigkeit und quälende Ungewissheit über das Schicksal der Mutter plagen sie.
"Es gibt keine Worte dafür, wie belastend diese Situation für die Angehörigen ist", sagt Petra Drexler zum Verschwinden ihrer Mutter. Verzweifelt kämpft sie darum, wenigstens noch herauszufinden, was mit Kunigunde Wagner an jenem Donnerstag passiert ist.
Um 10 Uhr am Vormittag hatte sie in der Freyunger Kurklinik Bavaria, wo sie seit zehn Tagen zur Behandlung ihrer Schüttellähmung untergebracht war, zum letzten Mal ihre Medikamente bekommen. Danach war die Patientin zu einem Spaziergang aufgebrochen. Seitdem fehlt von ihr jede Spur.
Am Tag ihres Verschwindens hat es Streitigkeiten mit einer Mitpatientin gegeben. Das hat Petra Drexler herausgefunden. "Und wie ich meine Mutter kenne, hat sie sich in ihrer Ehre verletzt gefühlt und hat die Klinik in Panik verlassen", glaubt sie. Der psychische Zustand der alten Dame sei labil gewesen. Wegen ihrer Parkinson-Erkrankung sei sie öfter auch verwirrt gewesen, so die Tochter.
Ein wichtiges Indiz für die Verwirrtheit ihrer Mutter sieht die Tochter auch in der Aussage einer Anwohnerin der Klinik in Freyung. Dort hatte Kunigunde Wagner schon am Sonntag vor ihrem Verschwinden nach dem Weg zur Kaserne gefragt. "Sie wollte zu mir", steht für Petra Drexler fest, "denn ich wohne in Regen in der Nähe der Kaserne".
Vielleicht, so könnte sie sich vorstellen, sei sie ja von einem Pendler mitgenommen worden, der sie dann irgendwo wieder abgesetzt hat. "Wir hoffen halt immer noch darauf, dass sich jemand meldet, der sie gesehen hat", appelliert die Angehörige an eventuelle Zeugen.
"Alle Hinweise, die bis jetzt bei uns eingegangen sind, haben sich zerschlagen", erklärt Freyungs Polizeichef Peter Kaspar. Dass Kunigunde Wagner aber weit gekommen ist, glaubt Kaspar nicht: "Wir müssen davon ausgehen, dass sie irgendwo im Umfeld der Klinik ist." Obwohl die Gegend schon öfter abgesucht wurde, könne es sein, dass sie irgendwo im Unterholz liege, glaubt der Polizeichef.
Bundeswehrsoldaten hatten sowohl in Freyung als auch in Regen das Gelände rund um die Kasernen durchforstet. Neben zahlreichen Polizisten waren auch rund 120 freiwillige Helfer an der Suchaktion beteiligt. Sogar Flugblätter hat die Tochter überall verteilt - ohne Erfolg.
Daran, dass die Rentnerin noch lebt, kann keiner mehr so richtig glauben. Ohne ihre Medikamente sei sie nicht überlebensfähig, bestätigen auch die Ärzte. "Ich wünsche mir für sie, dass sie einen schönen Tod hatte und dass wir sie noch vor Wintereinbruch finden und beerdigen können", hofft Petra Drexler. Zusammen mit ihrem Mann und vielen freiwilligen Helfern mit Hunden hat sie private Suchtrupps organisiert.
Einer will sich mit der schrecklichen Wirklichkeit noch nicht abfinden: Karl Wagner, Ehemann der Vermissten. "Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben", erklärt der Rentner. Er glaubt, dass die 74-Jährige bei jemandem mitgefahren sein könnte. Er allein habe sich um sie gekümmert, obwohl er selber krank und oft überfordert gewesen sei, betont Karl Wagner.
Es wäre ohnehin besser gewesen, seine Frau wäre zu Hause geblieben, denn in der Klinik habe man sich augenscheinlich nicht richtig um sie gekümmert, klagt der Ehemann an. Um 14 Uhr sei die Patientin schon nicht mehr zum Kaffeetrinken erschienen, aber erst um 16 Uhr habe überhaupt jemand nachgeschaut. "Wenn das Verschwinden schneller bemerkt worden wäre, hätte man sie vielleicht noch abfangen können", so seine Argumentation.
Auf Nachfrage in der Klinik habe ihm eine Schwester dann auch noch erklärt: "Ihrer Frau hat schließlich nichts gefehlt". Immerhin sei sie aber zur Behandlung dort gewesen, kontert Wagner. Für ihn sei die ungewisse Situation besonders schwierig, weil er sich wegen seines Herzleidens keinesfalls aufregen solle.
"Wir haben innerhalb kürzester Zeit reagiert", zeigt sich Michael Busch, Verwaltungsleiter der Bavaria- Klinik, unbeeindruckt von den Vorwürfen. Die Reha- Einrichtung sei keine geschlossene Anstalt und schon am späten Nachmittag hätte man die Suche nach Kunigunde Wagner eingeleitet, so Busch.
"In diesem Fall gibt es keine Aufsichtspflicht wie bei Heimen", bestätigt auch Alfons Völk, Pressesprecher der Regierung von Niederbayern. Die Sorgfaltspflichten seien mit dem Krankenhaus-Träger abzuklären, aber eine Regelung für derartige Vorkommnisse gebe es nicht, so Völk.
"Wir machen niemandem Vorwürfe, wir wollen nur noch, dass sich die Sache wenigstens aufklärt", versucht Petra Drexler so ruhig wie möglich mit dem Verlust fertig zu werden. Und heute ist sie mit ihrer Familie wieder in Freyung, um die verzweifelte Suche nach der Mutter fortzusetzen.
Personenbeschreibung
Bei ihrem Verschwinden trug die weißhaarige Kunigunde Wagner eine schwarze Nicki-Hausanzughose, ein weißes T- Shirt, einen sandfarbenen Pullover, schwarze Nylonsocken und beige Sandalen. Ihr Markenzeichen war eine schwarze Handtasche mit langem Riemen, die sie über den Kopf nach vorne umgehängt hatte. Außerdem hatte sie eine Brille mit Goldrahmen auf.
Wer hat die 74-Jährige gesehen? Hinweise bitte unter Tel.08551/96070 an die Polizeiinspektion Freyung.
Quelle: [
www.pnp.de] vom 10.11.01
Sind es wirklich "Rettungsrambos, Katastrophentouristen, Profilneurotiker", wenn sie in solchen Fällen versuchen die Angehörigen nicht allein zu lassen? Sind das dann Einsätze, die andere Staffeln in Verruf bringen?