Hat Ihr Hund Sie gut im Griff?
von Briard-Jutta(YCH) am 29. Dezember 1998 12:49
Liebe Veronika,
sicherlich mußt Du Deinen Hund nicht ständig und jedesmal aufscheuchen, wenn er irgendwo rumliegt. Aber eben immer mal wieder, so quasi als Erinnerung, daß letztendlich Du entscheidest, wann er liegenbleiben darf und wann er aufzustehen hat. Und wenn Du merkst, daß er sich seeehr widerwillig bequemt, sich zu erheben, dann bitte in nächster Zeit deutlich häufiger. Gerade in einer kleinen Wohnung (überschaubares Revier) werden gerne bevorzugte Liegeplätze gewählt, die besser nicht zum gewohnheitsmäßig beanspruchten Eigentum des Hundes werden sollten. Beobachte mal die bevorzugten Plätze Deines Hundes: Kuschelt er sich lieber in ein eher abgelegenes Eckchen? Dann kannst Du davon ausgehen, daß er keine übermäßigen Ansprüche an die Rudelführung erhebt, sondern sich mit einem Platz abseits begnügt. Auch den muß er natürlich SOFORT räumen, wenn Du es möchtest. Liegt er aber gerne "mitten im Weg", ist Vorsicht geboten. Diese Platzwahl ist keinesfalls zufällig, sondern an strategisch wichtigen Punkten orientiert. Von dort sollte er eindeutig öfter verschwinden müssen.
Daß Dein Hund an der Leine zu fliehen versucht, hat durchaus etwas mit Deiner Qualität als Rudelführer zu tun. Egal, ob man einen Rambo oder ein Blümchen an der Leine hat: Am anderen Ende sollte immer der Chef stehen, der seinem Hund signalisiert, wie er sich zu verhalten hat. Möglicherweise ist Dein Hund ja bereits ein- oder mehrmals angeleint attackiert worden. Dabei hat er dann die leidvolle Erfahrung gemacht, daß er hilflos ausgeliefert war. Du (oder jemand anderer) konntet ihn nicht beschützen, und er konnte nicht fliehen. Beobachte doch mal Deine eigene Reaktion, wenn ein fremder Hund auftaucht: Vielleicht faßt Du automatisch die Leine kürzer und/oder fester, versuchst Deinen Hund per Stimme zu beruhigen oder über ein Kommando zur Ordnung zu rufen, verlangsamst Deinen Schritt? Damit gibst Du ihm ein eindeutiges Signal, nämlich: "Vorsicht, Gefahr!" Gleichzeitig erhält er (vielleicht durch Beruhigungsversuche) die Bestätigung von Dir, daß sein Verhalten ok ist. Ein "Rambo"-Hund würde jetzt den Affen machen und sich in ein ordentliches Einschüchterungsgebell steigern. Ein "Blümchen"-Hund hätte nur noch eines im Sinn: Flucht.
In Deinem Fall wäre meine Devise: Kein "Lohn der Angst" mehr. Versuche statt dessen, zunächst Deine eigenen (automatisierten) Reaktionen in den Griff zu kriegen. Am einfachsten geht das in kontrollierten Situationen, also z.B., indem Du solche Begegnungen arrangierst. Bitte jemanden, mit seinem angeleinten Hund Dir zu "begegnen". Wenn Du weißt, daß der andere unter Kontrolle ist, wirst Du selbst ruhiger sein. Möglichst noch bevor Du merkst, daß Dein Hund den anderen fixiert, ist Ablenkung angesagt.Vielleicht hast Du ja ein Spielzeug, das Dein Hund toll findet. Mit dem versuchst Du, ihn zu motivieren. Deine Stimme ist dabei extrem fröhlich, keinesfalls beruhigend. Dabei wechselst Du ganz "zufällig" die Laufrichtung, so daß der andere einfach außer Sicht gerät. So kann Dein Hund nach und nach lernen, daß andere Hunde keine Gefahr für ihn bedeuten. Die Sicherheit, die Du ihm vermittelst, wird er spüren und sich entprechend verhalten. Du kannst den Beginn der Ablenkung mit einem bestimmten Kommando verbinden, z.B. "Schau, wir gehen hier lang!" Wenn Dein Hund dieses Kommando nach einer Weile mit Spiel verbunden hat, wird er in allen möglichen Situationen, wo Du es benutzt, freudig darauf reagieren. Begegnet Dir in einer unkontrollierten Situation eventuell ein freilaufender Hund, dann versuche ebenfalls möglichst geschickt Deinen abzulenken und schnell mit ihm in eine andere Richtung wegzugehen. Auch wenn Dir das vielleicht einige Umwege beschert, es lohnt sich. Die wenigsten Hunde laufen Dir dann noch nach, wenn zu Deinem Hund kein Blickkontakt mehr besteht.
Liebe Grüße,
Jutta