Hallo Conny,
die Frage ist erat einmal, ob es diesen sagenumwobenen "Welpenschutz" überhaupt in dieser Form, wie er allgemein dargestellt wird. Meiner Meinung nach nicht.
Welpen haben innerhalb ihres Rudels eine ähnliche Narrenfreiheit wie kleine Kinder in menschlichen Familien; und wie außenstehende Erwachsene einem fremden Kleinkind toleranter gegenüber sind als einem Erwachsenen gegenüber, so ist das auch ausgewachsener Hund einem fremden Welpen gegenüber. ABER !!!! Es gibt Regeln und Grenzen, sowohl bei den Menschen als auch bei den Hunden. Wichtig ist eine richtige Prägung, einmal für das Verhalten des Welpen und einmal für das Verhalten des erwachsenen Hundes. Ein Welpe muß die Ettikette lernen, und das läuft, auch im eigenen Rudel, nicht immer gewaltfrei (in unseren Augen) ab. Erst dann weiß er sich einem erwachsenen Hund gegenüber richtig zu benehmen. Und der erwachsene Hund muß bereits als Welpe die Ettikette gelernt haben, sonst kann er mit dem Verhalten eines Welpen nicht umgehen.
Bereits die Hündin übernimmt einen wichtigen Teil der Erziehung; kauft man einen Welpen, dessen Mutter bereits in der 5. oder 6. Säugewoche von den Welpen getrennt wurde (die Hündin nur noch zum Säugen zu den Welpen gelassen wird, was gerne aus Gründen der "Schonung" der Mutterhündin praktiziert wird), hat man bereits einen Hund erworben ,dem ein wichtiges Teil der Prägung fehlt. Meine Hündinnen knöpfen sich ab Anfang der 6. Lebenswoche die Welpen einzel vor und piesaken sie regelrecht; jeden Tag ist ein ander drann, und wer Pech hat, den erwischen sie auch mal 2 Tage hintereinander. Ein beliebtes Spiel ist das "Attackieren". Mama rennt mit Volldampf auf das Baby zu unt rammt es in Grund un Boden (es wird einem Angst und Bange beim Zuschauen). Das Kleine quietsch und kommt nach der 3. Attacke erst mal die nächste Stunde nicht unter dem nächsten Busch raus, von mama belauert. Mama ist clever und wartet nun, bis das Baby sich mitten auf die Wiese vorgewagt hat, dann ein neuer Angriff: Baby hat gelernt, quietsch und duckt sich im letzten Moment und Mama dreht ab. Das Spiel wiederholt sich und fortan duckt sich das Baby jedesmal, wenn Mama angeschossen kommt, mit dem Ergebnis, daß es nicht mehr über den Haufen gerannt wird. Das Verhalten wird auch sofort auf andere Hunde übertragen und mit 8 Wochen ducken sich die Kleinen, wenn sie einen älteren Hund begrüßen, immer kurz ab (wenn man es nicht weiß und nicht genau darauf achtet, sieht man das oft gar nicht). Der Alte merkt daran sofort "Aha, ein Baby" (zumal das Kleine ja meistens wie wild seine Schnauze beleckt) und benimmt sich entsprechend, IMMER VORAUSGESETZT er hat die Ettikette selbst erlernt. Bei einem gutgeprägten, wesensfesten ausgewachsenen Hund wird dem Kleinen jetzt nichts Ernsthaftes passieren.
ABER: was bedeutet nichts "Ernsthaftes"? Wenn eine meiner Hündinnen mit einem fremden Welpen so umspringen würde wie mit ihrer eigenen Brut, ich glaube, so manchem Welpenbesitzer ständen die Haare zu Berge; da ist nichts von wegen antiautoritärer Erziehung, die kleinen Monster werden oft recht rüde zurechtgewiesen. Rüden sind da meist duldsamer. Aber auch ein Rüde kann schon mal grob werden, wenn er meint, daß es für die Erziehung des Kleinen notwendig ist. So muß sich z.B. ein Welpe von Papa, der sich im Rudel so ca. ab der 6. Woche intensiver um die Kleinen kümmert, ohne Wiederworte auf den Rücken drehen und untersuchen lassen. Dabei ist es normal, daß ein Welpe auch mal pieselt, das ist einfach ein Zeichen von "ich bin klein, mein Herz ist rein, tu mir bitte nichts". Falls ein Welpe in dieser Zeit vom Rüden getötet wird , liegt das i.d.R. nicht daran, daß der Rüde "einen Sprung ind er Schüssel" hat, sondern daran, daß sich der Welpe bei solchen Aktionen, trotz der Prägung im Rudel, nicht instink verhalten hat (= natürliche Selektion).
