von Reinhold + Ayko(YCH) am 10. Dezember 2001 13:15
Hallo Claudia,
ich kann mich den anderen Beiträgen nicht uneingeschränkt
anschließen. Die Beschreibung, die du von eurer Hündin
gibst, passt nämlich genau auch auf das Verhalten meines
Rüden. So weiß ich ganz genau, wovon ich rede. :-)))))
Ich erlebe genau dein Thema gerade jetzt ganz hautnah. :-)
Fehlende Lenkbarkeit wird dann zu echten Problem,
wenn man in der Nähe befahrener Straßen sucht. Fehlende
Lenkbarkeit wird auch dann zum Problem, wenn eine
Flächenprüfung ansteht und es herrscht Windstille oder mein
Hund rennt über die Grenzen des Prüfungs-Suchgebietes
hinaus und ich kann ihn dabei möglicherweise gar nicht mehr
sehen oder mein Hund sucht nicht am Rande des Gebietes,
dort wo der Wind aus dem Suchgebiet hinaus streicht..
Es gibt also eine ganze Reihe Situationen, in denen ein HF mitdenken
und seinen Hund entsprechend mehr oder weniger dezent lenken muss
um ein vorgegebenes Gebiet zuverlässig abzusuchen. Das Ergebnis
der meisten Flächensuchen heißt nämlich nicht:
"Opfer gefunden",
sondern:
"In diesem Gebiet haben wir niemand gefunden".
Kann man sich die Intuition eines Hundes verlassen, wenn man
diese Aussage verbindlich abgeben will?
Ich denke nein. Ich denke, da müssen Hunde-Nase und
-instinkt mit der Intelligenz des Menschen kooperieren können.
Das wollte ich zu den anderen Beiträgen noch ergänzen.
Aber mal davon abgesehen, hat eure Hündin sicherlich beste
Voraussetzungen ein erfolgreicher RH zu werden, mit dem die
Arbeit wirklich Freude macht. :-)
ooooooooooooo
Verrätst du uns bitte von welcher Rasse eure Hündin ist?
Achte mal auf ihre Nase. Wie trägt sie die Nase beim Suchen ?
Hoch oder tief? Wie verhält sie sich, kurz bevor sie Opferwitterung
aufnimmt und dann geradlinig und zielstrebig zum Opfer läuft?
: Allerdings findet diese Hündin fast immer auf mehr oder weniger
: gerader Strecke zum Opfer, so dass der Hundeführer gar keine
: Chance hat sie zu schicken. Es ist fast unheimlich.
Dazu eine Erklärung:
Auf freiem Feld kann ein gleichmäßiger, ungestörter Wind die
menschliche Witterung recht weit geradlinig wegtragen. Ich stelle mir
die Opferwitterung bei Wind auf freiem Feld immer so vor, wie den
Rauch eines fast erloschenen, qualmenden Kartoffelfeuers. So eine Rauchfahne
hat jeder schon einmal gesehen und kann sie sich bildlich vorstellen.
Ist der Wind stark genug und gleichmäßig genug und das Gelände
eben und ohne Hindernisse, dann wird die Opferwitterung (lies "die
"Rauch"-fahne) fast waagerecht und ganz geradlinig weggeweht.
Sie schwebt quasi dem Erdboden entlang. Ihr Durchmesser wird
mit wachsender Entfernung immer größer.
Ein guter Hund wird dann auch einigermaßen geradlinig zum Opfer finden, sofern
er bei seiner Suche irgendwo in die "Rauch"-Fahne gerät. So kann es unter
günstigen Bedingungen vorkommen, dass der Hund eine Strecke von
weit über 100m (bis zu mehreren hundert Metern) fast geradlinig zur
Versteckperson rennt. Das ist eigentlich ganz plausibel und ich habe
das schon mehrfach beobachtet. Es ist immer wieder faszinierend, weil
wir im Gegensatz zum Rauch, die Duftbahn nicht sehen können.
Bei der Anlagenprüfung einiger Jagdhunderassen prüft man am jungen,
noch nicht ausgebildeten Hund, wie er gut er mit dem Wind beim Suchen
umgehen kann, wie gut er es versteht, den Wind für seine Suche zu nutzen!
Nur wenn er in diesem Fach ausreichend gute genetische Anlagen zeigt,
kommt er in die Zucht.
: ..........., so dass der Hundeführer gar keine Chance hat sie zu schicken.
Er sollte ganz behutsam und überlegt vorgehen.
Was tut eure Hündin auf freiem Feld, wenn der Wind umgekehrt,
nämlich von ihr zum Opfer weht ? Dann kann sie ohne Fährte unmöglich
das Opfer auf direktem Wege finden. Sie muss es umlaufen um hinter dem
Opfer die Witterung zu finden. Vorausgesetzt das Suchgebiet ist groß genug,
dann müßte es schon eine Möglichkeit geben, sie gezielt dorthin zu schicken,
wo sie endlich Witterung finden kann. Denk dabei einfach an die Vorstellung
vom Kartoffelfeuer und seiner Rauchfahne..
