Hallo Martin,
: Also, das ist mir zu theoretisch! Sicher kann ich mit allem möglichen
: psychologischen Geschick einiges erklären. Alles aber nicht.
In der Ausbildung und vor allem in der Zucht ist es aber wichtig, die Nerventätigkeit eines Hundes zu erkennen. In der Ausbildung passen nicht alle Nerventypen von seiten des Hundeführers und des Hundes zueinander, manche Typen beiderseits sind nicht für jede Aufgabe geeignet. In der Zucht sind Überlegungen, welche Zuchtpartner in bezug auf ihre Nerventätigkeit zusammenpassen, elementar.
: Trotz hoher Hemmschwelle kann man für keinen Hund die Hand ins Feuer legen.
Da hast Du ganz recht, Reaktionen eines Lebewesens hängen ja nicht ausschließlich von seiner nervlichen Veranlagung ab, sondern sind i.d.R. situationsbedingt. Aber es gibt große Unterschiede, wie einzelne Typen reagieren können und wer sich ein bischen mit der Typklassifizierung beschäftigt bekommt mit der Zeit ein Auge für brenzlige Situationen, was ja gerade in Bezug auf die Resozialisierung von Problemhunden ganz hilfreich sein kann.
: Ich hatte bisher schon einige Hunde und ich hat nicht interessiert, ob sie den 4
: menschlichen (! und die PSycho weist immer wieder darauf hin, daß es sich hier nur
: um ein Eingruppierung von Menschen handeln darf) Charakteren handelt oder nicht.
Da muß ich Dir widersprechen. Meiner Meinung nach ist es egal, um welches Lebewesen es sich handelt, da sich die Pawlow'sche Typklassifizierung auf Erregungs- und Hemmungsprozesse innerhalb des Körpers bezieht, die chemisch und physikalisch gesteuert werden. Und da ist es egal, ob es sich um einen Menschen, einen Hund oder einen Affen handelt.
Wichtig wird diese Klassifizierung, wenn es Probleme gibt. Manchmal passen bestimmte Hunde- und Hundeführer-Charaktere nicht zueinader. Choleriker + Choleriker ist eine ungünstige Konstellation, Choleriker + Melancholiker ist bestimmt auch nicht problemlos. Um Probleme zu lösen, muß man erst einmal die Ursachen erforschen. Das bedeutet auch ,daß der Hundeführer u.U. stark an sich selbst arbeiten muß, denn dem Hund fehlt dazu die Einsicht; für ihn ist sein Handeln immer richtig. Im Diensthundebereich kann man oftmals erleben, daß ein Hundeführer mit einem Hund große Probleme hat. Werden die Hunde getauscht und z.B. der Choleriker-Hund bekommt einen Phlegmatiker- oder Sanguiniker-Führer, lösen sich Probleme manchmal in Luft auf. Genauso kann ein sanguinisch veranlagter Hundeführer mit einem Hund mit phlegmatischen Tendenzen Leistungen erbringen, wovon ein phlegmatischer Hundeführer zuvor nur träumen konnte.
Oftmals suchen sich die Leute ja aus dem Bauch heraus den Typ Hund aus, der zu ihnen paßt. Ich habe noch niemals im Leistungssport ein erfolgreiches Team gesehen, daß sich typmäßig gegenseitig behindert hat, z.B. Choleriker + Choleriker. So Konstellationen gibt es eher dann, wenn man sich aufgrund von äußeren Merkmalen einer Rasse bei der Anschaffung beeinflussen läßt, ohne sich über deren und vor allem der eigenen Nerventätigkeit im klaren ist.
: Jeder Hund hat natürlich eine Grundstimmung (vielleicht können wir uns auf dieses
: Wort einigen), die aber tatsächlich von Situation zu Situation und von Tag zu Tag
: gravierend ändern kann.
Die Literatur gibt uns genug Lesestoff zu dem Thema, warum also von den dort gebräuchlichen Begriffen abweichen? Die "Grundstiummung", wie Du sie nennst (ich nenne sie "Nerventätigkeit"
, kann sich auch nicht von Tag zu Tag gravierend ändern, höchstens die äußeren Umstände, die einen Hund zu seinen Reaktionen veranlassen. Die Nerventätigkeit wird beeinflußt durch chemisch und physikalischgeregelte Erregungs- und Hemmungsprozesse und ist unter anderem, ich erwähnte es schon, abhängig von der Dicke der Hirnrinde. Sie ist nur schwer manipulierbar. Zwar kann man cholerisch veranlagte Menschen psychologisch schulen und cholerisch veranlagten Hunden beibringen, sich zu beherrschen, aber das müssen sie beide erst lernen.
: Wichtiger ist es, den Hund die Grundbegriffe eines Miteinander-mit-Menschen
: beizubringen...
Das eine soll das andere ja auch keinesfalls ausschließen. Nicht nur die Genetik, auch die Prägung ist wichtig!
: Besser als all dieses psychologische Gesuse ist es aber, den Hund als das zu
: akzeptieren, was er ist: ein domestiziertes Raubtier, das sich auch manchmal den
: Willen seines Besitzers widersetzt.
Da gebe ich Dir vollkommen Recht. Aber geht nicht beides? Die psychischen Grundzüge seines Hundes (und auch die eigenen) zu analysieren und den Hund in einer artgerechten Art und Weise als andersartigen Partner zu betrachten?
: Liebt eure Hunde, geht mit ihnen genügend raus und beschäftigt sie, das bringt mehr
: als das Darüber-Nachdenken, was es für Typen sein könnten und ob sie überfordert
: sind, wenn sie einen Reif von einem Ball unterscheiden sollen. ES SIND KEINE
: MENSCHEN, SONDERN EURE TIERE!
Auch hier schließt das eine das andere nicht aus, oder? Ich kann meinen Hund trotzdem wie einen Hund behandeln, nicht wie einen Menschen, obwohl ich erkenne, daß es ein Sanguiniker mit teilweise phlegmatischen Tendenzen ist, oder?
: Also über sowas könnte ich mich aufregen, wenn ich nicht so phlegmatisch wäre!
*grins* Bei einem Phlegmatiker wäre die Reizschwelle jetzt aber noch nicht überschritten gewesen. Also doch eher ein Sanguiniker mit mittlerer Reizschwelle...
Viele Grüße mit manchmal cholerischen Tendenzen
Antje