Hallo Babara,
Die letzten Tage war mir nicht gerade zum Antworten zumute, aber da das Leben ja weitergehen muss, habe ich mich jetzt mal drangesetzt.
Zunächst einmal meine Hochachtung für dein Durchhaltevermögen und die Bereitschaft, immer wieder nach neuen Wegen zu suchen, um deinem Hund ein angenehmes Leben zu ermöglichen.
Ich schreibe einfach mal ein paar Dinge, die mir so spontan eingefallen sind. Bin nun auch keine professionelle Trainerin, habe aber einen Schäferhund, der einiges, was du erzählst auch gezeigt hat.
Zunächst zum Thema Verletzungsgefahr durch Schleppleine. Nachdem ich einmal reflexartig in die noch nicht gestoppte Flexi gegriffen habe, als Zasko einer Katze nachstartete, habe ich beim Umsteigen auf die Schleppleine von Anfang an und grundsätzlich mit Handschuhen gearbeitet. Ich benutze je nach Wetter verstärkte Baumwoll-, Leder- oder spezielle Kunstleder/faser- Reithandschuhe. Diese haben, finde ich, den Vorteil, dass sie zum einen recht stabil sind, zum anderen aber dünn und anschmiegsam genug sind, dass man noch genügend Fingerspitzengefühl und Griffsicherheit hat. Sie haben mich bisher immer gut geschützt, der Verschleiß an Handschuhen ist zwar übers Jahr nicht schlecht(aber alles redet doch davon, dass man die Konjunktur mal wieder ankurbeln muss ;-)), aber meine Hände sind jetzt immer heil geblieben. Außerdem habe ich immer eine lange Hose und knöchelhohe Wanderschuhe oder (wetterbedingt) Gummistiefel an. Das sieht dann zugegebenermaßen im Sommer bei 35°C im Schatten bekloppt aus, aber das ist mir meine Gesundheit wert und erstaunlicherweise habe ich nur recht wenig Kopfschütteln geerntet.
Zum anderen lasse ich immer nur soviel Schleppleine nach, dass sie locker auf dem Boden schleift, der Hund aber maximal 2-3 m Schwung holen kann (durch Straffung der Leine) wenn er losrast. Den Rest halte ich in Schlaufen auf der Hand. Zum einen kann ich den Hund so besser halten, zum anderen ist die Gefahr, sich in der Leine zu verwickeln bzw. das sich diese am Boden verheddert, wesentlich gemindert. Das klappt zwar nicht immer (z. B. wenn der Hund 20 m vor war und auf Ruf 'rankommt, oder ich seinen Ball schmeiße und er ihn wiederbringt, bin ich mit aufwickeln nicht so schnell, wie er da ist *g*), aber so zu 80% schätze ich mal funktioniert.
Ich habe mit einer 5 m Leine angefangen (10 m Leine, aber die letzten 5 m zunächst immer auf der Hand gehalten) und erst als das klappte (d. h. ich habe das Aufwickeln geübt und Zasko das nicht ständig hineinrennen) habe ich langsam immer mehr Leine freigegeben. Nachdem die 10 m erreicht waren, habe ich auf die 20 m Leine gewechselt. Das gleiche Spiel, erst nur 10 m gegeben, geübt, langsam mehr freigegeben.
Falls es dich tröstet, dass 'reinrennen in die Leine interessiert Zasko auch überhaupt nicht (sehr zum Erstaunen unserer Trainerin, die meinte, dass macht er ein paarmal und dann nicht mehr - Pustekuchen! Es ist zwar im Laufe der Zeit bei ihm wesentlich weniger geworden (war aber auch am Anfang längst nicht so schlimm, wie du es beschreibst) - es passiert jetzt nur noch, wenn Klein-Wild (Kaninchen, Hasen) irgendwo aufspringt oder er größeres Wild sieht. Sitzendes Klein-Wild steht er mittlerweile vor (habe das kurze Verharren vorm Durchstarten angeclickt und daraus langsam das längere Stehen geformt - aber so wie du deinen Hund beschreibst, gibt sie dir diese Chance nicht), Fasanen auch schon wenn sie weglaufen. Aber schon ist gut, ich übe jetzt auch seit 10 Monaten mit der Schleppleine.
Außerdem habe ich nebenbei an der kurzen Leine eine strikte Nicht-ziehen-Erziehung vorgenommen. Das hat bei ihm recht schnell funktioniert. Das habe ich dann auf die lange Leine übertragen. Ich habe mir zunächst mal gesagt, dass es mir erstmal nur darum geht, dass er nicht in der straffen Leine hängen soll. Und bin sofort weitergegangen, wenn die Leine schlaff wurde, egal ob sich der Hund zu mir umgesehen hat oder sonst was tat.
