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Sinn der Rassehundzucht?

geschrieben von Andreas(YCH) 
Sinn der Rassehundzucht?
16. März 1999 18:42

Hallo an alle Interessierten,

dem Beispiel einiger anderer folgend möchte ich mal die Frage nach dem grundsätzlichen Sinn der Rassehundzucht in den Raum stellen. Nach intensiverer Suche und Durchsicht antiquarischer Hundebücher, die mindestens mehrere Jahrzehnte als sind und teilweise bis zur Jahrhundertwende zurückreichen muß ich feststellen, daß unserer heutigen Vertreter der einzelnen Hunderassen bessree Comicbilder und teilweise schon fast Karikaturen der damals gezüchteten Hunde sind.
Im Vergleich zu wirklich alten Aufnahmen von Hunden läßt sich meines Erachtens die ganz erhebliche Veränderung im Aussehen der Hunde überhaupt nciht übersheen. Insbesondere scheint bei nahezu jeder Rasse eine erhebliche Verkürzung des Fangs das züchterische Ziel gewesen zu sein, sei es nun beim Leonberger, Boxer, Chow-Chow (sah füher tatsächlich mal nach Polarhund aus) und so weiter und so fort. Ziel scheint hier eine Veränderung der Physiognomie in Richtung einer extremen Verniedlichung des Hundes zu sein, die schon puppenhafte bzw. an Zeichentrickfilme erinnernde Ausmaße annimmt.
Gleichzeitig muß ich ausgerechnet seitens einzelner Züchterverbände ein Wehklagen vernehmen, daß bei Ausstellungen zunehmend nervöse und in keiner Weise wesensfeste Hunde präsentiert werden. Für mich stellt sich hier die Frage, ob sich die Hunde neben ihrer zunehmenden optischen Entfernung ihres vormaligen Aussehens nicht auch längst von dem vermeintlich rassetypischen Charakter und Verhalten verabschieden.
Ich bin hinsichtlich dieses Themas selbst unschlüssig und unentschieden und habe zudem auch selbst enen Rassehund, ohne daß ich näher darauf eingehen will, wie er zu mir kam.
Ich frage mich aber doch ob man -wenn man die Rassehundezucht überhaupt bejahen will- nicht langsam eine Abkehr von der Verwendung der ach so prämierten und mit mit Pokalen versehenen Vierbeiner vornehmen sollte und statt dessen lieber mal der charakterfesteren Rüden mit dem schiefen Ohr oder der nicht völlig korrekten Schwanzhaltung zur Nachwuchserzeugung heranziehen sollte. Ich denke ein Umdenken wäre dringend geboten: Ohne jemanden zu nahe treten zu wollen: aber bei einem fast um sein Leben röchelnden Mops fällt mir nichts anderes mehr ein.

Regelmäßig stellen uns etliche Science-Fiction Filme und Bücher das Thema der Schaffung des perfekten oder gar gleichaussehenden und mit gleichen Fähigkeiten versehenen Menschen als künftige Bedrohung dar, gegen die wir uns dann -politisch korrekt- mit Entrüstung wenden. Gleiches gilt bei dem Gedanken an ein Klonen des Menschen. Erstaunlicherweise nehmen wir alle aber (der Verfasser immer eingeschlossen) genau dieselbe Verhaltensweise bei der Zucht von Tieren, insbesondere Hunden als völlig normal wahr und unterstützen diese noch tatkräftig mit unserer Forderung nach dem Nachkommen des Champions aller Klassen mit Stammbaum bis ins letzte Jahrhundert.

Ich bin durchaus gewillt zu verstehen, daß in früheren Zeiten eine Zucht entsprechend dem Gebrauchszweck des Hundes zeitgemäß und möglicherweise auch angebracht war. Für unsere heutige Zeit läßt sich dies doch aber nur noch sehr eingeschränkt festellen, da kaum noch ein Hund zu einem bestimmten Gebrauch gehalten oder gar benötigt wird. An diese Stelle tritt der Modehund. (Ist eigentlich jemandem aufgefallen daß vor einigen Jahren in den üblichen Damenkreisen schlagartig von einem Tag auf den anderen der Yorkshire-Terrier von dem Westhighland-Terrier ersetzt wurde?)

