Mittlere Reizschwelle = Gefährlich ???
02. März 2000 12:57

Hallo,

in der Diskussion mit BM-Susi über Kupieren/Kastrieren ist der Vorwurf gefallen, daß bei einigen Rassen (= "Gebrauchshundrassen"winking smiley lt. Standart/Rasseprofil eine "mittlere Reizschwelle" gewünscht wird. Auch fällt mir auf, daß sich hier im Forum oftmals mit Begriffen wie "Triebveranlagung", "Aggression", "Härte" usw. schwergetan wird. Ist es möglich, daß hier von Einigen in diese Begriffe der "Angstbeißer" hineininterpretiert wird, ohne daß sie sich über die Bedeutung dieser Begriffe im Klaren ist und die Auswirkung auf die Zucht vieler Rassen, wenn man Hunde mit mittlerer Reizschwelle, hoher Triebveranlagung, einer gewissen Härte und einem ausgeglichenen Aggressionspotential aus der Zucht nehmen würde? Mich würde Eure Meinung zu diesem Thema wirklich interessieren! Deshalb hier mal einige Definitionen für diese in meinen Augen neutral zu wertenden Begriffe, die auf einige wie ein rotes Tuch zu wirken scheinen. (Trotzdem bin ich der Meinung, daß man sie nicht durch andere Begriffe ersetzen sollte, wie es heute vielfach gemacht wird.)

Mit "Reizschwelle" wird die Mindestgröße eines Reizes bezeichnet, die bei einem Lebewesen eine Reaktion auslöst. Z.B. unterliegt ein Hund mit einer hohen Reizschwelle sehr schnell der reizbedingten spezifischen Ermüdung, so daß er als Arbeitshund nicht geeignet ist, da er immer wieder sehr starke Reize benötigt. Dabei ist der "Reiz" als Stimulus zu werten, der als physikalischer Zustand im Organismus eines Lebewesens zu einer Veränderung führt, und bezieht sich nicht, wie manchmal anscheinend angenommen wird, ausschließlich auf irgendwelche Arbeiten im Schutzdienst. Eine mittlere Reizschwelle ist für alle Arbeiten, die von einem Hund bewältigt werden können, notwendig, egal ob Schutzhund, Suchhund in allen Varietäten, Herdengebrauchshund, Jagdhund, Blinden- und Behindertenhund usw.. Die einzigste Aufgabe, die ein Hund mit hoher Reizschwelle problemlos bewältigen kann, ist die des Familienhundes. Mit allem anderen wäre er überfordert.

"Aggression" ist die Sammelbezeichnung für alle Elemente des Angriffs-, Verteidigungs- und Drohverhaltens. Dabei wird unterschieden zwischen innerartlicher und zwischenartlicher Aggression. Das Vorhandensein von Aggression ist lebensnotwendig. Auf der zwischenartlichen Aggression (bezogen auf Beute oder Feind) basiert der Beutetrieb und das Terretorialverhalten, auf der innerartlichen Aggression baut das gesamte Sozialverhalten auf. Beim Hund heißt das, wie bei allen anderen Lebewesen auch: Ohne Aggression kein Leben, da keine Rudelbildung, kein Sozialverhalten, keine Zusammenarbeit bei der Jagd usw.! Im Gegensatz zu dem Begriff "Aggression" bedeutet "Aggressivität" das Ausmaß an Angriffsbereitschaft eines Lebewesens, die aber durch mehrere Komponenten ausgelöst wird, also nicht alleine durch Aggression.

Der Begriff "Härte" bezeichnet die Fähigkeit, unangenehme Empfindungen und Erlebnisse hinzunehmen, ohne sich auf Dauer oder momentan wesentlich beeindrucken zu lassen. Sowohl der Arbeits- als auch der Familienhund brauchen ein gewissen Maß an "Härte" zur Bewältigung seiner Aufgabe.

