Lieber Andreas,
eigentlich kann ich Dir nur zustimmen, es wurde noch nie so viel über die Gesundheit von Hund und Mensch geredet, noch nie so viel Geld für tolles Futter und Zusatzstoffe ausgegeben, wie heute. Jedem scheint die Gesundheit der Hund das höchste Gut und das allerwichtigste zu sein. Gezüchtet werden aber Hunde, die predestiniert sind sind für Gelenkschäden, HD, Über- und Unterbiß, Knochenfehlstellungen, Hautkrankheiten und sonstige Dinge. Schizophren, wenn man mich fragt.
Der Unterschied zu dem früheren Hundebild, dem Hund, der hauptsächlich auf gebrauchstüchtigkeit gezüchtet wurde, ist auch für Laien kaum noch zu übersehen. Schäferhunde werden immer flacher, Hovawarte immer größer und dünner, so daß die Verwechslung nicht schwer fällt, die Boxerschnauze immer kürzer. Die Rassestandarts werden entweder verändert, oder die Hunde einfach "kleingemessen", so daß sie wieder in den Standart passen.
Doch es ist eigentlich nicht das Aussehen, was mich betrübt. Besonders das wesen verändert sich immer mehr. Schäferhundzüchter, die eine neue Zuchthündin "brauchen", geben 4 Welpen zur Aufzucht in verschiedene Hände, einer kann vielleicht zum Schutzhund ausgebildet werden, oft auch das nur mit Ach und Krach. Der Beutetrieb fehlt in sogennanten Schönheitslinien oft völlig, so daß sie zum Arbeiten kaum noch tauglich sind. Der Hovawart wird nervös, aggressiv und hippelig, keine Spur mehr von dem ruhigen, arbeitsfreudigen, wesenssicheren Hund.
Beispiele hierfür gibt es in unendlichem Maße, Golden Retriever, die so ängstlich sind, daß sie sich hinter ihremn Besitzer verstecken, wenn ein Auto vorbeifährt, oder ein anderer Hund kommt, Herdenschutzhunde, die auf Grund von falscher Haltung und Aufzucht nicht mehr zu kontrollieren sind.
Ich kenne diese Probleme, und bin froh, daß ich rein aus Zufall an einen Züchter aus der ehemaligen DDr geraten bin, der zwar Hunde züchtet, die "nur" ein sehr gut auf Ausstellungen bekommen, dafür vom Wesen und vom Arbeitseifer einmalig sind, wenn auch nicht so einfach.
Ich denke aber auch, daß man nicht alle Rassehundezucht pauschal verurteilen darf. Viele Züchter mühen sich redlich, ihre Welpen bestens zu fördern und verzichten auf eine Zucht mit ihrer Hündin, wenn sie selbst es nicht für richtig halten, sie zu vermehren. Gerade für Anfänger und Familien ist es sicher von Vorteil, wenn sie vorher halbwegs einschätzen können, was für einen Hund sie bekommen. Und auch das Aussehen spielt eine Rolle, ich denke, davon sind wir alle nicht ganz frei, auch wenn die Geschmäcker verschieden sind. Die Erhaltung bestimmter Merkmale einer Rasse halte ich für richtig und auch absolut nötig, um Schäfern weiterhin ihren Hütehund, und Jägern ihren Jagdhund geben zu können.
Die Frage ist nur, in welcher Weise und mit welcher Priorität gezüchtet wird. Ich stimme Dir völlig zu: Besser ein Rüde mit Knickohr, als einer, der Wesensmäßig nicht kontrollierbar und aggressiv ist. Aber gerade Rassehundzüchter machen sich teilweise viele Gedanken um ihre Hunde und um die Zucht. Die Rassehundezucht zu unterbinden würde auch heißen, diese Züchter zu "vernichten", und das halte ich für einen falschen Schritt.
Geprüft werden müßten die Rassestandarts, die Priorität zwischen Schönheit und Wesen und die Arbeit der verschiedenen Vereine und Verbände, wobei ich deren Arbeit durchaus schätze.
So, ich hoffe, der Roman ist jetzt nicht zu lang geworden, aber über dieses Thema habe ich mir schon einige Gedanken gemacht,
Tschüß,
Rio und Eva