Lieber Guido,
so ein bißchen "Männlichkeitsbeschützen" klingt für mich schon aus Deiner Meldung, lach. Aber zum Thema "Spaß haben" überlege Dir mal bitte folgendes: Ein intakter Rüde, der eine läufige Hündin riecht und nicht zu ihr darf, leidet. Manche mehr, manche weniger - aber es gibt eine Menge Rüden, die vor Kummer bis aufs Skelett abmagern, weil sie in gewissen Zeiten das Futter verweigern. Und in den meisten Fällen ist es ja wohl (hoffentlich!!) so, daß der Rüde nicht einfach seinem Trieb folgen darf.
Einen Rüden aber einfach so an eine Hündin lassen, ist tierschutzmäßig einfach verantwortungslos. Was wird aus den (Mischlings-)welpen? Viele von ihnen landen, oft nach einem Umweg über diverse Besitzer, irgendwann im Tierheim. Und selbst die Paarung zweier Rassehunde ohne Vorwissen über Genetik ist schlichtweg hirnloser Blödsinn, denn genau auf diese Art werden jährlich tausende von körperlich und verhaltensmäßig gestörten Hunde produziert.
Wird also ein Hund - egal ob Rüde oder Hündin - nicht zur Zucht eingesetzt, steht das Thema Kastration an. Die Diskussion über Für und Wider ist recht kontrovers. Bei Hündinnen hat man nachgewiesen, daß eine Kastration die Neigung zu Gesäugetumoren reduziert, andererseits gibt es (bei Hündinnen und Rüden) immer wieder Fälle von Harnträufeln. Hündinnen, die zu Scheinträchtigkeiten neigen, wird man wohl immer kastrieren lassen, da diese Zustände für die Hündin äußerst strapaziös sind.
Trotz vieler Argumente, die für eine Kastration sprechen, sollte man sich immer klar machen, daß sie kein Allheilmittel für alle möglichen Störungen ist. Das Dominanzgebaren eines Rüden z.B. muß durchaus nicht durch eine Kastration behoben sein, vor allem wenn der Rüde zum Zeitpunkt der Operation schon einige Jahre alt ist. Da sitzt dominantes Verhalten nämlich nicht mehr nur in den Hoden, sondern auch im Kopf. Wir sollten uns auch mal klarmachen, daß Hunde Hunde sind und nicht ausschließlich nach menschlichen Kriterien gemessen werden dürfen. Und unter Hunden sind Kämpfe unter Rüden schlicht und ergreifend normales Verhalten. Sind beide Rüden ausreichend sozialisert, d.h. hatten sie genug Gelegenheit in ihrer Welpen- und Jugendzeit den richtigen Umgang mit anderen Hunden zu lernen, sehen solche Kämpfe zwar furchterregend aus, bestehen aber in den meisten Fällen aus reiner Schau. Die Beteiligten haben ab und zu mal einen Kratzer oder eine Rißwunde, aber selten schwere Verletzungen. Wir sollten also zunächst mal Abstand von der (menschlichen) Traumvorstellung nehmen, daß unser Hund sich gefälligst mit jedem anderen zu vertragen hat, weil das für uns bequemer ist. In Deinem Fall ist also durchaus zu überlegen, ob man nicht einfach akzeptiert, daß der Rüde halt nur mit Hündinnen spielen darf. Um zu vermeiden, daß er beim Anblick eines Rüden an der Leine ausrastet, gibt es wirksame Erziehungsmethoden.
Damit bin ich beim nächsten Punkt: Kastration ist NIEMALS ein Ersatz für Erziehung. Und eine Garantie dafür, daß der Rüde nach der Operation sich fortan freundlich jedem Rüden nähert, gibt es in keinem Fall. Vielleicht tritt sogar das Gegenteil ein: Es gibt durchaus intakte Rüden, die einen Kastraten deswegen attackieren, weil er geruchsmäßig nicht eindeutig einzuordnen ist. Er riecht weder nach Hündin, noch "richtig" nach Rüde.
Ein Grund, der wiederum für eine Kastration sprechen würde, wäre, wenn der Rüde deutliches Aufreitverhalten (bei Hündinnen und Rüden) zeigt. Bei einem geschlechtsreifen Rüden ist diese Art des Dominanzgebarens durchaus sexuell motiviert und damit hormonell beeinflußt. Eine Kastration würde in diesem Fall sicherlich eine Besserung des Verhaltens bringen. Wenn der Rüde also alles bespringt, was sich bewegt, würde ich einer Kastration zuraten.
Eines ist jedenfalls sicher: Der Rüde "leidet" nicht unter der Kastration. Er ist kein Mensch (kein Mann, lach), der sich darüber grämt, daß ihm nun was ganz Tolles entgeht. Dieses Bewußtsein fehlt ihm als Hund völlig.
Liebe Grüße,
Jutta