Sporthund - Diensthund -wehrhafter Hund :: Hundesport & Freizeit mit Hund

Sporthund - Diensthund -wehrhafter Hund

von Attila(YCH) am 17. Juni 2003 09:15

Hallo Leute,

im Rahmen des Threads "Schlegel/Neider", der eröffnet worden war, um kritische Stimmen gegen den flüsternden Wundermann aus der Schweiz zum Verstummen zu bringen, schrieb Andreas:

"Mir könnte ja der Schlegel schnuppe sein, aber mich verwundert, dass für viele immer der offizielle Hundesport der Maßstab ist. Wenn ich partout `nen wehrhaftren Hund wollte, dann würde ich dort nicht suchen. Da gibts jenseits dieses offiziellen Sportbereichs Hunde, die wirklich nicht zurückstecken, wenn es eng wird, auch wenn sie bei einer Meisterschaft keinen Blumentopf gewinnen würden, weil sie z.B. ein dämlicher Beissarm nicht interessiert. Scheint mir so, als würde Schlegel bei den von ihn an Polizei bzw. Gefängnisse verkauften Hunden auf andere Dinge Wert legen, als die Hundesportler."

In diesem Text drückt sich die weitverbreitete Überzeugung aus, daß nämlich ein Sporthund "nur" ein Sporthund sei (ein Hund, der ab und zu ein wenig Räuber und Gendarm spielt), ein Diensthund aber an der schlimmen Wirklichkeit gemessen werden müsse und Tag für Tag mit Leib und Leben für seinen Hundeführer und die hundehaltende Behörde einstehe. Beides seien zwei verschiedene Paar Schuhe. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps sozusagen. Diese Überzeugung kann ich nicht teilen. Diensthunde werden ganz überwiegend aus dem Sporthundebereich selektiert. Die sportliche Arbeit mit Hunden läßt die Veranlagung des Hundes eindeutig erkennen und kann auch seine Schwächen aufdecken. Ein kundiger und gewissenhafter Sporthundeführer kann sich eigentlich über die reale Wehrfähigkeit seines Hundes nicht im unklaren sein. Der Aufbau eines guten Sporthundes ist eine langwierige Arbeit, die mit ein wenig Ärmelbeißen lange nicht erschöpft ist. Entscheidend ist vielmehr, wie der Hund in den Ärmel geht, wieviel Druck er aushält, welche Barrieren er zu überwinden bereit ist, wieviel Härte er zeigt. Jeder gesunde und halbwegs ausgeglichene Hund läßt sich mit viel Aufwand und Geschick prüfungsreif trainieren - was aber wirklich in ihm steckt, zeigt sich erst unter entsprechender (nicht willkürlicher, sondern wohlgesetzter) Belastung. Ein Sporthund, der seine Prüfungen mit guten Punktzahlen besteht, muß also sicherlich nicht die Veranlagung zum Diensthund mitbringen. Umgekehrt läßt sich aber nahezu jeder Diensthund zum Sporthund umschulen.

Jener "wehrhafte Hund", von dem Andreas so selbstsicher schwafelte, den "ein dämlicher Beißarm" nicht interessiert, ist in Wirklichkeit ein Angstbeißer. Hunde dieses Schlages hetzt ein guter Helfer, bis sie mit eingezogener Rute in der Ecke stehen. Ein souveräner, guter Hund ist nämlich EINES nicht: grundlos aggressiv. Er hat das nicht nötig. Wird der Wehrbereich angesprochen, wird der Hund druckvoll und rückhaltlos nach vorn gehen, um sich sofort wieder zu beruhigen, wenn die Situation geklärt ist. Darauf beruht die ganze Helferaktion: das Reizen des Hundes, die Bewegung des Helfers, die Stockarbeit, das Einstellen und Auslassen. Parallel dazu wird aber dem "in Wirklichkeit" von einem Hund Angegriffenen der Rat gegeben, sich vollkommen ruhig zu verhalten oder sogar auf den Boden zu legen. Der nervenfeste Hund wird dann ablassen, der Angstbeißer wird sein Opfer möglicherweise töten. Der wehrhafte Hund ist ein Hund, der durch Belastungen und Schmerzen hindurch sein Triebziel anvisiert. Er ist immer auch ausbildbar und kontrollierbar. Der Angstbeißer, den "der dämliche Ärmel nicht interessiert", ist nicht wehrhaft.

Die einzigen Hunde, von denen ich mir vorstellen kann, daß sie dem Kriterium eines wehrhaften Hundes genügen, die sich aber für Schutzhundausbildungen gar nicht eignen, sind Herdenschutzhunde. Als selbständig handelnde Wächter über Herde, Haus und Hof müssen sie durch hohe, feste Zäune und starke Metalltore gesichert werden. Sie sind durchaus - Fremden gegenüber - gefährliche Hunde auch im Verständnis gewisser Verordnungen. Denn ihnen fehlt die Kontrollierbarkeit, der geheime Sinn jener so "dämlichen" Hatz auf den Ärmel. Den wehrhaften Hund jedoch, der auf Meisterschaften keinen Blumentopf gewinnen könnte, "im Leben" aber ein souveräner, selbstsicherer, jederzeit kontrollierbarer, letztlich auch einsetzbarer Hund ist, ein Hund ohne Ausbildung, der sich folglich selbst ausgebildet hätte - diesen Hund gibt es nicht, oder man soll ihn mir vorführen.