Bereits Pawlow klassifizierte vier Haupttypen der höheren Nerventätigkeit. Wenn man sich damit ein wenig auseinandersetzt, wird ganz schnell ersichtlich, was einen guten Arbeitshund, egal in welchem Bereich, ausmacht und warum ein perfekter Arbeitshund eigentlich immer auch ein guter Familienhund sein kann, auch wenn diese vier Grundtypen nur selten in „reiner Form" vorliegen und es, glaube ich, eine Unterklassifizierung mit 64 Mischtypen gibt. Es wundert mich immer wieder, wie wenig sich Hundeleute außerhalb des SchH-Sportes damit beschäftigt. Wer es schafft, sich selbst in dieses Schema einzusortieren, für den wird auch ganz klar ersichtlich, welcher Typ Hund für ihn der geeignetste ist. Hier eine kurze Übersicht:

Melancholiker: schwacher Typ, niedrige Reizschwelle, u.a. ausgeprägter Fluchttrieb und hohes Meideverhalten, überwiegend gehemmt, ängstliches Gebaren; die psychische Belastungsgrenze liegt weit unter der der anderen Typen und auf ihn trifft der Begriff "Angstbeißer" am häufigsten zu; nur ruhige und ausgeglichene Menschen sind für so einen Hund geeignete Besitzer (= Sanguiniker), Melancholiker und Choleriker eignen sich nicht; dieser Typ Hund eignet sich für keine Aufgabe außer als „alamierender Wächter", da er nicht ausbildbar ist (man kann versuchen, ihn weitgehend in das Alltagsleben zu integrieren)

Choleriker: starker, unausgeglichener, leicht erregbarer Typ, niedrige Reizschwelle, u.a. ständige Erregbarkeit, ausgeprägter Wehrtrieb, oft überdreht und selten gehemmt, zügelloses Gebaren; bei diesem Hund müssen Haltung-, Umgangs- und Erziehungsumstände stimmen; auch hier ist der Sanguiniker der richtige Besitzer, dann leisten diese Hunde vor allem im Diensthundebereich ganz hervorragende Arbeit; dieser Typ Hund darf nicht von einem Choleriker geführt werden

Sanguiniker: starker, ausgeglichener, beweglicher Typ, mittlere Reizschwelle, u.a. ausgeglichene Erregungs- und Hemmungsprozesse, selbstständig und ausgeglichen, kontrolliertes Gebaren; er ist für fast alles der ideale Hund, eagl für welche Arbeit oder auch als Familienhund, da er verläßlich und kontrollierbar ist. Im Gegensatz zum Choleriker kommt er nach einer Errregungsphase sehr schnell wieder in die Ruhephase; er ist für alle Hundeführer-Typen geeignet mit Ausnahme des Melancholikers, sofern dieser ihm die menschliche Alpha-Rolle nicht deutlich machen kann

Phlegmatiker: starker, ausgeglichener, träger Typ, hohe Reizschwelle; ist der problemlose Familienhund, unterliegt aber sehr schnell der reiz- bzw. aktionsbedingten spezifischen Ermüdung, so daß er als Arbeitshund nicht geeignet ist, da er sehr starke Reize benötigt; er ist für alle Hundeführer-Typen geeignet, allerdings mit der Einschränkung, daß er als Arbeitshund nicht nerventätig genug ist

Gemäß dieser Klassifizierung weist eigentlich nur der „Ideal-Hund" (= der Sanguiniker) die mittlere Reizschwelle auf, die in der Zucht aller Arbeitsrassen gefordert wird. Und der entspricht nun wirklich nicht dem Bild des um sich beißenden, schwanzeinklemmenden, wesensschwachen Hundes, der auf Befehl Gott und die Welt anfällt. Vielmehr sind alle Arbeitshunde auf dieser Welt, die Blinde sicher führen, unter Schnee und Trümmern nach Verschütteten suchen, als Hüte- und Treibhunde an Rindern und Schafen eingesetzt werden, als Jagdhunde am Wild arbeiten, Rauschgift, Sprengstoff, Brandmittel und vieles mehr suchen und auch Personen sicher schützen, Sanguiniker bzw. Sanguiniker-Mischtypen mit mittlerer Reizschwelle. Und ich persönlich fände, die Welt wäre verdammt viel ärmer drann, wenn wir auf alle diese wundervollen Hunde verzichten müßten!