Irgendwann wollte ich dann erreichen, dass er zu mir kommt, wenn ich stehenbleibe. Dann passierte genau das:
: Wie bei Bloch beschrieben: ich stand schon 10 Minuten auf der Wiese und der Hund kam nicht....)
Und anfangs habe ich dann immer irgendwann aufgegeben, zumal ich insbesondere in unsern Morgenspaziergängen dadurch zeitlimitiert bin, dass ich irgendwann mal auf der Arbeit auftauchen muss ;-). Aber dann habe ich mir an einem sonnigen Wochenende die Zeit genommen, habe mich gemütlich auf die Wiese gesetzt und gewartet. Und zwar ca. 20 Minuten, bis mein Hund alles andere untersucht hatte, sich dann selbst gemütlich hingelegt hatte und irgendwann dann mal bei mir war. Ich musste das noch etliche Male machen (frag‘ mich nicht wie oft, ich hab‘ nicht mitgezählt, mit und ohne Verstecken), aber die Zeiten wurden kontinuierlich kürzer (Es sei denn, er hat ein Mauseloch gefunden, dann dauert es genausolange, bis er das Nest ausgebuddelt hat *g*). Einfacher wäre es sicher gewesen, einfach die Leine im Gras liegen zu lassen und wegzugehen, und zwar wirklich immer weiter ohne sich zu verstecken und möglichst schnell, damit der Hund merkt, dass man nicht auf ihn wartet. Da Zasko angstaggressiv auf andere Hunde und fremde Menschen reagierte, konnte ich dieses Risiko nicht eingehen und musste halbwegs in der Nähe bleiben und die Leine in der Hand behalten.
: Angucken geklickert: interessiert sie draußen nicht, weil sie ja auch keine Gutzis interessieren oder andere Formen der Belohnung....
Auch dieses Problem kommt mir bekannt vor. Zasko kannte, als er zu mir kam, Spielen überhaupt nicht. Es hat etwa ein Jahr gedauert bis er einem Ball wenigstens nachgelaufen ist, von wiederbringen keine Spur *g* . Das konnte ich ihm erst wesentlich später mit dem Clicker (zunächst natürlich im heimatlichen Wohnzimmer) beibringen (habe mit Clicken erst angefangen, als ich ihn schon 2 Jahre hatte). Ansonsten hat er anfänglich draußen nur auf Quitsche-Spielzeuge reagiert (mittlerweile tut’s der Ball Gott sei Dank auch, wenn er nicht mehr quitscht, die Quitsche hat er nämlich im Null komma Nichts im Ball "versenkt", aber die beste Belohnung ist weiterhin eine noch quitschende Vinyl-Wurst) (Diese Spielzeuge gibt es im Haus nicht, damit sie nicht langweilig werden. Er darf sie aber nach dem Erjagen immer mal eine Zeitlang tragen, vorher hatte ich den Effekt bekommen - "och erjagen lohnt nicht, muss ich ja doch abgeben!"
Normale Hundeleckerchen hat er draußen auch nicht genommen, ich habe dann alles mögliche durchprobiert und bin zunächst bei gekochtem Hühnchen und Käse gelandet. Mittlerweile ist es allergiebedingt Lammfleisch oder mit entsprechendem Dosenfutter vermengetes Trockenfutter (auch Diätfutter vom Tierarzt!). Ich kenne auch einen Hund, der nichts genommen hat, bis eine andere Hundebesitzerin (auch allergiebedingt) für ihren Hund Pferdefleisch mithatte. Da war er ganz wild drauf und ist es auch heute noch.
Vielleicht findest du ja doch noch irgendwas supergutes? (Damit dann übrigens nicht drinnen belohnen, es muss was besonderes bleiben). Was für eine Erkrankung hat sie? Sprich doch mal mit deinem Tierarzt, was sie eventuell doch darf. Je nach Grunderkrankung sind ja immer bestimmte Dinge erlaubt. Und fast alle Diätfuttermittel, die es beim Tierarzt als Trockenfutter gibt, gibt es auch als Dosenfutter. Und Zasko mag unser Gemenge aus Dose und Trockenfutter unheimlich gerne.
: Die riet mir nun, ich solle die Leine wieder in die Hand nehmen und ein Signal für das Leinenende geben (z.B. "Stop" , "warten" oder "Langsam"
, bevor sie reinrennt bzw. sie ranrufen.
