Hallo Tanja,
Yvonne hat ja schon das grundlegende geschrieben. Es kommt ganz auf die Rasse an. Für Arbeitsrassen gibt es ganz spezielle Voraussetzungen. Ich gehe jetzt mal davon aus, daß es sich bei Deiner Rasse um eine Rasse handelt, die in erster Linie als Gesellschaftshund gehalten wird.
: Daher würde mich interessieren wie andere Verbände dies handhaben.
: Bzw. was Ihr alles für wichtig erachten würdet.
Wie es andere Verbände machen ist oftmals ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Besser ist es, sich mit klarem Kopf, ohne bereits in irgendwelchen Schienen zu denken, darüber Gedanken zu machen, was mit dieser Wesenprüfung erreicht werden soll. Die Zuchtlenkung erfolgt bei solchen Rassen ja leider in erster Linie über das Exterieur, obwohl jeder Zuchtverband nach außen hin sagt, die Gewichtung in der Zucht läge bei den Kriterien Wesen, Gesundheit und erst dann Anatomie, und zwar in dieser Reihenfolge. Jeder, der sich in der Hundezucht ganz allgemein ein wenig auskennt, weiß, daß das leider nicht so ganz stimmt. Ein Blick in die Zuchtbestimmungen reicht völlig aus, was zählt ist Anatomie, Anatomie und Anatomie...
Wenn Du verantwortlich bist für die Ausarbeitung einer Wesensprüfung, dann hast Du viel Verantwortung übernommen. Du bildest jetzt den Gegenpol zur Anatomie, und das ist nicht leicht. Zuerst solltest Du ganz klar den Einsatzbereich der Rasse definieren; welche Voraussetzungen muß ein Hund erfüllen, um dem Idealtyp seiner Rasse (im Wesen) nahe zu kommen. Und wie sieht der für diesen Einsatzbereich ungeeignete Hund aus. Das ist noch relativ einfach. Schwieriger wird es, nachzuvollziehen zu können, aus welchen Komponenten sich die erwünschten wesensmäßigen Eigenschaften zusammensetzen. Müssen gewisse Triebveranlagungen in der Rasse erhalten bleiben? Wo muß die Reizschwelle liegen? Wie hoch muß die Belastbarkeit der Hunde angesetzt werden? Wie schnell müssen die Hunde in ihren Triebbereichen wechseln können? In welchem Bereich liegen die Defizite der Rasse, was müßte verbessert werden, was erhalten?
Ganz grob läßt sich der optimale Familienhund als Hund mit einer mittleren Reizschwelle und hoher Belastbarkeit ("Härte"
definieren, mit mittlerer Triebveranlagunge, der zwischen den einzelnen Triebbereichen schnell wecheln kann. Das sind Hunde, die nicht schreckhaft oder ängstlich sind und leicht auszubilden. Sie können gut relativieren, d.h.
reagieren nicht über, z.B. wichtig im Umgang mit Kleinkindern.
Wichtig bei einer Wesensprüfung ist, daß sie innerhalb eines bestimmten Altersabschnittes abgelegt werden muß. Dann kann der Hundebesitzer durch geschickte Ausbildung Defizite im Wesen nicht übertünchen. Dann darf der Hundebesitzer nicht wissen, was auf ihn und seinen Hund zukommen wird, einzelne Übungen also nicht geübt werden können. Wenn man die mentale Belastbarkeit testet, ist es nicht wichtig, daß ein Hund in einer für ihn ungewohnten und bedrohlichen Situation nicht erschrickt, sondern viel wichtiger ist es, wie lange er danach braucht, um sich wieder "zu fangen" bzw. ob er danach überhaupt wieder in der Lage ist, innerlich runter zu schalten.
Mindestens mittlere Triebveranlagungen sind wichtig für die Ausbildbarkeit eines Hundes. Hier könnte man auch einfach auf's Endresultat schauen und eine Unterordnungsprüfung zusätzlich zur Wesensprüfung für die Zuchttiere vorschreiben. Bei vielen Gesellschaftsrassen wäre schon viel gewonnen für's Wesen, wenn man für alle Zuchttiere eine BH-Prüfung (mit Schuß!, denn hier werden oftmals gravierende Defizizte in der mentalen Belastbarkeit aufgedeckt) vorschreiben würden.
Viele Grüße
Antje