Gruß, Attila

von Eva(YCH) am 17. Juni 2003 10:01

Hi Attila,

ich weiß nicht, ob meine Geschichte nun hundertpro zu Deinem Thread passt, aber ich will sie trotzdem mal zum besten geben:

Vor Jahren hatte ich einen großen Mischlings-Rüden (BernerSennen/Nochirgendwas), der aussah wie ein wahrhaftiger Kuschelbär und auch so ein Gemüt hatte.
Ließ sich mit stoischer Geduld von fremden Kindern herzen und an den Ohren ziehen und sich im Kaufhausgewühl auf den Schwanz treten, ohne mit der Wimper zu zucken.

Als mir allerdings einmal ein "Herr" im Wald beim Joggen zu nahe treten wollte, hat er ihm flugs die Hose zerrissen. Zu Schlimmerem kam es nicht, weil es der Typ vorzog Fersengeld zu geben.
Als nach einem Autounfall ein fremder Helfer meine damals kleine Tochter aus dem Kindersitz heben wollten, hat er ihm eine tiefe Bißwunde am Arm zugefügt und keinen zu dem Kind gelassen.

Und auf dem Hundeplatz?
Sein Beutetrieb war zwar einigermaßen ausgeprägt, aber der Figurant wollte bald nicht mehr mit ihm arbeiten.
Als er ihm einmal den Schutzrm nicht sofort überlassen wollte und er mit der Peitsche herumfuchtelte, stand mein Kuschelhund total ruhig, aber böse fletschend und knurrend vor ihm und wäre ihm wohl alsbald an die Gurgel und nicht an den Ärmel gegangen, wenn wir nicht abgebrochen hätten.

Das war auf jenden Fall ein super nervenstarker, wehrhafter Hund.
Zum SchH-Sport leider nicht geeignet. Und als Polizeihund wohl auch nicht.

Eva

von Sören(YCH) am 17. Juni 2003 10:16

Hallo Attila,

ein klares "jein".... ;-))

Wenn wir uns im Hundesport vom "normalen" Ortsgruppenniveau weg bewegen und ein wenig auf hoher Ebene schielen, sieht das alles schon wieder anders aus. Wir reden hier über die Kür, also die Arbeit in Perfektion. Und wenn ich mir auf den Meisterschaften der letzten zwei bis drei Jahre einmal die Richtweise im Schutzdienst ansehe, dann hat man mit einem in erster Linie in Wehr- und Aggressionsbereichen agierenden Hund schlechtere Karten als einer der in erster Linie in den Beutebereichen gelagert ist.

Ich spiele auf die in meinen Augen übertriebene Bewertung des Griffverhaltens an. Jegliches nicht gleich volles Zufassen, kleinstes Knurren, leichtes Griffverändern ja manchmal sogar Kontern wird mit Punktabzug bestraft. Was läuft denn im Hund ab?? Gut... fangen wir vorne an:

Revieren: Klare Gehorsamsarbeit, sagt über Hundequalität nichts oder nur sehr wenig aus... man sieht nur ob er temperamentvoll ist oder nicht.

Stellen und Verbellen: ganz klar liegt die Zielsetzung in den Aggressionsbereichen... aber in der Realität??? Wenn der Hund durchbellt und sich nicht zum Hundeführer umsieht bekommt er i.d.R. die vollen Punkte. Ob er nun den Ärmel anbellt oder massiv mit blanken Zähnen den Blickkontakt zum Helfer sucht wir bestenfalls marginal bewertet... ist geht also eher um den "Klang" (bellt oder bellt nicht) als um den Ausdruck beim Verbellen.

Fluchverhinderung: Klare Beutearbeit, der Helfer flüchtet, die Beute bewegt sich... bringe ich fast jedem "Fliegenfänger" bei, sagt nur aus ob der Hund auf Beute anspringt oder nicht.

Angriff auf den Hund: Sagt bei einem guten, energischen Helfer sehr viel aus. Kontern oder Nachfassen bei den Stockschlägen oder bei Belastung ist fehlerhaft (beim wehrigen Hund aber normal und m. M. nicht rauszuarbeiten). Im Vorteil ist der Beutehund, der über den Beutetrieb die Belastung überspielt. Ein Hund der bei dieser Übung die vollen Punkte bekommt ist demnach als Diensthund tendenziell eher ungeeignet.

Rückentransport: Gehorsam... mehr nicht.

Angriff aus den Rückentransport: Der Hund, der aus der Beute einen wunderbaren "Flieger" macht, in den Helfer wuchtig einsteigt und dabei volle, feste, ruhige Griffe setzt ist im Vorteil. Auch hier steigen wehrige Hunde meistens nicht so wuchtig ein, Tempo kommt aus der Beute, nicht aus der Aggression.

