Liebe Michaela,
was ich in meiner Meldung angesprochen habe, ist das Ergebnis einer Untersuchung von Frau Feltmann-von Schroeder. Wie gesagt, führte sie diese an Dingos (die sich in vielen Dingen völlig anders verhalten als Wölfe) UND Haushunden durch. Ich selbst habe erst aufgrund ihrer Erkenntnisse angefangen, Hundebegegnungen diesbezüglich zu beobachten. Dabei konnte ich für mich feststellen, daß unter den meisten erwachsenen Hunden (ab ca. 2 1/2 Jahren) das Auf-den-Rücken-Drehen bei Fremden tatsächlich nicht gezeigt wird. Die unterlegenen Hunde machen sich stattdessen ganz klein, ducken sich auf den Boden und/oder zeigen Beschwichtigungslecken. Dabei signalisiert die gesamte Körpersprache Unterwerfung. Andererseits habe ich häufig beobachtet, daß z.B. in Junghundegruppen der am stärksten von den anderen attackiert wurde, der sich sofort auf den Rücken warf, während in Welpengruppen die anderen sofort ihre "Angriffe" einstellten. Ob das eine "Vorstufe" zu dem von Frau Feltmann beschriebenen Verhalten im Erwachsenenalter ist, weiß ich nicht.
Flucht passiert übrigens zu einem völlig anderen Zeitpunkt, nämlich dann, wenn der Flüchtende noch eine Chance zum Weglaufen sieht. Sind die Gegner zu nahe, wagt er diese in der Regel nicht mehr, wobei die individuelle Fluchtdistanz variiert. Insofern würde ich Flucht nicht als Alternative zur Unterwerfung sehen, sondern eher als Vorstufe. Haben die Hunde bereits Kontakt, würde der überlegene Hund auch kaum dulden, daß sich der andere ohne seine Zustimmung entfernt.
Erschreckend in Erinnerung geblieben ist mir eine Kampfsituation dreier sich fremder Rüden, ein großer Jagdhundmix, ein Schäferhund und ein Golden Retriever. Der Schäfer und der Jagdhund hatten als erste Kontakt und sich innerhalb weniger Sekunden in der Wolle. Der Retriever lief aus weiter Entfernung (Herrchens Rufen ignorierend) heran und blieb in ca. 6m Entfernung stehen, ohne sich einzumischen. Der Schäferhund siegte sehr schnell und erlaubte dem Jagdhund nach ganz kurzer Zeit, aufzustehen. Vorher hatte er ihn in Seitenlage auf den Boden gedrückt, die Zähne am Hals. Der Jagdhund blieb noch eine Weile geduckt stehen, mit allen Anzeichen von Unterwerfung. Bis auf einen Kratzer an der Lefze war er unverletzt. Der Schäfer wandte sich dem Retriever zu, der sich bereits beim Herankommen, noch bevor überhaupt Schnauzenkontakt aufgenommen war, schreiend auf den Rücken warf. Der Schäferhund ging drüber und biß ihn mehrmals tief in Bauch und Brust. Dann drehte er ab und lief wieder auf den Jagdhund zu, der sich duckte und den Kopf wegdrehte. Der Schäferhund hielt in ca. 2m Abstand an, erstarrte, fixierte den Jagdhund und stakste dann steifbeinig weg. Das Ganze passierte so schnell, daß keiner der drei Besitzer in irgendeiner Form eingreifen konnte. Dann ergriff der Besitzer des Schäferhundes die Gelegenheit, packte seinen Hund und leinte ihn an. Im selben Augenblick, wo der Jagdhundbesitzer ebenfalls seinen Hund nehmen wollt, spurtete dieser los und griff seinerseits den schreienden Retriever an. Er biß ebenfalls einfach zu, dann konnte ihn der Retrieverbesitzer an den Hinterläufen wegziehen. Gottseidank überlebte der Retriever den Angiff. Als ich ihn zusammen mit dem Besitzer zum Auto trug und die beiden zum Tierarzt fuhr, erzählte der Besitzer, daß dies bereits der vierte Angriff war, bei dem sein Hund auf ähnliche Weise verletzt worden war, ohne daß er selbst in irgendeiner Weise Aggression gezeigt hatte. Da der Schäferhund sich im vorherigen Kampf völlig korrekt verhalten hatte, scheint in diesem Fall das Fehlverhalten tatsächlich vom Golden ausgegangen zu sein. Nach Aussage des Schäferhundbesitzers, der uns zum Tierarzt gefolgt war, hatte sein Rüde bisher niemals einen anderen Hund ernsthaft verletzt.
Insgesamt kann ich ich also Frau Feltmanns Ergebnisse bestätigen, wobei ich allerdings auch einige Situationen erlebte, wo das Auf-de-Rücken-Drehen eines Hundes nicht mit Aggression des Gegners beantwortet wurde.
Liebe Grüße,
Jutta