Hallo!
Ein paar Beobachtungen und Feststellungen, sicher nicht nur auf dem philosophischen Aspekt begründet, sondern auf praktischen Erfahrungswerten des Kieler Instituts für Haustierkunde, zitiert aus:
Feddersen-Petersen, Doris: "Hund", in: H.H.Sambraus (Hrsg.), DAS BUCH VOM TIERSCHUTZ, Stuttgart (.19997), S. 245-296
"...Im Bereich der Rute gibt es beim (unkupierten) Hund über zehn
unterscheidbare Stellungen mit Signalfunktion, die im Zusammenwirken
mit allen anderen optischen Signalen maßgeblich an der Übermittlung
von Stimmungen beteiligt sind. ...
...Das Kupieren der Rute ... aus "Nutzungsgründen" (die nicht den
Terminus "unerläßlich" erfüllen, da bei anderen Rassen mit gleichen
Aufgaben nicht kupiert wird ...), ist als ... "Beschneidung der
Signalmotorik", grundsätzlich für alle Rassen abzulehnen...
... Vergleichende Untersuchungen zur Kommunikation und zum Sozialverhalten
an kupierten und nicht kupierten Hunden einer Rasse (Großpudel) ... belegen,
daß agonistische Interaktionen unter den Hunden mit kupierter Rute häufiger
zu verzeichnen sind. Auffällig dabei ist ..., daß unter den kupierten Pudeln
im agressiven Kontext... schneller zugebissen wird. Der Auftritt eines sozial
sicheren Rüden mit hoch aufgestellter Rute, die im distalen Bereich leicht
bewegt wird, wirkt langfristig Distanzvergrößernd und verhindert wirkungsvoll
Übergriffe mit Beschädigungsbeißen. Kupierte Ruten vermögen diese agressionshemmende
Wirkung offenbar nicht mehr auszuüben...."
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In den letzten 10 Jahren im Tierheim sind übrigens weder Doggen, noch Boxer, noch Dobermänner mit unkupierten Ohren durch irgendwelche Krankheiten oder Probleme an den Ohren besonders aufgefallen. Die Verletzungen von Ruten durch starke Bewegung und Anschlagen an den Zwingerwänden waren selten und dann über die verschiedensten Rassen verteilt. Auch Tiere mit dicht behaarter Rute waren darunter.
Es kam übrigens nie zu Brüchen sondern eher zu offenen Schwanzspitzen, die schlecht abheilten weil der Hund ständig wieder damit an die Kante der Pritsche oder die Wand schlug, bzw. an der verletzten Stelle leckte bzw. kaute: Beides Folgen der unnatürlichen Zwingerhaltung. Ich erinnere mich nur an zwei Fälle, wo aus diesem Grund ein Stück der Rute amputiert wurde.
Ob das nötig war, oder ob das Problem sich in einer anderen Umgebung schnell gegeben hätte, kann ich nicht beurteilen. Ich tendiere aber zu letzterem.
Die Idee des "Umzüchtens" halte ich für ganz gut. Wenn ein Hund sich in einer Umgebung, wo 95% aller anderen Hunde keinerlei Probleme haben, ständig verletzt, sollte man sich die Frage stellen, ob man den richtigen Hund für seine Umgebungsverhältnisse hat, oder ob man nicht lieber eine andere Rasse wählt, statt den Hund "zurechtzuschneiden".
Wenn man auf diese bestimmte Hunderasse wegen ihres Charakters nicht verzichten will, so sollte man sich wirklich Gedanken über züchterische Maßnahmen machen. Allerdings ist den meisten Hunderassen nicht anzusehen, daß die Gesundheit bei ihrer Züchtung oberstes Ziel war. Es wäre schön, wenn das Kupierverbot dazu beitrüge, Zuchtarbeit in diese Richtung stärker zu fördern. Ein Traum?
Noch ein Hinweis zum oben erwähnten Buch: Die Artikel über Hunde, Hundeausbildung etc. von Feddersen-Petersen sind hochinteressant. Leider ist das Buch recht teuer, aber z.B. über Fernleihe in Unibibliotheken jederzeit zu kriegen.
Viele Grüße!
Eva