Mittlere Reizschwelle = Gefährlich ???
13. März 2000 06:24

Hallo Carola, Ira, Andreas und alle anderen,

momentan habe ich leider sehr wenig Zeit zum Schreiben und dieses Thema ist mir für "schnell mal zwischendurch" zu wichtig. Ich melde mich deshalb in ein paar Tagen noch einmal.

Viele Grüße

Antje

14. März 2000 20:11

Hallo Antje,

mach Dir bitte keinen Streß, mir geht es auch nicht viel besser....

bis bald

Carola


15. März 2000 11:41

Hallo Antje !

Irgendwie bin ich erst jetzt auf Dein Posting gestoßen. Da hast Du Dir ja eine Heidenarbeit gemacht - Hut ab ! Das jetzt alles inkl. Literaturverweisen zu kommentieren, übersteigt meine Zeit...vorneweg also: sorry dafür !

:Auch fällt mir auf, daß sich hier im Forum oftmals mit Begriffen wie "Triebveranlagung", "Aggression", "Härte" usw. schwergetan wird.

Das hat imo einen einfacheren Grund als den von Dir angeführten. Nicht mangelnde Sachkenntnis, sondern eine differenzierte Sichtweise ist der Grund dafür.

Nehmen wir doch einmal den Begriff "Triebveranlagung".

Was soll das den sein ? Jemand, der in Lorenzschen Kategorien denkt, denkt gleich an das psychohydraulische Modell...das ist Schnee von gestern. Dann assoziiert man sofort Begriffe wie "Spieltrieb", "Beutetrieb",... Diese (veralteten) Begrifflichkeiten weisen auf monokausale Antriebstheorien (sorry, der Begriff ist nicht von mir) hin. Diese "Denke" hat die moderne Ethologie hinter sich gelassen. Das Kausalitätsprinzip (Jede Veränderung in einem System hat eine Ursache) darf nicht so verstanden werden, daß jede Veränderung EINE (als Zahl) Ursache hat. Eine Veränderung hat zumeist eine Vielzahl von Ursachen, die in komplexer Weise Zusammenwirken. Deswegen ist der Begriff "Triebveranlagung" heute eigentlich nicht mehr gebräuchlich und viele Leute scheuen sich davor. Die "Triebveranlagung" müßte man ja schließlich "messen". Das aber kann man nicht, also macht es keinen Sinn, darüber zu spekulieren.

"Härte"

Ist, wie auch die Carola schon schrieb, ein völlig überflüssiger Begriff.

"Reizschwelle"

habe ich mal übersprungen. Da hat die Carola schon was zu geschrieben.

"Aggression"

Ist sehr komplex. Die von Dir angeführte Zweiteilung und die Zuordnung von Verhaltensweisen...

:Auf der zwischenartlichen Aggression (bezogen auf Beute oder Feind) basiert der Beutetrieb und das Terretorialverhalten, auf der innerartlichen Aggression baut das gesamte Sozialverhalten auf.

...greift zu kurz. Letztlich stammt diese Denke wohl noch aus der Zeit von Lorenz, der sogar von einem "Aggressionstrieb" sprach. Man weiß, daß aggressives Verhalten eine wichtige Funktion erfüllt. Es ist zumeist mit einem hohen Energieverbrauch behaftet, weswegen es der Fitness des einzelnen Individuums einen großen Vorteil bringen muß, sonst hätte die Evolution es ja nicht hervorgebracht. Eine sehr interessante Sichtweise des aggressiven Verhaltens bietet die Verhaltensökologie. Keinsfalls aber läßt sich aggressives Verhalten auf einen spezifischen Antrieb ("Aggressionstrieb"winking smiley zurückführen, aus dem sich womöglich noch andere, hierarchisch angeordnete "Untertriebe" ableiten.

: Der Begriff "Härte" bezeichnet die Fähigkeit, unangenehme Empfindungen und Erlebnisse hinzunehmen, ohne sich auf Dauer oder momentan wesentlich beeindrucken zu lassen.

Uff ! Sorry. Jetzt staubt es aber heftig. Diese Denke in uralten Mustern gehört schleunigst abgeschafft . Diese Fähigkeit läßt sich auch und vor allem auf Lernprozesse zurückführen.

[...Pawlow]

Die Reflexologie von Pawlow hat eine Menge Erkenntnisse gebracht, die z.T. auch heute noch gültig sind. Das ist gar keine Frage. Aus heutiger Sicht jedoch erscheint die Kategorisierung von Tieren nach Mustern wie "Melancholiker", "Choleriker", etc. schon fast belustigend (sorry!). Nur ein paar Stichworte, dann muß ich leider wieder aufhören, meine Mittagspause neigt sich dem Ende zu:

Hunde sind nicht "so, wie sie sind, weil sie so geboren sind". Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Temperamente, diese entziehen sich aber weitgehend einer exakten Defnition. Auch ein BC z.B. kann sehr "ruhig" arbeiten,genauso wie ein Berner "hektisch" sein kann. Dies hängt zu einem großen Teil von der Individualentwicklung, dem Umfeld, den Erfahrungen des Tieres ab. Die Einteilung in diese Typen bezogen auf ererbte Eigenschaften macht keinen großen Sinn. Wohl macht es Sinn, zu sagen, dieser spezielle Hund (das Individuum) sei für diese spezifische Aufgabe "gut geeignet" - allerdings ist das eine rein subjektive Entscheidung desjenigen, der das beurteilt.

Die von Dir angeführten Definitionen und Begrifflichkeiten besitzen bestimmt einen hohen historischen Wert. Wenn ich mir den Ausbilder-Ordner des dhv anschaue, dann liest sich das wie ein Geschichtsbuch. Es wird Zeit, daß da ein Umdenken stattfindet, und deswegen bin ich sehr froh, wenn die Leute Begriffe wie "Trieb", "Triebstärke", "Beute-, Spiel-, Wehr-, und was weiß ich-Trieb", "Härte", "Wesen", etc. sehr vorsichtig benutzen. Meine Lieblingstriebe aus dem dhv-Ausbilderordner sind übrigens "Geltungstrieb" und "Fluchttrieb" ....stell Dir mal einen gestauten "Fluchttrieb" vor .

Waren so meine Gedanken zu diesem (interessanten) Thema...

Ciao

Rolf