Habe ich auch gemacht, allerdings zunächst an der normalen, kurzen Leine. Erst als er es da begriffen hat, habe ich es auf die lange Leine angewandt. Und dann bin ich auch strikt stehengeblieben, wenn er trotzdem in die Leine gelaufen ist. Und bin sofort wieder losgegangen wenn sie wieder locker war. Ist er nicht reingelaufen gab’s Click und weiterlaufen. Wenn ich vorher bemerkt habe, dass ihn da gerade irgendwo etwas besonders tolles lockt, bin ich mit ihm im Laufschritt dahin gelaufen. Belohnung ist nicht nur Leckerchen oder Spielzeug, gerade draußen gibt es viele andere Dinge, die der Hund gerne möchte, die man "umfunktionieren" kann. Auf Anraten einer Verhaltenstherapeutin habe ich das Mäuse suchen und buddeln verstärkt. Seitdem kann ich auch das recht gut als Belohnung einsetzen (z. B. als Belohnung wenn er irgendwas anderem nicht hinterherhetzt ist ("Guck mal, gibt’s hier M ä u s c h en?", oder fürs "Down", er muss vor einer "Mausträchtigen" Wiese erst "down" machen, dann gibt’s click und als Belohnung ab auf die Wiese). Das hat auch den Vorteil, dass - zumindest Zasko - auf Mäusesuche langsam stöbert und nicht wild herumrennt. Denn man muss ja konzentriert schnüffeln dabei. Einen Nachteil hat es allerdings auch - ich muss schließlich die Löcher wieder zuschütten *ggg*.
: 1. Kann der Hund eigentlich verstehen, was ich mit dem "Langsam"-Signal meine, nämlich, daß sie langsamer laufen soll, stehenbleiben oder so? Ich habe schon häufiger den Eindruck, daß sie "bewußt" langsamer geht, wenn ich es sage, aber meistens ist es ihr egal, ob sie in die Leine rennt oder nicht.
Ja, ich denke schon, dass sie es verstehen kann, aber das Laufen ist noch so wichtig, dass sie offensichtlich die Verknüpfung noch nicht kapiert hat. Ich würde aber wirklich nichts anderes verlangen, als eine etwas lockere Leine, kein Zurückkommen oder ähnliches, damit sie die Chance bekommt zu verknüpfen "In die Leine rennen - stopp" "Lockerlassen - Weiterlaufen"
: 2. Oder soll ich lieber ein eindeutiges Signal geben, auf das hin sie wirklich stehenbleiben muß, einfüühren? Aber dann mußß sie DAUERND stehenbleiben....
: 3. Oder soll ich sie lieber "JEDESMAL" zu mir heranrufen? S.O, dann muß ich sie DAUERND ranrufen?
Würde ich beides nicht machen, dann wird ihr - fürchte ich - der Spaziergang komplett verleidet. Es geht ja nicht darum, dass sie ständig kommen soll, sie soll sich ja "nur" in einem gewissen Umkreis aufhalten.
: Ach ja, nochwas: Zora ist mehrmals in der Woche 3 bis 7 Stunden draußen, die restlichen Tage gehe ich 1 bis 2 Stunden spazieren oder laße sie schwimmen. Zusätzlich machen wir täglich unsere Übungen und spielen auch noch in der Wohnung (Ich arbeite bislang zu Hause).
