von Anke + Rico(YCH) am 10. Oktober 1999 01:30
Hallo Andreas,
in meinen Augen ist Schutzhundsport (SchH-Sport) nicht gleich SchH-Sport. Früher wollte ich auch nichts damit zu tun haben, wozu soll mein Hund beißen lernen, ich brauche keine Waffe, die ich aktiv gegen jemanden richten kann und verteidigen wird mich auch ein unausgebildeter Hund, wenn es denn wirklich einmal nötig sein sollte.
Dennoch mache ich heute SchH-Sport mit meinem Hund, aber die "moderne" Variante und nicht die "alte".
"Modern" heißt für mich: Der Hund spielt gerne mit Beute (Ball, Tau, Lappen etc.), hieraus entwickle ich ein Zergelspiel, nach und nach folgt das Spiel immer engeren Regeln, dabei ist die wichtigste (die aber auch im Alltag Priorität hat), dass ich nicht nur der Mitspieler sondern auch der Spielleiter bin. Wenn ich sage, es ist Ende, dann ist es das auch. Eine zweite Regel auf die ich Wert lege ist, dass nur in das Beutestück und nicht in Frauchens Hände, Gliedmaßen oder Kleidung gebissen wird (aber auch diese Regel gilt im Alltag). Als nächstes lernt der Hund, dass man dieses geliebte Spiel auch mit "rudel"fremden Menschen spielen kann, dass diese sich auch an die Regeln halten, Hund ihnen also vertrauen kann. Schritt für Schritt nähert sich das Spiel der Perfektion, der Prüfungsreife.
Wir führen das Stück "Räuber und Gendarm plus Polizeihund" auf, der Richter ist der Kritiker, der beurteilt wie überzeugend unsere Leistung war. Ich habe einen Schauspieler auf vier Pfoten, eben einen Sporthund, keinen Diensthund, der logischerweise anders gearbeitet werden muß. Bleibt die Frage, ob meine Spiel-Variante vom SchH-Sport auch zur Selektion für die Zucht von diensttauglichen Hunden reicht. Ich denke schon, denn auch hierbei können Helfer und Richter sehr wohl erkennen, in wie weit ein Tier psychische Stärke, Selbstbewußtsein oder wie auch immer zu nennen besitzt.
Mein Hund zum Beispiel liebt Zergelspiele, ist freundlich zu jedermann und ein psychisches "Weichei". Bei einem Helfer, der sich bewußt schwächer gibt, zeigt er einen für "Laien" schönen Schutzdienst. Und auf einer kleinen Vereinsprüfung hat er von einem "gnädigen" Richter auch relativ viele Punkte bekommen. Auf einer Ausleseprüfung hingegen, wo der Helfer eben aus diesem Grund schon ein ganz anderes Selbstbewußtsein, eine ganz andere Selbstsicherheit dem Hund gegenüber ausstrahlt, würde mein Hund sofort unsicher werden, was sich z.B. im Griffverhalten aber auch vielen anderen Kleinigkeiten sichtbar niederschlägt.
Auch mein Hund stellt also den Figuranten und verbeißt sich im Ärmel, zu "mannscharf" fehlt mir jegliche Definition, aber Aggression ist auf jeden Fall im Spiel, da hast Du recht. Ganz klar, denn mein Hund ringt mit dem Helfer um die Beute. Aber der Biß in den Ärmel ist nicht aggressiv gegen den Helfer gerichtet, sondern zeigt den Anspruch, den mein Hund auf diese Beute erhebt, er hat schließlich keine Hände zum Festhalten. Insofern finde ich hier die Bezeichnung "Griff" besser als "Biß". "Biß" ist für mich offene Aggression mit Verletzungsabsicht, "Abschnappen" Aggression ohne Verletzungsabsicht und das Festhalten eines toten Stück Beutes, eines Objektes hat mit Aggression nichts zu tun. Die Aggression im Schutzdienst sehe ich in dem WettKAMPF zwischen Hund und Figurant, beide versuchen durch Körpersignale den anderen zu beeindrucken, von ihrer Überlegenheit zu überzeugen. Offene Aggression der einzig nicht gestattete Weg, weder der Hund darf den Helfer beißen, noch darf der Helfer den Hund verletzen, ihm absichtlich Schmerzen zufügen. Und wie die Reaktion auf Schmerzzufügung ausfällt, ist glaube ich eher Typ abhängig und SchH-Sport unabhängig. Die einen (egal ob Mensch oder Hund) wehren sich sofort, die anderen reagieren praktisch gar nicht und noch andere meiden den Verursacher.
Mein Hund ist übrigens in aller erster Linie ein Familienhund, der sich möglichst optimal in alle Lebenslagen einpassen muß, Aggresion ist da überhaupt nicht gefragt oder gewünscht. Er trägt übrigens auch ein Brustgeschirr und läuft frei mit anderen Hunden. Warum mache ich dennoch SchH-Sport (neben anderem)? Weil es meinem Hund, mir und dem Helfer Spaß macht. Wäre es ein Vertreter der Gebrauchshundrassen käme vielleicht noch Zuchtauslese hinzu.
Und weil es mir und meinem Hund so viel Spaß macht, ärgere ich mich über die von Dir beschriebenen, aber zur genüge schon selbst beobachteten Vertreter der "alten" Variante. Diese sorgen nämlich dafür, dass ihr doch angeblich so heiß geliebter Sport ein schlechtes Image erhält und eines Tages noch verboten wird. Besonders übel ist, dass eben nicht "nur" Hundeführer sind, sondern auch Helfer, Ausbilder, Richter etc.
Da sind die, die mit der angeblichen oder vielleicht auch tatsächlichen Gefährlichkeit ihrer Hunde prahlen.
Da sind die, die Hunde immer noch nach den Ideen von 1920 ausbilden, für die Motivation ein Fremdwort und Zwang ein Allheilmittel ist.
Da sind die, die ihren Hund sozial isolieren und somit Unfälle jeglicher Art provozieren (unabhängig von absolvierter SchH-AUsbildung).
Da sind die, die ihre Hunde wegen "mangelnder Eignung" wie die Unterhosen wechseln.
Da sind die, die Hundesport mit Kampfsaufen verwechseln.
usw.
Diese Leute und ihre in meinen Augen oft unerzogenen Hunde prägen das Bild des SchH-Sportes in der Öffentlichkeit aber so stark, dass meine Mitmenschen immer völlig überrascht sind, wenn ich erwähne, dass mein Hund die SchH II Prüfung hat. Nein der doch nicht, der ist doch viel zu lieb! Genauso ergeht es vielen meiner Sportkollegen, deren Hunde benefalls durch die Bank völlig normal verträglich mit Mensch und Tier sind.
Und nicht nur das Bild des SchH-Sportes leidet, sondern auch das der Hundehalter allgemein.
:Ich persönlich bin von der Notwendigkeit (einer SchH-Ausbildung) nicht überzeugt und bin der Auffasung, dass wir unser Augenmerk auf eine auf Hunde- und Menschenverträglichkeit gerichtete Erziehung der Hunde legen sollten und die Schutzdienstausbildung kein primäres Anliegen privater Hundehalter sein muss.
Diesen Satz von Dir kann ich nur voll und ganz unterschreiben. Primär brauchen wir angepaßte, also verträgliche Hunde, eine Sportausbildung, die dies beeinträchtigt ist abzulehnen.
viele Grüße,
Anke und ihr das Bett schon vorwärmender "Schutz"hund