Ungeliebte Prüfungsordnung als Chance?
01. Mai 2002 21:46


Hallo!



ich möchte hier ein Thema aus dem vorangegangen Thread aufgreifen
und zu einem eigenen Thread machen:



::: Allerdings sagt es einiges über Arbeitseifer und Kondition des Hundes
::: aus, wenn er hintereinander 5 Opfer sucht und sicher anzeigt, ohne
::: zwischendurch bestätigt zu werden.


:: Nein. Über die Kondition sagt es nichts aus. In so einem kleinen Gebiet
:: bis zu 5 Personen - da fällt der Hund ja quasi über jedes drüber. Die
:: Such-/Laufleistung ist da nicht sehr gefordert.



: Sehe ich auch so! Ich glaube auch nicht, daß es unbedingt etwas über
: den Arbeitseifer aussagt - eher über die Frustrationstoleranz. Ich kenne
: einen Hund, der jeden stundenlangen Einsatz bis zur letzen Minute voller
: Elan und Eifer sucht - aber wenn er gar keine Bestätigung bekommt, wird
: er total verunsichert. Wenn sich nicht mal der Hundeführer wenigstens mit
: Lob freut, denkt der Hund wohl, daß er etwas falsch macht oder nicht
: kapiert hat, was er heute tun soll, auf jeden Fall kann man zuschauen,
: wie der Spaß nachläßt. Sowas finde ich nicht unbedingt gut - gerade,
: weil es eben auch noch realitätsfremd ist, da man im Einsatz seinem Hund
: schon irgendwie zeigt, daß er gut war.





Offensichtlich scheint es immer wieder ein Problem zu sein, dass manche
POs das Belohnen des R-Hundes während der Prüfung nicht erlauben.



Andererseits:

Das systematische Nicht-Belohnen des Hundes gehört zum Beispiel beim
Clickertraining nicht zu den Problemen, sondern zu den ganz normalen
Regeln, sozusagen zum heißen Kern des Systems.


Ein Clickertrainer verfolgt mit Hilfe dieser Regeln ganz bestimmte Ziele,
nämlich "Verbesserung der Übung" (Formen, Shaping), "Hartnäckigkeit",
"Ausdauer", "erhöhte Motivation", "sichere Ausführung einer Übung",
"Beständigkeit" usw. usw. usw. nur um einmal ein paar der angestrebten
Ziele aufzulisten.



Das Verbot einer Belohnung bei einer RH-Prüfung sollte nicht Grund zur
Sorge sein, sondern willkommener Anlass, sich generell über das Auslassen
einer Belohnung Gedanken zu machen und das systematische Nichtbelohnen als
wertvolles, alltägliches Hilfsmittel mit in die RH-Ausbildung einzubeziehen.



Ich mache damit bei meinem Hund nur die besten Erfahrungen
und möchte die Möglichkeiten, die das gezielte "Nichtbelohnen"
bietet, auch nie mehr missen.



Dass eine Verschlechterung in der Leistung nicht belohnt werden darf,
sollte ohnehin selbstverständlich sein. Schon allein da ergibt sich die
Frage nach dem Sinn oder besser Unsinn der Immerbelohnung.


Immerbelohnen, Quotenbelohnung, variable Belohnung, Jackpott
heißen die einschlägigen Stichworte unter denen man im Internet nachlesen
kann. Umfangreiche Infos gibt es zum Beispiel hier auf diesem Server

"www.yorkie-hundeforum.com" im YORKIE-Clickerforum



oder auf:



[www.clicker.de]

(Basics, Bestärken)



Ich kenne einen Hund, der hat keine Probleme damit, drei oder vier Opfer
nacheinander mit Begeisterung zu suchen und anzuzeigen und erst beim
vierten oder fünften einen Jackpott zu bekommen. Das wurde ihm aber nicht
in die Wiege gelegt, sondern das hat er vorher gezielt so gelernt,
Schritt für Schritt, langsam und behutsam aufgebaut.



Man darf dabei aber nicht vergessen, dass der Hund die Opfer nur auf ein
ausdrückliches Signal seines Führers verlässt um weiter zu suchen.
(zum Beispiel kurzzeitiges Umlegen des Halsbandes mit Lösen und dem
erneuten Signal "such und hilf!"winking smiley.
Warum ? Das muss ich wohl nicht erklären.