Heißt jetzt 3 bis 7 Stunden draußen im Garten oder tatsächlich spazierengehen? Bist du Marathonläufer? Wir sind täglich 3-4 Stunden unterwegs, am Wochenende auch mal länger. Ich habe bei Zasko festgestellt, das die Bindung zu mir stärker wurde, nachdem ich angefangen habe, anstatt im Wildfährten immer zu verbieten bzw. ihn von dort wegzuholen, gemeinsam mit ihm stöbern zu gehen. Jetzt verfolgen wir gemeinsam Wildfährten, untersuchen Wiesen auf Mauselöcher und schauen, hinter welchen Büschen Fasane sitzen könnten. Er "fragt" jetzt immer, ob wir diesen oder jenen Trampelpfad gehen könnten, oder vielleicht auf diese Wiese? Und mal gehen wir, und mal nicht. Wichtig ist, dass immer ich bestimme, wohin wir gehen und was wir machen. Er lässt sich mittlerweile auch beim Buddeln aus dem Loch abrufen, er könnte ja sonst die nächst spannende Fährte verpassen, wenn sein Leithund alleine weiterstöbert ;-)
Kann es sein, dass du soviel in der Wohnung mit ihr machst, dass sie, da sie ja zu Hause dich ständig um dich herum hat, du dich mit ihr beschäftigst etc, sie einfach kaum noch Bedarf hat, sich an dir zu orientieren, wenn ihr draußen seid und da tausend andere, spannendere Sachen locken? Ich könnte meinen Hund zwar auch nicht in der Wohnung ständig ignorieren, aber vielleicht kannst du die Aufmerksamkeit zu Hause doch mal einschränken und vor allem, nur du bestimmst, wann ihr was macht und was ihr macht. Und vielleicht doch irgendein supertolles Spielzeug drinnen nicht mehr geben (aber immer mal selbst damit herumspielen und zeigen, damit sie es haben will) und dann demonstrativ zum Spazierengehen einstecken und dann zunächst mal an einer ablenkungsarmen Stelle (z. B. Parkplatz, plötzlich ‚rausholen, damit weglaufen, und mit ihr damit spielen) und dann mal versuchen, ob’s langsam auch mit stärkerer Ablenkung klappt. Außerdem habe ich die Fütterung so umgestellt, das es nur max. 1/3 der täglichen Ration aus dem Napf gibt. Alles andere nur aus der Hand und nur gegen Vorleistung. Auch hierfür war das Clickertraining gut geeignet, da braucht man nämlich jede Menge kleine Bestärkungshappen...
: Noch was Kurioses: Vor kurzem habe ich angefangen mehrmals die Woche mit ihr Fahrrad zu fahren...
: Kann mir das jemand erklären, denn da verhält sie sich ja ganz anders als beim
: Spazierengehen?!?
Das schnelle Wegfahren hat gegenüber dem Verstecken einen großen Vorteil. Der Hund hat gelernt, dass sie dich an der Leine wiederfindet, wenn du irgendwie plötzlich verschwindest, deshalb sucht sie immer lustloser, du wartest ja... Aber wenn du schnell wegfährst und in Bewegung bleibst, dann muss sie ja hinterher, um dich nicht zu verlieren... Irgendwer (weiß leider nicht mehr wer), hat es auf die Art geschafft, dem Hund eine Art "Rennradhetze" beizubringen, die der so toll fand, dass er ihn vom Durchstarten dem Wild hinterher in die "Rennradhetze" rufen konnte. Das Rennen selbst ist für einige Hunde ja selbstbestärkend, und nach allem was du erzählst, könnte deine durchaus dazugehören.
Mit der schleifenden Leine bleibt aber natürlich ein Risiko. Und das du den Bauchgurt nicht verwenden willst, kann ich gut verstehen, ich habe da auch mal drübernachgedacht und es aus den selben Befürchtungen sein gelassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich 35 lossprintende Kilo "aussitzen" kann. Zasko lief am Rad (darf er leider gesundheitsbedingt nicht mehr) auch entweder komplett frei oder mit Halti an der kurzen Leine. Aber vielleicht schafftst du es ja durch positive Bestärkung, dass sie doch am Springer läuft? Dann kannst du zwar das "ihr Wegfahren" nicht ausnutzen, damit sie sich an dir orientiert, aber du kannst sie erstmal etwas müde fahren, und dann mit ihr das Leine laufen üben, denn wenn erstmal der übermäßige Bewegungsdrang weg ist und man eh schon etwas müde ist, hast du es leichter.
: Sorry, daß das Posting so lange geworden ist, aber ich finde das Problem auch relativ komplex
Eben, und die Antwort ist ja auch nicht kürzer *g*.
Wahrscheinlich hast du das alles eh schon mal gehört oder ausprobiert, aber vielleicht ist ja irgendwas dabei, das dir weiterhilft.
Und zu guter Letzt vielleicht noch eins: Halte weiter durch, ich habe Zasko jetzt 3,5 Jahre. Am Anfang habe ich vieles falsch gemacht, aber selbst da gab’s schon Fortschritte. Seit 2 Jahren macht er immer größere Fortschritte. Vor allem der Clicker hat uns viel weitergebracht. Aber er lernt wesentlich langsamer als andere Hunde. Ich habe mich darauf eingestellt. Wir haben schon viele Probleme in den Griff bekommen, an anderen arbeiten wir noch, aber es gibt immer Fortschritte, und wenn es nur kleine sind. Bei vielen Hunden, deren Vorgeschichte man nicht kennt oder die schon viel schlechtes erlebt haben sind zwei Dinge von entscheidender Bedeutung: Geduld und Zeit. Ich wünsche euch viel Glück,
Viele Grüße
Susanne und Zasko