Laßt mal was von Euch hören: überhaupt noch Rassehundezucht und wenn ja, dann nicht völlig anders?

Viele Grüße,

Andreas


16. März 1999 19:57

Hallo Andreas,

ich kann dir nur zustimmen. Viele Hunderassen werden nach kindchenschema gezüchtet, wie z.B. Mops, franz. Bulldogge. Der Trend, die Hunde viel mehr nach aussehen als nach Charaktereigenschaften zu beurteilen ist sehr hoch. Wie sonst können sonst Qualzuchten, wie Basset, mittlerweile auch Bernhadiner, Bulldoggen etc. zustande kommen, wenn nicht die Leute mehr auf das Aussehen achten würden, als auf Gesundheit und gutes sicheres Wesen. Auch bei den Rassen, die noch relativ gesund sind, wird immer mehr auf seltsame Aussehenserscheinungen gezüchtet, wie beispielsweise beim deutschen Schäferhund (der abgeflachte Rücken...ich finds furchtbar), der eigentlich mal zu meinen Lieblingsrassen gehörte. Die Folgen sind Gelenkschäden, wie HD, überhaupt starke gesundheitliche Probleme. Das sind auch die hauptgründe, warum ich Mischlinge sehr bevorzuge. Ich brauche ersten keinen perfekten Hund, der äußerlich irgendwelchen vom Menschen festgelegten Standards (äußerlich) entspricht, der Papiere hat und aussieht, wie jeder andere Hund seiner Rasse auch aussieht. Ich finde auch hässliche Straßenköter toll, und wäre mein Hund hässlich, ich würde trotzdem denken, er wäre der schönste von allen.

Bis dann

Franziska

PS: Ich gebe zu, auch bei mir spielt das äußere Erscheinungsbild eines Hundes eine große Rolle, ich bin aber dabei, mich selbst umzuerziehen.

16. März 1999 21:23

Lieber Andreas,
eigentlich kann ich Dir nur zustimmen, es wurde noch nie so viel über die Gesundheit von Hund und Mensch geredet, noch nie so viel Geld für tolles Futter und Zusatzstoffe ausgegeben, wie heute. Jedem scheint die Gesundheit der Hund das höchste Gut und das allerwichtigste zu sein. Gezüchtet werden aber Hunde, die predestiniert sind sind für Gelenkschäden, HD, Über- und Unterbiß, Knochenfehlstellungen, Hautkrankheiten und sonstige Dinge. Schizophren, wenn man mich fragt.
Der Unterschied zu dem früheren Hundebild, dem Hund, der hauptsächlich auf gebrauchstüchtigkeit gezüchtet wurde, ist auch für Laien kaum noch zu übersehen. Schäferhunde werden immer flacher, Hovawarte immer größer und dünner, so daß die Verwechslung nicht schwer fällt, die Boxerschnauze immer kürzer. Die Rassestandarts werden entweder verändert, oder die Hunde einfach "kleingemessen", so daß sie wieder in den Standart passen.
Doch es ist eigentlich nicht das Aussehen, was mich betrübt. Besonders das wesen verändert sich immer mehr. Schäferhundzüchter, die eine neue Zuchthündin "brauchen", geben 4 Welpen zur Aufzucht in verschiedene Hände, einer kann vielleicht zum Schutzhund ausgebildet werden, oft auch das nur mit Ach und Krach. Der Beutetrieb fehlt in sogennanten Schönheitslinien oft völlig, so daß sie zum Arbeiten kaum noch tauglich sind. Der Hovawart wird nervös, aggressiv und hippelig, keine Spur mehr von dem ruhigen, arbeitsfreudigen, wesenssicheren Hund.
Beispiele hierfür gibt es in unendlichem Maße, Golden Retriever, die so ängstlich sind, daß sie sich hinter ihremn Besitzer verstecken, wenn ein Auto vorbeifährt, oder ein anderer Hund kommt, Herdenschutzhunde, die auf Grund von falscher Haltung und Aufzucht nicht mehr zu kontrollieren sind.
Ich kenne diese Probleme, und bin froh, daß ich rein aus Zufall an einen Züchter aus der ehemaligen DDr geraten bin, der zwar Hunde züchtet, die "nur" ein sehr gut auf Ausstellungen bekommen, dafür vom Wesen und vom Arbeitseifer einmalig sind, wenn auch nicht so einfach.
Ich denke aber auch, daß man nicht alle Rassehundezucht pauschal verurteilen darf. Viele Züchter mühen sich redlich, ihre Welpen bestens zu fördern und verzichten auf eine Zucht mit ihrer Hündin, wenn sie selbst es nicht für richtig halten, sie zu vermehren. Gerade für Anfänger und Familien ist es sicher von Vorteil, wenn sie vorher halbwegs einschätzen können, was für einen Hund sie bekommen. Und auch das Aussehen spielt eine Rolle, ich denke, davon sind wir alle nicht ganz frei, auch wenn die Geschmäcker verschieden sind. Die Erhaltung bestimmter Merkmale einer Rasse halte ich für richtig und auch absolut nötig, um Schäfern weiterhin ihren Hütehund, und Jägern ihren Jagdhund geben zu können.
Die Frage ist nur, in welcher Weise und mit welcher Priorität gezüchtet wird. Ich stimme Dir völlig zu: Besser ein Rüde mit Knickohr, als einer, der Wesensmäßig nicht kontrollierbar und aggressiv ist. Aber gerade Rassehundzüchter machen sich teilweise viele Gedanken um ihre Hunde und um die Zucht. Die Rassehundezucht zu unterbinden würde auch heißen, diese Züchter zu "vernichten", und das halte ich für einen falschen Schritt.
Geprüft werden müßten die Rassestandarts, die Priorität zwischen Schönheit und Wesen und die Arbeit der verschiedenen Vereine und Verbände, wobei ich deren Arbeit durchaus schätze.