Wächst ein Welpe auf, ohne ab und zu in die Schranken gewiesen zu werden, verhält er sich Menschen und auch anderen Hunden gegenüber nicht gemäß der "Ettikette", ihm fehlt der Respekt; bei einem Junghund von fast 3 Monaten (so ein richtiger Welpe ist er dann ja nicht mehr) geht da einem Althund schon mal die Hutschnur hoch und er zeigt dem Kleinen, was er zu tun und vor allem zu lassen hat, meist mit viel Getöse, um den Kleinen zu erschrecken, damit der wieder weiß, wo's langgeht. Richtig ernsthaft zubeißen tut er, wenn er wesensfest und richtig geprägt ist, nicht, sonst wäre der Welpe innerhalb von Sekunden tot. Nur einen gehörigen Schrecken hat der Welpe, und das war beabsichtigt, er soll sich die Sache ja z u Herzen nehmen. Uns Menschen tut der Zwerg natürlich leid, so verstört wie er ist, dabei hat sich der Althund nur den Respekt verschafft, den der Welpe i.d.R. vor uns nicht hat (aber haben sollte).
Wenn man weiß, daß der Welpe beim Züchter ordentlich geprägt wurde und die Benimm-Regeln gelernt hat, weiß man aber immer noch nicht, ob jeder fremde Hund diese gute Kinderstube auch hatte und er auch genetisch intakt ist. Ich lasse meine Welpen deshalb nur zu Hunden, die ich gut kenne, denn es ist mit zu gefährlich, daß meine Welpen mal an einen Psychopathen auf vier Pfoten treffen. Hinzu kommt, daß jüngere Hunde den Umgang mit dem Welpen nicht relativieren können, sie spielen einfach zu grob mit dem Kleinen (kommen in einem Rudel außnahmsweise mehrere Würfe zur Welt, dann spielen die älteren Welpen die jüngeren oft tot).
Es sollte natürlich nicht vorkommen, daß man irgendwo mutterseelenalleine auf einen freilaufenden Hund trifft, schon gar nicht so einen großen wie einen DSH. Aber so wie Du es beschreibst hatte er einfach nur sehr großes Interesse an dem Baby, hat sich aber normal verhalten. Daß er Dich angesprungen hat deute ich so, daß er vielleicht ein noch junger, unbeherrschter, temperamentvoller Hund war. Hätte er finstere Absichten gehabt, er hätte Deinen Ausführungen zufolge mehrere Möglichkeiten gehabt, Dich oder den Welpen zu ernsthaft beißen.
Wenn man von "Welpenschutz" spricht, muß man wissen, daß dafür eine vernünftige Prägung sowohl bei Welpen als auch bei älteren Hunden notwendig ist. Man muß auch bedenken, daß z.B. eine Hündin in freier Wildbahn sehr junge fremde Welpen u.U. tötet, auch dieses Verhalten ist instinktsicher und artgerecht und tritt z.B. bei nordischen Rassen oft auf. Und man muß sich von der Vorstellung trennen, daß ein Welpe oder Junghund (oftmals denken die Besitzer kalbsgroßer Junghunde, ihr Riesenbaby hätte nocht "Welpenschutz"
sich gegenüber einem erwachsenen Hund alles herausnehmen kann was er möchte, ohne zurechtgewiesen zu werden. Er wird lediglich ,wie ein Kleinkind, dabei mit mehr Nachsicht behandelt. Das kann aber in unseren Augen trotzdem recht ruppig abgehen, Hundeeltern halten wenig von antiautoritäter Erziehung.
Viele Grüße
Antje