Übrigens:

Was ist, wenn dem Hund die Primärmotivation fehlt?

Primärmotivation ist nicht immer etwas Naturgegebenes, sondern oft Ergebnis
prägender Erfahrungen oder gezielten, artgerechten Trainings. Das Stichwort
heißt "Premack-Prinzip" und auch hierüber gibt es viele Gratis-Infos im Web.



Warum sollte ein Hund das Suchen mehrerer Opfer ohne Zwischen-Belohnung nicht
lernen können? Dass unter dem Ausbleiben der einen oder anderen Belohnung
seine Motivation leidet, kann ich überhaupt nicht bestätigen, ganz im Gegenteil.

Das zu erfahren, erfordert aber ein Umdenken in der Ausbildung.



Dass eine Verschlechterung in der Leistung nicht belohnt wird, sollte
ohnehin selbstverständlich sein. Schon allein da ergibt sich die Frage nach dem
Sinn oder Unsinn der Immerbelohnung.



Natürlich fällt das alles nicht als Geschenk vom Himmel, sondern erfordert Zeit
und Arbeit und die beinhaltet leider immer auch Rückschläge. ;-)


Aber vielleicht werden diese ungeliebten POs auf diese Weise zur Chance?



Ich bin sehr gespannt auf Eure Meinungen dazu.



Grüße
aus dem Wilden Südwesten
Reinhold + Ayko



01. Mai 2002 22:05

Hallo!

Nur zur Sicherheit, damit wir wirklich das Gleiche meinen:

: : Wenn sich nicht mal der Hundeführer wenigstens mit
: : Lob freut, denkt der Hund wohl, daß er etwas falsch macht oder
: : nicht
: : kapiert hat, was er heute tun soll, auf jeden Fall kann man
: : zuschauen,
: : wie der Spaß nachläßt. Sowas finde ich nicht unbedingt gut -
: : gerade,
: : weil es eben auch noch realitätsfremd ist, da man im Einsatz seinem
: : Hund
: : schon irgendwie zeigt, daß er gut war.

: Ich kenne einen Hund, der hat keine Probleme damit, drei oder vier
: Opfer
: nacheinander mit Begeisterung zu suchen und anzuzeigen und erst beim
: vierten oder fünften einen Jackpott zu bekommen. Das wurde ihm aber
: nicht
: in die Wiege gelegt, sondern das hat er vorher gezielt so gelernt,
: Schritt für Schritt, langsam und behutsam aufgebaut.

: Man darf dabei aber nicht vergessen, dass der Hund die Opfer nur auf
: ein
: ausdrückliches Signal seines Führers verlässt um weiter zu suchen.
: (zum Beispiel kurzzeitiges Umlegen des Halsbandes mit Lösen und dem
: erneuten Signal "such und hilf!"winking smiley.

Also, der Hundeführer holt seinen bellenden Hund kommentarlos, ohne Streicheln, ohne ein "Fein gemacht, komm, wir suchen weiter." ab? Sozusagen Halsband um den bellenden Hund, Wegbringen, Neuansetzen? Ich würde annehmen, daß für viele - gerade für die älteren und erfahreneren - Hunde das Lob und die Freude des Hundeführers durchaus auch Bestätigungsfunktion hat. Nur weil nicht gespielt wird, heißt das ja nicht, daß dem Hund nicht gezeigt wird, daß er das Richtige getan hat, oder?

LG, Kati


01. Mai 2002 23:34

:
: Hallo!
:
Ich denke mal mit all diesem Übereifer kann man schnell das Ziel aus den Augen verlieren.
Was wollen wir denn eigendlich Prüfen?
Kondition, Motivation, Verhalten, Schnelligkeit, Realitätsnah, Einsatzbedingt,usw. ?

Nein, wir wollen doch nur eines in unseren PO`s Prüfen:
Schnell und sicher das Opfer finden.
Dieses muß aber überall, egal ob in München oder in Flensburg, nach dem gleichen Schema ablaufen.