So, ich hoffe, der Roman ist jetzt nicht zu lang geworden, aber über dieses Thema habe ich mir schon einige Gedanken gemacht,
Tschüß,
Rio und Eva

17. März 1999 09:49

Lieber Andreas,

der Hund als Begleiter des Menschen hat eine Entwicklung von ca. 14.000 Jahren hinter sich. In dieser Zeit entstanden viele Rassen, die teilweise heute nicht mehr existieren oder sich in anderen Rassen vereint haben. Dabei wurden immer wieder die Eigenschaften des Stammvaters Wolf durch Verpaarungen quasi neu gemischt und zusammengesetzt. Durch Inzucht innerhalb bestimmter Rassen wurde bewiesen, daß in ihr verborgene genetische Eigenschaften ruhen, die bei den Elterntieren nicht in Erscheinung traten. Gleichzeitig entdeckte man durch Kreuzungen unterschiedlicher Rassen, wieviel Erbgut vorhanden, aber nicht immer in gleicher Weise ausgeprägt ist. Diese grundsätzlichen Variationsmöglichkeiten gibt es auch bei wildlebenden Caniden, aber die Umweltbedingungen sorgen dafür, daß sie nicht in Erscheinung treten.

Hundezucht in der heutigen Form gibt es erst seit etwa 100 Jahren, aber bereits lange vorher wurden Hunde in Richtung bestimmter Anforderungen selektiert. Was die "Arbeitshunde" betraf, so kamen nur die in die Zucht, die entsprechende Leistung zeigten, dafür war das Aussehen eher zweitrangig. Bei bestimmten Typen war dabei beispielsweise besonders die Aggression gewünscht, bei anderen das Jagdverhalten. Parallel zu diesen entwickelten sich aber bereits "Modehunde", die vorwiegend in den oberen Gesellschaftsschichten Einzug hielten. Bei ihnen standen bald optische Kriterien - allen voran die Größe - bei der Selektion im Vordergrund. Da es keine Impfungen gab, existierte automatisch eine Auswahl in Richtung Gesundheit: Nur wer nicht erkrankte oder die Krankheit überlebte, konnte zur Zucht eingesetzt werden.

