Hallo Harr,
Du schreibst m.E. völlig richtig:
: 1. Der Hund weiss nicht, dass er nicht an der Leine ziehen soll.
: 2. Der Hund weiss auch nicht, dass er mit durchhängender Leine neben Dir
: laufen soll.
Ergänzung von mir, ich denke, er weiß auch nicht, daß er an der Leine zieht oder nicht, er ist sich über diese "Details" nicht bewußt.
: 1. unerwünschtes Verhalten (z.B. Zerren an der Leine) wird verboten,
: d.h. durch ein Abbruchkommando unterbunden.
: 2. erwünschtes Verhalten (z.B. mit locker durchhängender Leine neben Dir laufen)
: wird gefördert, d.h. belohnt.
Auch das ist völlig in Ordnung, wenn man sich der obigen Tatsache bewußt ist, finde ich allerdings diesen Weg sinnvoller:
A. unerwünschtes Verhalten wird "verboten", es folgt eine tatsächliche oder eine kontitionierte Strafe, erwünschtes Verhalten wird nicht vom HF beantwortet
-ODER-
B. erwünschtes Verhalten (an lockerer Leine Gehen) wird bestärkt, z.B. mittels Leckerchen, Lob, Clicker, Spiel, Beißwurst, etc., unerwünschtes Verhalten wird nicht beantwortet, lediglich Selbstbelohnung verhindert (stop bei ziehen, weitergehen bei nicht ziehen).
Das ist m.E. für den Hund die klarere Variante. Da er nicht weiß, was ich von ihm will, weiß er auch nicht, mit welchem Verhalten er Strafe/Verbot bzw. Lob/Bestärkung erntet, er erhält also die jeweilige Reaktion von mir aus seiner Sicht völlig willkürlich. Das macht mich für den Hund unzuverlässig, die logische Schlußfolgerung (an lockerer Leine gehen ist das Gegenteil von Ziehen und daher das erwünschte Verhalten) kann der Hund nicht verstehen, jedenfalls nicht so wie wir das verstehen, er "probiert" allenfalls verschiedene Verhaltensvarianten aus und bleibt dann bei der Erfolgreichen hängen.
Mein Bestreben ist es aber, Du schreibst es selbst weiter unten, verlässlich zu sein, daher muß ich bemüht sein, meine Reaktionen auf das Verhalten des Hundes für diesen verständlich zu halten, das bedeutet, daß ich nicht mehrere Details zur gleichen Zeit üben darf und diese einmal mit Lob, das andere Mal mit Strafe beantworte.
Im Grunde genommen ist es gleich, für welche Variante ich mich entscheide, nehme ich die Variante A, lernt mein Hund über Meidverhalten, das funktioniert und ist bei gewaltfreier Anwendung genauso legitim wie Variante B, die mir persönlich lieber ist, in beiden Fällen muß ich weder handgreiflich werden, noch mit Ablenkung arbeiten.
: Dazu brauchst Du natürlich Regeln und eine klare Linie.
: Manche nennen das Konsequenz. Ich nenne es Verlässlichkeit.
Da gebe ich Dir absolut recht, allerdings muß diese Verläßlichkeit natürlich auch beim Training gewährleistet sein. Natürlich verstehen die Hunde das Differenztraining irgendwann auch, das kann man auf jedem Hundeplatz beobachten, wo meistens mit Lob UND Strafe (im weitesten Sinne) gearbeitet wird, aber in meinen Augen ist das ein unnötiger Umweg, man macht's sich und dem Hund unnötig schwer, leichter wäre es sicher, wenn man sich für eine klare Linie entscheidet.
: Belohnen kann man auf vielerlei Weise. Das kannst Du mit Loben,
: Clicker, oder sonstwas machen. Im Prinzip egal. Hängt auch
: stark vom Hund ab, was er als Belohnung empfindet.
Das ist ein wichtiger Punkt, denn gerade beim Ziehen an der Leine ist die Selbstbelohnung natürlich die gemeine Falle für den Hundeführer, d.h. wenn ich meinem Hund gelegentlich das Ziehen gestatte (weil ich z.B. unaufmerksam bin, keine Lust auf großes Kräftemessen habe oder einfach zu langsam reagiere) belohnt er sich für das Ziehen selbst und diese gelegentliche Belohnung sitzt viel tiefer, als meine Erziehungsversuche das wieder korrigieren könnten. Deshalb empfehle ich bei großen Hunden, die wirklich kräftemässig in der Lage sind ihren HF durch die Gegend zu schleifen das Halti um genau diese Selbstbelohnung zu verhindern. Damit alleine ist's natürlich nicht getan, Anneke hat das ja ebenfalls geschrieben. Aber auch wenn ich mal in eine Situation komme, in der ich das Ziehen nicht unbedingt verhindern kann/will, weil ich z.B. auf andere Dinge achten muß (z.B. beim Tierarzt) kann ich das Halti nur empfehlen. Wichtig ist einfach, der Hund soll nicht ziehen. Nie und zu keiner Zeit, auch nicht wenn jemand anders mit ihm Gassi geht, auch nicht, wenn ich verkatert bin oder eigentlich gar keine Lust habe im Regen rumzulaufen, etc....
: Noch eine kleine Anmerkung:
: Du kannst das alles auch ausschliesslich mit positiver Konditionierung
: (also ohne Punkt 1) erreichen, allerdings dauert es halt wesentlich länger
: und nach meinen Erfahrungen (Hundeschule) ist der Erziehungs/Ausbildungseffekt
: nicht sehr nachhaltig. Deine Erfahrungen bestätigen das ja auch.
Das würde ich nicht unbedingt sagen, man kann auch bei der postiven Konditionierung jede Menge verkehrt machen, so daß der Erfolg letzlich ausbleibt, das ist mir selbst gerade beim Thema Leinezerren passiert und gehört eben zum "Lernprozess" des Hundeführers dazu. Das ist aber auch nicht tragisch, denn es schadet nicht. Fehler bei aversiven Methoden haben da allerdings viel gravierendere Folgen, deshalb würde ich diese Dinge auch nur unter Anleitung empfehlen (und den geeigneten Trainer zu finden ist sicher nicht einfach).
Mir persönlich erscheint der Weg über Bestärkung des Nicht-Ziehens als der leichtere, da ich schon wegen meiner Gehbehinderung ("Glasknochenkrankheit"
auf ein verlässliches Verhalten in jeder Situation angewiesen bin, muß ich mir da wirklich sicher sein und da bin ich mit "Stop and Go" in Kombination mit gelegentlichem Bestärken bei "Nicht-Ziehen" (keine Leckerchen, allenfalls Schnüffeln dürfen am "Wunschort" oder Kontakt zum anderen Hund) schon ganz gut damit gefahren. Ich hab allerdings auch keine Hemmungen, auch heute noch in besonders brenzligen Situationen das Halti zu benutzen, die Alternative wäre evtl. ein Knochenbruch und da hab ich keine Lust drauf. Allerdings kommt das nur noch alle 2-3 Monate mal vor und hängt auch von meiner physischen Verfassung ab, normalerweise brauch ich das Ding längst nicht mehr.
Unten noch der Link zu einem Beitrag, den Doris Vaterlaus zu diesem Thema geschrieben hat und der mir ebenfalls sehr hilfreich war.
viele Grüße
Klaus