Clicker oder Clearing - Huhn oder Hahn? :: Clickertraining

Clicker oder Clearing - Huhn oder Hahn?

von Sabine Winkler(YCH) am 27. August 1999 00:07

Hallo, Carsten,

: Hast Du da keine Angst, daß der Hund schneller reagieren könnte als Du, und daß er Dir die Zähnchen ganz brutal in die Hand oder sonstwohin drückt?
:
: Ich habe vor solchen Aktionen Schiss!

Ich gebe Dir da durchaus Recht, obwohl sicher nicht jeder erwachsene Hund
gleich gefährlich werden muß, wenn man sich mit ihm körperlich
auseinandersetzt. Aber die Möglichkeit besteht immerhin, vor allem bei
einem Hund, dessen Vorgeschichte man nicht kennt und der eine gewisse
"Wehrhaftigkeit" besitzt. Vielleicht hat er ja bei seinem Vorbesitzer
schon gelernt, daß es Vorteile bringt, wenn man seine Zähne einsetzt,
ist vielleicht auch ein Angstbeißer. Gerade wenn er - als erwachsener Hund! -
in meinen "vitalen Lebensbereich" eindringt, führt oft ein körperliches Eingreifen
zu aggressiven Gegenreaktionen, denn ein Hund, der solches zu tun gewohnt ist,
hat bisher im Leben vermutlich den Eindruck vermittelt bekommen, es sei in Ordnung,
mit Menschen "rauh" umzugehen, d.h. also sich auf der Basis des "wer ist körperlich
überlegen" mit Menschen zu "kommunizieren". Da ist es dann echt besser, ihn kalt
stehenzulassen, als sein "Angebot" anzunehmen.

Aber oft kann man den Hund ja in seine Reaktionen doch sehr bald einigermaßen
einschätzen. Macht er irgendwie einen handscheuen, mißtrauischen oder ängstlichen
Eindruck, sollte man ein "handfestes" Durchsetzen von Verboten tunlichst vermeiden.
Ein gewisses Testen der Reaktion des neuen Hundes darauf, ob er fügsam oder eher
"aufmüpfig" ist, könnte z.B. darin bestehen, daß man ihn auch mal sanft und freundlich
körperlich manipuliert (ins Sitz drückt, ins Steh hebt u.ä.) und dabei seinen
Gesichtsausdruck und seine Körpersprache genau beobachtet.

Ist es ein an sich "netter" (also gut sozialisierter und nicht allzu sehr mit
schlechten Vorerfahrungen belasteter) Hund, dem nur noch nie jemand klar
gemacht hat, daß es im Umgang mit Menschen bestimmte Spielregeln gibt,
kann man im Prinzip mit Nackengriff usw. wie beim Welpen bestimmte Übungen
zum Tabuisieren durchführen (verweise auf die Beiträge unter "Wie das Nein
konditionieren"winking smiley und ihm dadurch klar machen, daß man mit "Nein" auch
Nein meint und sich Übergriffe auf den "vitalen Lebensbereich" verbittet.
Bis auf diese Ausnahme habe ich immer das Gefühl gehabt, daß es,
abgesehen vom Risiko, irgendwie würdelos für beide Teile ist, wenn man einen
erwachsenen Hund wie einen Welpen packt und runterdrückt o.ä. Das sollte
eigentlich bis auf ganz seltene Ausnahmen gar nicht mehr vorkommen oder überhaupt
vorkommen müssen, wenn der Hund einmal älter ist als - sagen wir mal über den
Daumen gepeilt - höchstens 1 Jahr.

Wenn ich also mit einem erwachsenen Hund zu tun bekäme, dem ich womöglich
auch nicht 100 % traue, weil er in bestimmten Situationen mißtrauisch guckt,
würde ich lieber auf jedes direkte Durchsetzen durch persönliches Eingreifen
verzichten und ein "Nein" durch z.B. Rasselbüchse, Wasserflasche usw. antrainieren.
Und mich im übrigen mit Hilfsmitteln wie Halti, Konsequenz, Auszeiten und
gezieltem Training "bewaffnen".

Ich glaube außerdem, daß die Diskussion darüber, ob man sich auch mal "durchsetzen"
muß oder nicht in den meisten Fällen ziemlich akademisch ist. Wenn man von Anfang
an dafür sorgt, daß es feste Regeln gibt und der Hund nur mit erwünschtem Verhalten
Erfolg hat (d.h. Belohnungen im weitesten Sinne nur für "Wohlverhalten"
bekommt), kommen in aller Regel die berüchtigten Situationen, von denen man vorher
befürchtet hat, daß man sich in ihnen doch auch einmal so richtig dem Hund gegenüber
"durchsetzen" muß, gar nicht erst vor. In diesem Sinne ist mir auch die so oft hochgejubelte
"Dominanz- oder Cheffrage" zunehmend egal. Solange meine Hunde eng an mich gebunden sind und
ich sie (per CT) besser "im Griff" habe als all die Jahre zuvor, ist es mir ehrlich gesagt
ziemlich schnurz, ob sie mich oder sich für den "Chef" halten.

Ich habe früher auch immer geglaubt, daß man sich doch an irgendeinem Punkt
der Erziehung einmal dem Hund gegenüber körperlich durchsetzen muß. Ein
40 kg schwerer angstbeißender Pflegehund hat mich eines besseren belehrt. Da ich
Angst vor ihm hatte und sowieso 14 Tage brauchte, bis ich ohne schnappen nach
seinem Halsband greifen konnte, habe ich einfach mit positiver Verstärkung begonnen
später auch mit dem Clicker) und bin nie an den Punkt gekommen, wo ich mich "durchsetzen"
mußte - außer daß ich ihm einmal von hinten einen Klaps mit dem Regenschirm auf den Kopf gegeben habe,
als er ein Auto anspringen wollte. Aber das war ja auch mehr etwas "unpersönliches"
wie eine Rasselbüchse oder Wasserspritze. Der Hund erreichte trotzdem in der
Ausbildung Begleithund-Prüfungsniveau, wurde in Begegnungssituationen (Stadt,
Menschenmengen) ausreichend vertrauenswürdig und ließ sich zunehmend von immer mehr
Personen seiner nächsten Umgebung "handeln", was zuvor unmöglich war. Was will man mehr?
Wen interessiert's unter diesen Umständen, wer hier wohl der "Boß" ist?

Viele Grüße, Sabine

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