Die größte Gefahr unter den Hunden ist der Melancholiker (= nervlich schwacher Typ mit niedriger Reizschwelle), und der wird in keinem mir bekannten Standart gefordert. Bei den Arbeitsrassen, die vor der Zuchtzulassung eine Prüfung machen müssen, hat er kaum Chancen, in die Zucht zu kommen. Bei den reinen Gesellschaftsrassen passiert es wohl manchmal, z.B. wenn betreffender Hund ein Champion ist oder eine Rasse skrupellos vermehrt wird, weil sie zum Modehund aufgestiegen ist. Hier wäre eigentlich als unkomplizierter Familienhund der Phlegmatiker gefordert.

Viele Grüße

Antje



02. März 2000 21:48

Hallo Antje,

grinning smileyie einzigste Aufgabe, die ein Hund mit hoher Reizschwelle problemlos bewältigen kann, ist die des Familienhundes. Mit allem anderen wäre er überfordert.

Das stimmt so aber nicht. Viele Hunde mit hoher Reizschwelle sind ausgezeichnete Schutzhunde (Molosser). Du tust ja grad so, als wenn hohe Reizschwelle gleichzusetzen ist mit dumm, faul und träge. Ich denke auch, daß die sog. reizbedingten spezifischen Ermüdung nicht für alle Lebensbereiche des Hundes gilt, wozu er keine Lust hat, daß tut er eben nicht und dabei läßt er sich durch nichts aus der Ruhe bringen und er läßt sich nicht überreden.
Je niedriger die Reizschwelle wird desto nervöser und schneller wird ein Hund auf äußere Reize reagieren. Egal was für Reize !

:Wer es schafft, sich selbst in dieses Schema einzusortieren, für den wird auch ganz klar ersichtlich, welcher Typ Hund für ihn der geeignetste ist.

Leider denken da die allerwenigsten Menschen dran, bevor sie sich einen Hund anschaffen.

: Gemäß dieser Klassifizierung weist eigentlich nur der „Ideal-Hund" (= der Sanguiniker) die mittlere Reizschwelle auf, die in der Zucht aller Arbeitsrassen gefordert wird. Und der entspricht nun wirklich nicht dem Bild des um sich beißenden, schwanzeinklemmenden, wesensschwachen Hundes, der auf Befehl Gott und die Welt anfällt.

Ach wäre die Praxis doch so leicht wie die Theorie. Es gibt durchaus auch Hunde, die nicht die rassetypische Reizschwelle haben. Die dann miserabel geführt auf den Ärmel gehetzt, na schönen Dank. Ich habe auf verschiedenen Hundeplätzen solche Hunde gesehen und um die ging es mir. Diese Hunde wurden wegen ihrer Schärfe hochgelobt. Waren keinesfalls Familientauglich und deshalb 22h am Tag im Zwinger. Besagte Hunde gehörten alle zu den Rassen, die eine mittlere Reizschwelle haben sollten.

:Vielmehr sind alle Arbeitshunde auf dieser Welt, die Blinde sicher führen, unter Schnee und Trümmern nach Verschütteten suchen, als Hüte- und Treibhunde an Rindern und Schafen eingesetzt werden, als Jagdhunde am Wild arbeiten, Rauschgift, Sprengstoff, Brandmittel und vieles mehr suchen und auch Personen sicher schützen, Sanguiniker bzw. Sanguiniker-Mischtypen mit mittlerer Reizschwelle. Und ich persönlich fände, die Welt wäre verdammt viel ärmer drann, wenn wir auf alle diese wundervollen Hunde verzichten müßten!

Und nochmal, es SOLLTEN diese Hunde eine mittlere Reizschwelle haben.
Ich finde man müßte geforderte Merkmale und tatsächlich vorhandene Merkmale etwas genauer differenziert werden. Wenn es so wäre wie Du schreibst gäbe es nur unkomplizierte perfekte Hunde und wie wir alle wissen, lassen sich geforderte Wesensmerkmale auch ganz schnell ins negative verändern indem der Hund negative Erfahrungen macht. Dann kann tausendmal im Standard irgendwas festgehalten sein, es trifft auf diesen Hund nicht mehr zu. Und es gibt viele versaute Hunde auf dieser Welt.

Viele Grüße

BM-Susi

03. März 2000 06:05

Hallo Susi,

: Das stimmt so aber nicht. Viele Hunde mit hoher Reizschwelle sind ausgezeichnete
: Schutzhunde (Molosser).