Heinz

01. Mai 2002 23:31

Hallo Kati,

du schreibst:

: Nur zur Sicherheit, damit wir wirklich das Gleiche meinen:

: Also, der Hundeführer holt seinen bellenden Hund kommentarlos, ohne
: Streicheln, ohne ein "Fein gemacht, komm, wir suchen weiter." ab?
: Sozusagen Halsband um den bellenden Hund, Wegbringen, Neuansetzen?

Auch wenn dich das jetzt total erstaunt:

Genau so meinte ich das. Das Neuansetzen und "Nochmal-Suchen-Dürfen" kann
eine wirklich starke Belohnung für den Hund sein, --- viel, viel wirksamer
als nur ein verbales Lob. Es ist manchmal gut, die all zu menschlichen
Gedanken beiseite zu schieben und stattdessen einfach den
Hund zu beobachten. Was tut er, was will er?

Ich habe einmal beobachtet, wie ein Opfer nach gelungener Anzeige
gerade die Leckerchendose öffnete und sich mit der offenen Dose
dem Hund zuwandte, aber .............oh Schreck, der Hund war weg!
Er war einfach nicht mehr da! Der ausgestreckte Arm mit der
Futterdose ging ins Leere.

Dieser Hund war schon wieder mit Feuereifer auf der Suche nach dem
nächsten Opfer.
Das "Nochmal-Suchen-Dürfen" war ihm wichtiger als der Pansen in der Dose!
Und deutlicher hätte er das nicht sagen können.
Ich konnte genau beobachten, wie das Öffnen der Dose für ihn nur das
Start-Signal für die nächste Suche war.

Damals haben die Äuglein des HF aber mächtig geglänzt!!! :-)))))))

Nach dem Premack-Prinzip ist hier die Arbeit selbst zur Belohnung geworden.
Sicherlich ein wichtiges Kriterium für eine gelungene Ausbildung.

Aber wenn ein Hund auf dem Weg dorthin noch das verbale Lob braucht, warum
nicht? Im Clickerforum ist darüber schon viel diskutiert worden.

Grüße
aus dem Wilden Südwesten
Reinhold + Ayko



02. Mai 2002 06:10

Hallo Reinhold,

ich gebe Dir vollkommen recht. Ein RH sollte in der Lage sein mehrere Opfer drangvoll anzuzeigen ohne jedesmal bestätigt zu werden. Kann ein Hund das nicht, ist er nicht einsatzfähig.

Wir trainieren das ähnlich wie Du, aber ein Clicker ist nicht immer notwendig. Über Variation, intermittierende Bestätigung ist es möglich eine ausdauernde triebkonstante Ausbildung zu erreichen. Dies ab und zu nicht bestätigen fällt bei uns unter den Oberbegriff Stressbewätigungstraining.

Bis dann,
Helmuth

P.S.: Habe vor 10 Tagen eine IPO Trümmer B (5 Personen) gemacht. Die PO verbietet Bestätigung. Interessanterweise waren die Anzeigen 3,4 und 5 deutlich besser als die Ersten und die Verbellanzeige.

02. Mai 2002 06:18

Hallo Reinhold,

ich kann Deine Argumentation durch persönliche Beobachtung bestätigen.
Ich kenne viele IPO-B-Hunde, die auch beim 5. Opfer noch hochmotiviert suchen und anzeigen, ohne vorher bestätigt worden zu sein. (Von einem freundlichen Wort durch den HF mal abgesehen).

Mit meiner eigenen Hündin, die noch im Aufbau ist, fange ich gerade erst an, die Bestätigung beim ersten Opfer wegzulassen und hatte anfangs auch Bedenken, wie sie das "verkraften" würde.
Es ist aber ein deutlicher Motivationsschub eingetreten, und während das erste Opfer geborgen wird, wartet sie schon sehr ungeduldig darauf, wieder losgeschickt zu werden.

Natürlich muß man den jeweiligen Hund genau beobachten, und wenn man den Eindruck hat, daß das Finden zum Frusterlebnis wird, dann muß man eben das individuelle Vorgehen überdenken.
Suchen und Anzeigen ist für den Hund physisch und psychisch eine sehr anstrengende Sache und man sollte auf jeden Fall auch auf die kleinen Signale achten und den Hund nicht überfordern.

Grüße
Sabine S.