Erst mit den Erkenntnissen der Verhaltensforscher entdeckte man, daß die genetische Disposition nur eine begrenzte Auswirkung auf das tatsächlich gezeigte Verhalten hat. Dieses hängt letztendlich stark von den Erfahrungen ab, die ein Hund macht und die wiederum von den Umweltbedingungen, in denen er lebt, beeinflußt werden. Um entsprechende Vergleichswerte zu bekommen, war es nötig, möglichst gleiche Ausgangssituationen zu schaffen. Das war der Beginn der Rassehundezucht, wie wir sie heute kennen. Im Laufe der Zeit entdeckte man, daß eine Zuchtauswahl in Hinblick auf bestimmte Kriterien andere verschwinden ließ. Daraus entwickelten sich Zuchtformen, die zum einen ein einheitliches Bild einer Rasse prägten, zum anderen aber die berüchtigten Qualzuchten, die aus dem "alles-ist-machbar"-Gedanken entstanden.

Schließlich waren und sind es immer die Bedürfnisse der Menschen, die die Selektion der Hunde in bestimmte Richtungen beeinflußt haben. Insofern ist es als normal anzusehen, daß in einer Zeit, wo ein Großteil der Menschen in Städten lebt, der Bedarf an Jagd- und Hütehunden im klassischen Sinn zurückgeht. Das ist durchaus auch im Sinne der Hunde, da sie ihre ursprünglichen Eigenschaften und Bedürfnisse heute nicht mehr ausleben können, dafür aber andere Aufgaben zu erfüllen haben. Insofern widerspreche ich Deiner Aussage, daß Hunde heutzutage nur noch "Modegeschöpfe" sind. Lediglich ihr Einsatzbereich hat sich verändert. Zuchtziel wäre also derzeit, Hunde zu bekommen, die den Erfordernissen entsprechen - prinzipiell nichts anderes, als was seit Tausenden von Jahren praktiziert wird.

Das ergibt aber gleichzeitig einen Widerspruch: Soll nun das Bild einer Rasse, wie es in deren Ursprüngen gewünscht und nötig war, weitgehend erhalten bleiben oder müssen gravierende Veränderungen angestrebt werden? Letztendlich wird das sicherlich von der Verwendung der jeweiligen Rassen abhängen. Was dabei herauskommt, wenn man - vielleicht aus nostalgischen Gefühlen für die "Ursprünglichkeit" bestimmter Rassen - beispielsweise einen Herdenschutzhund in das "normale" Leben einer Familie eingliedern will, sieht man an vielen tragischen Beispielen. Eine Art "Zwischenstufe" ist bei bestimmten Hütehunden, allen voran der Border Collie, zu beobachten, wo in Ermangelung von Herden als klassischem Betätigungsfeld "Ersatzbeschäftigungen" wie Agility geschaffen werden.

Ein anderes Problem liegt in unserem Hang zur Exotik. In meinen Augen macht es keinen Unterschied, ob sich jemand für einen Mops mit tränenden Triefaugen entscheidet oder einen Husky in einer Zweizimmerwohnung hält: Das jeweilige Tier leidet - ob aus züchterisch erzeugten Defiziten oder völliger Mißachtung seiner ursprünglichen Anlagen und Bedürfnisse.

Es sind also in Bezug auf die Zucht von Rassehunden zwei Ansätze nötig: Zum einen die züchterische Verantwortung für die Anpassung der Hunde an die jetzigen Lebensbedingungen. Dabei dürfen rein optische Kriterien ebensowenig im Vordergrund stehen, wie "ursprüngliche" Verhaltensweisen aus einer Zeit, die völlig andere Anforderungen an die Hunde stellte. Zum anderen aber ist die Verantwortung der Hundekäufer gefragt. Sie bestimmen den "Markt", und solange es Menschen gibt, die sich mit krank gezüchteten Rassen schmücken oder triebstarke Hunde zu Kuscheltieren degradieren, wird kaum ein Umdenken erfolgen. Auch der Hang zu Billigpreisen hat hier fatale Auswirkungen. Nur was billig produziert wird, kann auch billig verkauft werden. Aus diesem Grund boomen die Geschäfte der Vermehrer und Hundehändler, die sich um das Idealbild einer Rasse in Wesen, Gesundheit und Aussehen keinerlei Gedanken machen. Denkt man über die Rassehundezucht nach, darf man nicht vergessen, daß solcherart produzierte Hunde das Image einer Rasse nachhaltig beeinflussen und schädigen.