Mit dem begriff "Schutzhund" meine ich Hunde, die für die Arbeit bei Polizei-, Zoll- und BGS geeignet sind. Dafür sind die Molosser ganz eindeutig nervlich zu unbeweglich, was ja auch klipp und klar in jeder Rassebeschreibung sthet.


: Du tust ja grad so, als wenn hohe Reizschwelle gleichzusetzen ist mit dumm, faul
: und träge.

Wie und wo habe ich das behauptet? Interpretierst Du das in den Begriff "Phlegmatiker"??? Dieser Begriff ist völlig wertungsfrei zu sehen! Würde ich einen reinen Familienhund suchen, dann wäre das so ein Hund, von dem ich in keinster Weise wollte, daß er dumm, faul und träge ist! Man sollte vielleicht erst einmal lernen, wertungsfreier mit solchen Grundbegriffen umzugehen.


: Ich denke auch, daß die sog. reizbedingten spezifischen Ermüdung nicht für alle
: Lebensbereiche des Hundes gilt, wozu er keine Lust hat, daß tut er eben nicht und
: dabei läßt er sich durch nichts aus der Ruhe bringen und er läßt sich nicht überreden.

Na prima, nur weil ein Blindenhund keine Lust hat, einen Bogen zu machen knallt sich Herrchen/Frauchen dann irgendwo die Rübe an? Weil der BGS-Hund gerade lieber an Kaninchen interessiert ist zeigt er eine Ladung Sprengstoff nicht an? Der Phlegmatiker braucht zu starke Reize, um zuverlässig in einer gewünschten Weise zu reagieren. Natürlich kann man ihm diese Reize geben, aber das halte ich nicht für Tierschutzgerecht.


: Je niedriger die Reizschwelle wird desto nervöser und schneller wird ein Hund auf
: äußere Reize reagieren. Egal was für Reize !

Stimmt, und wenn die Reizschwelle zu weit absinkt kann der Hund auch gefährlich werden, vor allem in Verbindung mit einem schwachen Wesen. Darum ist ja auch die "mittlere", nicht die "niedrige Reizschwelle" gefordert.


: Ach wäre die Praxis doch so leicht wie die Theorie. Es gibt durchaus auch Hunde, die nicht die rassetypische Reizschwelle haben.

Zwar gibt es Rassen, die generell einem Nerventyp zugeordnet werden können oder bei denen einzelne Typen ausgeschlossen werden können, aber ich würde so eine Klassifizierung niemals ausschließlich rassebezogen sehen. Beim DSH z.B. können alle vier Grundtypen vorliegen, wobei ich persönlich keinen Choleriker kenne, beim Malinois hingegen habe ich noch niemals einen typischen Phlegmatiker gesehen; die Berner Sennenhunde, die ich kenne, waren größtenteils Bilderbuch-Phlegmatiker (bitte, bitte, bitte NICHT negativ gemeint!), andererseits kenne ich auch zwei Berner, die klassische Sanguiniker sind. Eine grobe Einteilung nach Rassen ist zwar möglich, aber bitte nicht pauschalisieren.


: Die dann miserabel geführt auf den Ärmel gehetzt, na schönen Dank. Ich habe auf
: verschiedenen Hundeplätzen solche Hunde gesehen und um die ging es mir. Diese
: Hunde wurden wegen ihrer Schärfe hochgelobt. Waren keinesfalls Familientauglich
: und deshalb 22h am Tag im Zwinger. Besagte Hunde gehörten alle zu den Rassen,
: die eine mittlere Reizschwelle haben sollten.

Zwar läßt sich der Grundtyp eines Hundes nicht verändern (nach Pawlow ist die Nerventätigkeit abhängig von der Dicke der Hirnrinde, und die kann man durch äußere Umstände nicht verändern), aber es gibt neben der Genetik auch so etwas wie "Prägung". Das "Wesen" ist ein empfindliches Gebilde, nicht nur beim Hund. Andererseits ist auch gar nicht gesagt, daß eine Eigenschaft, die ein Hundebesitzer an seinem Hund toll findet, z.B. "Schärfe" (wie genau definiert?), auch vom Zuchtverband so toll gefunden wird. Vor die Zucht (mit Ahnentafeln) haben die Götter die Zuchtzulassungsprüfungen gesetzt.