Angriff aus der Lauerstellung: Also der "lange Teil"... mittlerweile ebenfalls zu einer reinen Beutearbeit mutiert. Einige wenige Helfer bekommen noch vor den Anbiß vernünftige Belastungsphasen hin, sind aber meistens durch die sehr starre PO zu sehr geknebelt und an der freien Entfaltung gehindert. Ich bewundere an dieser Übung meistens mehr die sportliche Leistung des Helfers als die des Hundes. Der wehrhafte Hund, der u. U. mal kurz peilt und nicht blind in die Beute springt ist eher im Nachteil.

Angriff auf den Hund... naja, siehe oben.

Was sagt uns das jetzt?? Bis auf das Stellen und Verbellen kann man mittlerweile bei perfekter Ausführung kaum noch erkennen ob der Hund in Aggressionsbereichen arbeitet oder nicht. Wenn er dann noch nach dem "Aus" eine Bannphase zeigt wird es noch extra schwierig. Kontern, nachfassen, leichtes Knurren, Arbeiten in den Helfer - alles Anzeichen für Wehrverhalten - werden mit Punktabzug bestraft.

Dazu kommt noch, das auch ein Hund, der einen ungeschickten Helfer anderswo als in den Schutzarm beißt sofort disqualifiziert wird....

Und wenn ich dann sehe, wie auf hoher Ebene teilweise die Fluchverhinderung gezeigt wird (der Hund liegt teilweise fast im Rücken des Helfers), dann können die Prüfungshelfer froh sein, das hier kein Hund startet der gerade in den Helfer "sticht" und zivil beißt... denn der Beißarm ist dann nicht das erste Körperteil das der Hund erreichen kann.

Wenn wir nun also alleine auf die hohe Ebene schielen, dann geht deine Meinung nicht auf... wobei ich natürlich auch davon ausgehe mit jedem Diensthund irgendwie eine bestandene Sportprüfung zu erreichen....

Viele Grüße

Sören

von Gaby mit Beira(YCH) am 17. Juni 2003 10:10

Hallo Eva,

als "alte" Hundefrau und -sportlerin danke ich Dir sehr für Deinen Beitrag, der meine eigenen Erfahrungen bestätigt: ein selbstbewusster Hund mit entsprechender Veranlagung weiss auch ohne "Ausbildung", was er im richtigen Moment zu tun hat. Und er weiss auch, wohin er beissen muss und beissen kann, wenn er denn ernsthaft beissen will und nicht dem Beutetrieb = Hetzärmel folgen will.

Viele Grüße
Gaby mit Beira (RR, für die eine "Schutzhundausbildung" abgelehnt wird, und die trotzdem wüssten, was zu tun ist...)

von Stefan(YCH) am 17. Juni 2003 10:32

: Hallo Attila,
:
: Die einzigen Hunde, von denen ich mir vorstellen kann, daß sie dem Kriterium eines wehrhaften Hundes genügen, die sich aber für Schutzhundausbildungen gar nicht eignen, sind Herdenschutzhunde. Als selbständig handelnde Wächter über Herde, Haus und Hof müssen sie durch hohe, feste Zäune und starke Metalltore gesichert werden. Sie sind durchaus - Fremden gegenüber - gefährliche Hunde auch im Verständnis gewisser Verordnungen. Denn ihnen fehlt die Kontrollierbarkeit, der geheime Sinn jener so "dämlichen" Hatz auf den Ärmel.

Richtig ist, dass sich diese Hunde keinesfalls für die Schutzhundausbildung eignen. Bei vernünftiger Sozialisierung und Behandlung sind sie aber sehr wohl kontrollierbar, nur eben nicht so unterordnungsbereit, wie die Gebrauchshunderassen im engeren Sinne. Ich kenn keine Zahlen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Beissvorfälle mit Herdenschutzhunden eher selten sind. Der Unterschied zu einem DSH ist neben schwierigen Unterordnung auch die körperlich Überlegenheit, was aber mit fehlender Kontrollierbarkeit nichts zu tun hat. Du darst auch nicht die bei uns über Generationen gehalten Hunde mit denen vergleichen, die tagtäglich ihren Dienst bei der Herde verrichten, aber selbst die sind keine blindwütigen Beißer. Ein Bekannter ist einmal in Spanien von zwei Mastin Espagnol gestellt worden. Er mußte warten, bis der Schäfer die Hunde zurückholte, aber die Hunde waren sich ihrer Stärke wohl bewußt. Ich geb dir allerdings recht, dass die Anschaffung in der heutigen Zeit sehr gut überlegt werden muß und dass dies oft nicht geschieht, sieht man in den Tierheimen.

Viele Grüße
Stefan

von P.H(YCH) am 17. Juni 2003 10:32

Tschau Sören,

Guter Bericht und Du hast auch recht, nun aber meine Frage, wo willst Du dann die Hunde sichten? Ein aktives Wehrkontern sollte halt nicht bestraft werden und ein Meidekontern belohnt. Die PO muss sich ändern, so dass der gute Hund, nicht bestraft wird und dass es die Fehler der Hunde aufdeckt.

Gruss P.H

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