Und was die Mischlinge angeht: Bei ihnen greifen dieselben Mechanismen, wie bei der Zucht von Rassehunden. Die individuellen Ausprägungen von Aussehen, Gesundheit und Verhalten sind sowohl anlage- als auch umweltbedingt. Ein Mischling ist nicht automatisch besser oder schlechter, nur weil er ein Mischling ist. Er ist das Produkt seiner Eltern und der Lebensbedingungen, denen er ausgesetzt ist. Auch ein Mischling wird - so er nicht verwildert lebt - geimpft, entwurmt und tierärztlich versorgt. Auch er kann an schwerer HD leiden oder robust jedem Wetter trotzen, mit dem Unterschied, daß bestimmte Dispositionen stärker vom Zufall bestimmt sind, was sich sowohl positiv als auch negativ auswirken kann.

Liebe Grüße,
Jutta



17. März 1999 11:35

Hallo,

ich finde es gut, dass verschiedene Rassen gezuechtet werden.
(Natuerlich von Qualzuchten abgesehen). Als ich mir ueberlegt habe, was ich
fuer einen Hund haben moechte, habe ich saemtliche Rassebuecher "durchge-
arbeitet um das passende zu finden. Erstens sollte es ein Hund sein, der
nicht zu gross, nicht zu schwer, aber auch nicht zu klein und zu leicht ist,
der mir Sicherheit gibt, weil er wachsam ist und der leicht zu erziehen ist.
(Fuer einen Anfaenger).
Ich war einfach zu unsicher, ob ich mit einem Mischling oder einem aelteren
Tierheimhund klarkommen wuerde. Denn da weiss man ja leider nicht, wie
sich so ein Tier entwickelt.
Jetzt koennte ich mir das schon eher zutrauen.

Eigentlich muessten sich nach dem neuen Tierschutzgesetz doch einige Rassen
aendern. Bulldoggen z.B. schnaufen wie Lokomotiven und koennen sich kaum
bewegen und bei manchen Rassen ziehen die Ohren und Lefzen so schwer an den
Lidern,dass sie kaum noch was sehen koennen und laufend Augenkrankheiten
haben. Ich bin mal gespannt, ob diese Sachen alle weiterhin vom VDH abgesegnet
werden.

Gruss, Juliane


17. März 1999 17:43

Hallo Andreas,

Deine Frage beschäftigt mich schon länger. Als Hundehalter denke ich, ich möchte mir meinen Hund wesens- und aussehensmäßig möglichst genau aussuchen, dann soll er verantwortungsvoll gezüchtet und aufgezogen sein. Damit bleibt nur ein Rassehund, also sollen bitte die Rassehundezüchter weitermachen (zumindest die seriösen).

Als Züchter frage ich mich allerdings viel kritischer, welchen Sinn meine Züchterei macht. Es ist sehr einfach, über die Zucht wesensfester, gesunder, leistungsstarker Hunde zu reden, aber die Umsetzung ist äußerst schwierig. Ich kann nur solche Merkmale züchterisch bearbeiten, deren erbliche Komponente ich erkennen kann. Das ist für körperliche Merkmale oft noch einfach, aber schon bei der Leistungsstärke spielt die Qualität der Ausbildung eine recht große Rolle. Beim Wesen sehe ich dann nur noch das Resultat aus Anlage und Umwelt und kann nur sehr bedingte Rückschlüsse auf die ererbte Veranlagung ziehen.
Angenommen, ich habe alle diese Informationen. Dann muss ich über Vererbung im allgemeinen Bescheid wissen und sollte den Erbgang der relevanten Merkmale kennen, um erkennbare Fortschritte erzielen zu können. Selbst wenn ich auch diese Information habe, stehe ich an einem Punkt, wo ich nicht alle meine Wunschziele gleichzeitig verwirklichen kann, d.h. ich muss Prioritäten setzen.