Wie gesagt, mein Rüde verhält sich genau so, wie du es von eurer Hündin
beschreibst. Nach dem Ansetzen mit "Such und hilf" düst er ab und kümmert
sich nur noch wenig oder gar nicht um mich. Es ist ein unkastrierter Rüde und
ich habe vor Kurzem auch mit Staunen erlebt, dass er beim Suchen nach dem
Opfer eine läufige Hündin buchstäblich links liegen ließ und mit Power nach
dem Opfer suchte. Erst als sein Job zu Ende war, war die Hündin wieder
interessant für ihn. Das zeigt, wie hoch motiviert ein Hund suchen kann.
Dass er sich da von ein paar Sicht- oder Hörzeichen nur schwer lenken lässt,
leuchtet ein.
So positiv das nun alles ist, mache ich mir aber doch auch Gedanken über seine
Lenkbarkeit. Irgendwo hat die selbstständige Suche ihre Grenzen und diese
Grenzen will ich behutsam setzen um seine hohe Motivation nicht zu bremsen.
Damit ein so such-motivierter Hund überhaupt lernen kann, auf die Zeichen seines
HF zu achten, muss man einen Moment abwarten, in dem er seine Aufmerksamkeit
seinem HF zuwendet. Sonst ist er nämlich mental gar nicht in der Lage, irgend etwas
von seinem HF zu lernen. Ich glaube genau dieses Problem dürfte der Knackpunkt
deiner Anfrage sein.
Wie gesagt, ich stehe vor der gleichen Herausforderung und habe mir auch
Gedanken gemacht. Mir war klar, dass der Hund so lange suchen muss, bis er
merkt, dass er allein nicht weiterkommt. Wir sind ähnlich vorgegangen, wie du es
beschreibst:
: Wir haben sie schon mehrmals ins Leere (ohne Opfer) laufen lassen und sie
: kam erst zum Erfolg (Fund), als sie sich wenigstens einmal schicken ließ.
Wir haben meinen Rüden vor Kurzem ganz gezielt bei Nacht und bei starkem
Wind von hinten (!!!) auf freiem Feld ein riesiges Gebiet absuchen lassen.
(so wie Daniela das auch in ihrer Antwort angerissen hat)
Das Opfer haben wir vorher so eingebracht, dass keine Fährte im Suchgebiet
vorhanden war. Das Opfer ist von hinten (von Lee) gegen den Wind ins Versteck
gelaufen. Ich liess den Rüden in Luv vom Versteck suchen (Luv ist die dem Wind
zugewandte Seite, also dort, wo der Wind herkommt, im Gegensatz zu Lee, das
ist die Seite in die die "Rauch"-fahne abzieht).
Der Rüde hat tatsächlich hochmotiviert in Luv gesucht, aber hier war er nun, wie von
uns beabsichtigt, lange Zeit völlig chancenlos. Irgendwann hat er das gemerkt, ist zu mir
zurückgekommen und hat mit mir Blickkontakt aufgenommen. Das ist genau der
Moment, in dem der Rüde aufnahmefähig ist. Von da ab konnte ich ihn sehr wohl
dezent lenken. Es war kein Problem, ab diesem Zeitpunkt die Führung bei der Suche
zu übernehmen, ohne irgendwelchen Druck auf ihn auszuüben.
Wenn ich dann überdies auch noch weiß, wo das Opfer liegt, kann ich den Hund
gezielt in die "Rauch"-fahne schicken. So wird er lernen meinen Sichtzeichen zu
vertrauen und wird merken, dass sich das zweibeinige Herrchen mit der kurzen
Schnauze beim Suchen sich gar nicht so doof anstellt. :-))))
Aber ansonsten bin ich natürlich sehr, sehr froh, dass er sehr selbstständig sucht und
auch sehr weit von mir wegrennt.
Wenn ein RH Opferwitterung aufgenommen hat, sollte er sich durch unsere Hilfestellung
auch nicht mehr ablenken oder irritieren lassen. Ich denke, das ist das Fingerspitzengefühl
und die Beobachtungsgabe, die man als HF braucht. ;-) Da muss ich noch viel
lernen, da ist mir mein Hund einfach voraus. :-) Ich habe ihn schon einige Male
zurückgepfiffen, obwohl er schon dicht am Opfer war. Das sind die Fehler, aus denen
man lernen kann. :-)))
Dann bleibt eigentlich nur noch das Problem mit der befahrenen Straße,
die eine Gefährung für den Hund darstellt. Da hilft nur zuverlässiger Gehorsam,
auch unter hoher Such-Motivation.
Grüße
aus dem Wilden Südwesten
Reinhold + Ayko