Definitionsfrage an die SchH-ler
von Antje(YCH) am 26. September 2000 10:35
Hallo Yvonne,
mit Begriffen und deren Definitionen ist das so eine Sache, jeder interpretiert etwas anderes hinein. So ist für mich persönlich der Begriff "Schärfe" eher negativ und etwas, das ein Schutzhund gerade nicht haben sollte ("Schärfe" bedeutet für mich eine gesteigerte Aggressionsbereitschaft aufgrund von Unsicherheit), wo hingegen "Aggression" für mich ein neutraler Begriff ist und ein Hund mit "hohem Aggressionspotential" ein durchaus umweltverträglicher Hund sein kann. Gerade ältere Hundesportler gehen aber mit dem Begriff "Schärfe" so um wie ich mit dem Begriff "Aggression", und wenn man dabei jedes Wort auf die Goldwage legt, entstehen auf einmal Meinungsverschiedenheiten, obwohl man eigentlich das selbe meint.
Was ein Hund, der im SchH-Sport ausgebildet werden soll, auf jeden Fall braucht, ist "Belastbarkeit", was oft auch mit "Härte" ausgedrückt wird. Dabei ist nicht unbedingt gemeint, daß der Hund rein körperlich "hart" oder "belastbar" sein sollte, sondern auch seine Triebveranlagung (z.B. "belastbarer Spiel-/Beutetrieb", was bedeutet, daß der Hund nicht sofort sein Interesse verlieren sollte, wenn er nicht gleich zum Ziel kommt). Zu viel "Härte" in bezug auf körperliche Einwirkungen/Zwang steht der Eignung in Dienst und Sport übrigens entgegen, denn dann leidet die "Führigkeit" des Hundes, seine Bereitschaft, mitzuarbeiten und die Dominanz (nicht Brutalität) seines Hundeführers anzuerkennen.
Wichtig ist auf jeden Fall ein "ausgeglichenes Aggressionspotential". "Aggression" besitzt jeder Hund (wie jedes andere Lebewesen auch); ist diese Veranlagung ausgeglichen, dann wird ein Hund, wenn Aufzucht, Haltung und Prägung stimmen, nie überreagieren, auch wenn er eine "mittlere Reizschwelle" besitzt. Hat ein Hund ein geringeres Aggressionspotential, welches aber nicht ausgeglichen ist, dann kann er auch einmal überreagieren, genauso wie der Hund, der ein übersteigertes Aggressionspotential (und damit ja wieder nicht ausgeglichen) besitzt.
Das "Aggressionspotential" läßt sich ürigens in der Entwicklung eines Hundes nur schwer beurteilen. Gerade in der pubertären und vorpubertären Phase zeigen Hunde entwicklungsbedingt oft einmal eine "hohle Seite", sich in bestimmten Situationen nicht wesensfest (z.B. Phantomangst). Hier hilft einem nur, den Hund über einen längeren Zeitraum zu beobachten (z.B. wie wird er mit solchen Konflikten fertig). Gerade die Junghunde, die sich so gut wie nie von einer schlechten Seite zeigen, sind diejenigen, die später im großen Sport nie auftauchen. Vielleicht liegt es einfach daran, daß Hund und Mensch in der Entwiklung ihrer Persönlichkeit Konflikte brauchen, und wer vor dem dunklen Keller nie Angst gehabt und diese überwunden hat, dem fehlt irgendwo ein wichtiger Baustein für eine ausgeprägte Persönlichkeit.
Wie gesagt, es ist nicht einfach mit den Definitionen der einzelnen Begriffe. Wie soll man den otpimalen SchH-Hund beschreiben? Vielleicht mit: gut zu motivieren, trieblich ausgeglichen, aber im mittleren bis oberen Bereich liegend, selbstsicher, mit intaktem Sozialverhalten usw.? Wer sich einen schneidigen Malinois vorstellt, der wird dem vielleicht zustimmen können. Allerdings würde ein Bekannter meiner Eltern seinen älteren Cocker genauso beurteilen... Es hängt halt immer davon ab, was man in die Begriffe hineininterpretiert. Für den einen ist ein "hochmotivierbarer Hund" einer, der 15 Minuten einen Tennisball anbellt, der in unerreichbarer Höhe liegt, für den anderen einer, der einmal "Wuff" macht, bevor man ihm den Ball wirft.
Viele Grüße
Antje