von blodwyn am 16. November 2009 16:38
Ich glaube, wir dürfen nie vergessen, wenn wir sagen "zum Glück können wir Tiere ja erlösen und Menschen nicht), dass wir dabei Herr über Leben und Tod spielen. Ich fühle mich in dieser Rolle äußerst unwohl! Auch wenn es vermeintlich nur zum Besten des Tieres sein soll: Sicher kann man sich nie sein. Ich weiß daher auch von Tierhaltern, die Euthanasie (grausames Wort übrigens) bei Tieren ablehnen.
Beim Menschen kann theoretisch jeder selbst entscheiden bzw. in guten Zeiten eine Verfügung treffen (wobei die Frage ist, ob die dann genau auf die kritische Situation passt, in der es im Einzelfall um Leben und Tod geht - niemand weiß, wie er mal dran sein wird). Ich habe sterbende Menschen getroffen, Krebspatienten ohne Chance auf Heilung, Menschen im Hospiz. Und ich habe mit ihnen und Ärzten über das Thema gesprochen. Die Meinungen waren sehr unterschiedlich. Aber die Quote derjenigen, die TROTZ einer ausweglosen tödlichen Krankheit noch LEBEN wollten, war ungeheuer groß. Der Arzt sagte wörtlich: "Wenn es einem gut geht, macht man eine Verfügung, dass man um Gottes Willen bloß erlöst werden möchte, sobald eine schlimme, unheilbare Diagnose vorliegt. Aus der Sicht eines Gesunden ein ganz normales Verhalten. Aber wenn sie dann in die Situation kommen, dass sie eine unheilbare Diagnose erhalten, dann hängen die gleichen Menschen plötzlich an ihrem Leben. Kämpfen, möchten nicht sterben und schon gar nicht einfach "erlöst" werden.". Ich finde das sehr anschaulich. Und es ist aus der Praxis eines Palliativmediziners. Natürlich wollen auch dort nicht alle Menschen leben. Aber eben viel mehr als man denken würde. Und daher ist das Thema "Sterbenhilfe" so schwierig. Man hängt im Ernstfall mehr am Leben oder hat eine andere Schmerzgrenze als in guten Zeiten.
Bei unseren Tieren ist es ein Stück anders, weil sie nicht rational oder emotional mit dem Thema umgehen. Sie nehmen es als natürlich hin. Das macht es einfacher einerseits, weil ihnen die Angst vorm Sterben fehlt. Aber eben auch schwieriger, weil man doch wieder als Mensch entscheidet und nicht weiß, ob das richtig ist.
Übrigens habe ich heute von einem Komapatienten gelesen, der aufgewacht ist. Der totgeglaubt war, aber lebt, spricht, kämpft und froh ist, dass er noch lebt. Was, wenn seine Angehörigen entschieden hätten, ihn zu "erlösen"? Sie merkten - und das deckt sich auch mit Gesprächen und Erlebnissen, die ich mit Wachkomapatienten und Ärzten und Angehörigen hatte - dass viel mehr an Außeneinflüssen zu den Patienten dringt, als man meint. Vielleicht haben sie trotz Koma auf ihre Art eine Lebensqualität. Sie lachen, weinen, zeigen Reaktionen, Gefühle. Wer will da entscheiden, sie sterben zu lassen???
Sabine