: Ich finde man müßte geforderte Merkmale und tatsächlich vorhandene Merkmale
: etwas genauer differenziert werden.

Was genau meinst Du damit?


: Wenn es so wäre wie Du schreibst gäbe es nur unkomplizierte perfekte Hunde ...

Wenn die Menschen alles richtig machen würden ja ...


: ... und wie wir alle wissen, lassen sich geforderte Wesensmerkmale auch ganz
: schnell ins negative verändern indem der Hund negative Erfahrungen macht. Dann
: kann tausendmal im Standard irgendwas festgehalten sein, es trifft auf diesen Hund
: nicht mehr zu

Wobei es hier auch ein Unterschied zwischen den einzelnen Nerventypen gibt. Der Melancholiker wird auf eine Falschbehandlung viel extremer reagieren als der Sanguiniker, bei dem es schon eine Weile braucht, bis sein Charakter verbogen ist. Ich sehe das immer wieder, wie manche Hunde auf ein einziges schlechtes Erlebnis reagieren (z.B. anhaltende Schußscheue, wenn sie einmal in Verbindung mit einem lauten Geräusch eine schlechte Erfahrung gemacht haben; beim Melancholiker sitzt das tief im Herzen, der Sanguiniker hat die Fähigkeit, so etwas nach kurzer Zeit zu überbrücken).

Kein Standart der Welt kann etwas daran ändern, daß es Menschen gibt, die ihre Hunde, wissentlich oder unwissentlich, falsch behandeln, prägen etc. Aber die "mittlere Reizschwelle" ist bestimmt nicht schuld daran, wenn Unfälle mit Hunden passieren. Die Hunde, die ich persönlich kenne, mit denen wirklich etwas passiert ist, waren entweder klassische Melancholiker oder aber der Vorfall wurde durch die unendliche Dämlichkeit von irgendwelchen Leuten hervorgerufen.

Viele Grüße

Antje


03. März 2000 07:07

Hallo Antje,

Nachdem ich Deine wirklich guten Ausführungen gelesen habe, ist mir bewußt geworfen, daß wir die richtigen Hunde für uns ausgesucht haben.
Wenn sich alle zukünftigen Hundehalter Gedanken machen würden, welcher Typ Hund zu ihnen paßt und die Züchter dabei beratend zur Seite stehen, das wäre der Idealfall.

Ich würde gerne noch über die Definition des Wortes „gefährlich" diskutieren.
Welcher Hund ist ein gefährlicher Hund?

Ist es der Hund mit niedriger Reizschwelle, der aufgrund seiner Erfahrungen lieber zuerst zubeißt, als abzuwarten ob die Situation wirklich bedrohlich für ihn ist?
Oder der Hund mit mittlerer Reizschwelle, dem die Beißhemmung aberzogen wurde und der auf einen bestimmten Reiz hin zubeißt?
Oder aber der Hund mit hoher Reizschwelle, der so lange gereizt wird, bis ihm die Nerven doch durchgehen und er dann beißt?
Oder der Hund, der aufgrund seiner Gene gepaart mit seinen schlechten Erfahrungen agressiv auf alles losgeht, was ihm zu nahe kommt.

Beispiel:
Unseren Pekinesen Sunny rechne ich zu den Phlegmatikern. Ihn bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Bei einem Besuch bei meinen Eltern, mußte ich ihn im Garten anbinden, damit er die Katzen meiner Eltern nicht durchs Gelände jagt. Nach einer Weile kommt mein Bruder und sagt zu mir, daß ich da aber einen gefährlichen Hund hätte. Bei mir standen nur die Fragezeichen im Kopf. Es hat sich dann herausgestellt, daß mein Bruder den Sunny solange geärgert hat, bis dieser ihn in die Wade gebissen hat, da er ja, weil an der Leine, nicht ausweichen konnte.
Seitdem besteht zwischen den beiden eine Abneigung, die sich darin äußert, daß Sunny jedesmal wild wird, wenn er meinen Bruder auch nur sieht. Ich passe jetzt immer sehr gut auf.
Es ist übrigens das erste und einzige Mal, daß Sunny jemals gebissen hat. Er ist jetzt 6 Jahre alt.