Die Sache läuft darauf hinaus, dass einer schreit, Du darfst keine Hündin einsetzen, die schon mal gezwickt hat (dafür hat sie hervorragendes instinktsicheres Verhalten bei der Welpenaufzucht), der andere schreit, Du darfst keinen Rüden mit schwachem Schutztrieb einsetzen (der aber kaum Defektgene für HD vererbt), der dritte schreit, Dein Hund ist viel zu ängstlich (aber er stammt aus einer Linie, die 3-4 Jahre älter als Rassekollegen wird). Einzig die äußeren Merkmale (Ohrform, Farben, Felllänge etc.) kann ich ohne Nachteile vernachlässigen. ABER WO BLEIBT DA DER RASSEHUND? Wenn die Hunde nicht mehr wie Schäferhunde, Rottweiler oder Westies aussehen, warum züchtet man dann Schäferhunde, Rottweiler oder Westies?

Antworten auf die Frage, wie man es denn richtig macht, haben findige Menschen ja schon veröffentlicht, wie z.B. H. Wachtel mit seiner "Hundezucht 2000". Genetik ist ein kompliziertes Thema. Populationsgenetik wird dann richtig statistisch, das versteht man kaum noch (Herr Wachtel übrigens auch nicht; zumindest konnte er mich nicht davon überzeugen). Er schreibt so viele Un- und Halbwahrheiten, dass man am Ende gar nicht mehr weiß, was man alles nicht glauben soll. Der Inhalt seines Buches: je homogener ein Hund, desto schlechter; je heterogener, desto besser! Selbst wenn es so wäre, dass nur ein heterogener Hund gesund sein kann, dann hieße das aber, dass Rassehunde kein einheitliches Aussehen haben dürften! Wozu also Rassehundezucht?(s.o.)

Jetzt hänge ich wieder an dem Punkt, wozu es Hunde geben soll, die ein bestimmtes Aussehen haben? Ist eine Hunderasse (selbst wenn sie jahrhundertelang als Gebrauchshund benötigt wurde) ein schützenswertes Kulturgut, das man um seiner selbst Willen erhalten muss? Wer braucht (wie in anderen Antworten angeklungen) einen Hütehund als Familienhund? Oder einen Jagdhund oder Schutzhund? Der Mischling, wie wir ihn heute haben, kann keine Alternative sein, denn er ist ja innerhalb ganz weniger Generationen (meist nur ein oder zwei) aus Rassehunden entstanden. Eine Antwort wären solche Hunde, wie sie vor Beginn der Rassehundezucht als Landschläge gezüchtet wurden. Auf Gebrauchsfähigkeit, d.h. heute auf Familien- und Umwelttauglichkeit, mit wenigen charakteristischen äußeren Merkmalen, die den Geschmacksvorlieben der Menschen gerecht werden: klein - mittel - groß, kurz- rauh- langhaarig, meinetwegen noch Hänge- oder Stehohren. Die Farbe kann man sich beim geborenen Welpen raussuchen. Jeder bekäme einen Hund, der in der heutigen Umwelt minimale Probleme verursacht. Die Züchter hätten eine solche Populationsgröße und Variationsbreite (nicht mehr wesensmäßig, versteht sich) und damit einen riesigen Genpool zur Auswahl, dass sie nur noch gesunde Hunde züchten könnten. Theoretisch, meine ich, müsste das funktionieren. In der Praxis fange ich damit nicht an, weil ich glaube, dass ich nicht genug Käufer finden würde, die einen solchen Hund haben wollen.

Ungeklärte Fragen zuhauf. Ich löse das Dilemma für mich, indem ich den letzten Wurf nur gemacht habe, weil ich daraus eine Hündin für mich behalten wollte (meine Rasse ist natürlich die einzige, die ich haben will). Für einen nächsten Wurf habe ich noch keinen Grund gefunden, deshalb passiert in meiner Zuchtstätte derzeit nix. Die Zeit wird ein klareres "Nein" oder "Ja" bringen, denn man entwickelt sich weiter.

Unüberzeugte Grüße von Sabine