Oder ist unser Rottweiler Arco gefährlich, wenn er beim abendlichen Spaziergang sich neben mich stellt und knurrt, weil uns im Dunkeln ein unbekannter Mann entgegenkommt? Ich bekam dann zu hören: „Halten Sie ja Ihren gefährlichen Köter fest!"
Was ich natürlich getan habe, aber gar nicht nötig gewesen wäre, da Arco in solchen Situationen sowieso nicht von meiner Seite weicht. Aber das kann der Andere ja nicht wissen.

Ich denke, die Definitionen der Begriffe „gefährlich" oder „agressiv" sind oft sehr subjektiv eingefärbt. Klar in den Tierheimen sitzen viel sogenannte „Kampfhunde", von dene einige nicht vermittelbar, weil nicht mehr sozialisierbar sind. Aber kein Hund ist schon von Geburt an gefährlich oder agressiv. So wie auch kein Kind als Krimineller geboren wird.

Wann endlich fangen die Menschen an nachzudenken, und nicht immer nur pauschal zu urteilen?

Viel Grüße

Gaby

03. März 2000 07:38

Hallo zurück!

Also, das ist mir zu theoretisch! Sicher kann ich mit allem möglichen psychologischen Geschick einiges erklären. Alles aber nicht. Trotz hoher Hemmschwelle kann man für keinen Hund die Hand ins Feuer legen.

Ich hatte bisher schon einige Hunde und ich hat nicht interessiert, ob sie den 4 menschlichen (! und die PSycho weist immer wieder darauf hin, daß es sich hier nur um ein Eingruppierung von Menschen handeln darf) Charakteren handelt oder nicht. Jeder Hund hat natürlich eine Grundstimmung (vielleicht können wir uns auf dieses Wort einigen), die aber tatsächlich von Situation zu Situation und von Tag zu Tag gravierend ändern kann.

Wichtiger ist es, den Hund die Grundbegriffe eines Miteinander-mit-Menschen beizubringen, wer gescheiter ist soll noch mehr lernen. Da spielt es keine Rolle, ob es ein Labbi, oder DSH ist.

Besser als all dieses psychologische Gesuse ist es aber, den Hund als das zu akzeptieren, was er ist: ein domestiziertes Raubtier, das sich auch manchmal den Willen seines Besitzers widersetzt. Er ist kein Roboter.

Liebt eure Hunde, geht mit ihnen genügend raus und beschäftigt sie, das bringt mehr als das Darüber-Nachdenken, was es für Typen sein könnten und ob sie überfordert sind, wenn sie einen Reif von einem Ball unterscheiden sollen. ES SIND KEINE MENSCHEN, SONDERN EURE TIERE!

Also über sowas könnte ich mich aufregen, wenn ich nicht so phlegmatisch wäre!

Martin mit Mary




03. März 2000 11:28

Hallo Antje

: : Das stimmt so aber nicht. Viele Hunde mit hoher Reizschwelle sind ausgezeichnete
: : Schutzhunde (Molosser).
:
: Mit dem begriff "Schutzhund" meine ich Hunde, die für die Arbeit bei Polizei-, Zoll- und BGS geeignet sind. Dafür sind die Molosser ganz eindeutig nervlich zu unbeweglich, was ja auch klipp und klar in jeder Rassebeschreibung sthet.
:

Sorry, das ich mich einmische, aber ich muss Dir hier wiedersprechen. Es gibt durchaus Molosser welche für die Tätigkeit bei der Polizei und am Zoll geeignet sind. Meine eigenen Hunde, Boxer, gehören dazu. Boxer haben eine hohe Reizschwelle, sind aber ausgezeichnete Dienst- und Arbeitshunde. Etwas schwieriger auszubilden als der Schäfer sind sie zwar, aber sie verlieren dafür selten die Nerven. Und auch der Rottweiler gehört zu den Molossern, welchen ich aber im Gebrauchshundesektor zu wenig kenne.

Boxergrüsse, Sarah mit Dingo und Lexa, welche gestern mit 16 Wochen ihre erste Lektion beim Schutzdiensthelfer hatte. Uebrigens ein richtiger "Schäfernarr", aber er hat die kleine sehr gelobt!