SchutzHund-Wofür? :: Hundeerziehung + Soziales

SchutzHund-Wofür?

von Antje(YCH) am 16. November 2001 06:26

Hallo Melli,

: Einmal, warum man sich ausgedacht hat, einen Schutzarm am Menschen zum
: Beuteobjekt zu machen und nicht einen weicheren Gegenstand in der Hand
: des Menschen ? Weil man den Schutzarm besser festhalten kann als einen
: Gegenstand in der Hand und man nicht so leicht die Finger dazwischen
: bekommt?

Die sportliche Schutzhundeausbildung und die Diensthundeausbildung sind schon miteinander verwandt. Das eine ist aus dem anderen entstanden. Es hat vor ca. 100 Jahren ja niemand gesagt "Wir machen jetzt eine sportliche Schutzhundeausbildung", sondern die ersten Hundevereine, auch unserer (einer der Vereine, die heute noch das Kürzel PSSV tragen = "Polizei- und Schutzhunde Sportverein"winking smiley, wurden gegründet, um, damals ganz modern, Hunde für die Polizeiarbeit auszubilden. Erst nach dem 2. Weltkrieg hat unsere Stadt ihren ersten eigenen Diensthund gekauft, Wolf, vorher wurden für die Poliziearbeit ausschließlich die Privathunde von Mitgliedern unserers Vereines genutzt. Und auch dann noch waren viele Mitglieder Diensthundeführer, in unserem Fall bei der Bahnpolizei.

Das war jetzt ein wenig Geschichte, aber daraus ist der Schutzhundeport nun mal entstanden und deswegen wird auch heute noch mit einem Schutzarm gehetzt und nicht mit einem Staubwedel. Es ist auch ein technisches Problem: Wennn 40 kg Hund mit 40 km/h über einen ganzen Sportplatz flitzen, kurz vor dem Absrpung noch mal im Tempo anziehen, kenne ich keinen, der dann noch fähig ist, eine Beißwurst mit einer oder beiden Händen so zu halten, daß sich Hund und Mensch nicht ganz fürchterlich weh tun. Der Mensch kann den Hund auch viel besser belasten, wenn es um einen Schutzarm geht, der Hund arbeitet ja viel näher am Menschen, für manche Hunde ein größeres Problem. Du glaubst gar nicht, wie vielen Hunden das unangenehm ist, wenn sie dabei z.B. mit dem Bauch den Körper des Helfers berühren. Das ist mit ein wichitges Kriterium, um über die sportliche Schiene einen belastbaren Hund herauszustellen. Und der Sport ist inzwischen unser letzes Kriterium, triebstarkte, harte und belastbare Hunde herauszustellen, deren Nachkommen dann wieder alle Gebrauchshundeeigenschaften tragen und weiterhin für den Sport, Dienst, die Rettungshundeausbildung usw. tauglich sind.


: Und wie ist der Unterschied zum Diensthund (oder Polizeihund oder wie
: man es nennt), übt dieser Hund u.a. nicht auch an einem Schutzarm ?

Im Training ja, aber nicht nur. Wichtig ist hier die Arbeit mit der Manschette, d.h. der Figurant trägt keinen Hetzanzug und Schutzarm, sondern normale Kleidung und eine feste Ledermanschette am Arm, über die eine Jacke etc. gezogen wird. Der Diensthund darf ja nicht auf eine bestimmte Stelle fixiert sein, er braucht auch nicht diesen festen vollen Griff zu haben, der bei den Sporthunden so hoch bewertet wird (weil er ein Zeiche dafür ist, daß der Hund über den Beutetrieb beißt, nicht über den Wehrtrieb), wichtig ist einzig und alleine, daß sein Biß "wirkt", nicht wie er aussieht. Wenn ein Diensthund beißt, dann geht es ihm nicht um seine Beute, wie beim Sporthund den Schutzarm, sondern der will und soll dann wirklich seine Aggression gegen seinen zweibeinigen Kontrahenten richten. Der Sporthund braucht auch Aggression, es ist aber eine ritualisierte Aggression, durch welche er über seinen Sozialpartner dominieren will, so wie im Rudel zwei Hunde um einen Stock balgen. Da hat Agression ja nicht das Ziel, den anderen mutwillig zu verletzen, das würde den Sozialverband schädigen. Und wie der Hund im Sport mit seiner Aggression umgeht (die jeder Hund hat), wie er sein Aggressionpotential kanalisieren kann, ist auch wieder ein wichtiges Kriterium für die Zuchtselektion, um z.B. Hunde für die Ploizeiarbeit zu züchten.


: Was ist mit diesem Softstock? Wenn der Sporthund nur ein Beutespiel um
: den Ärmel macht, warum wird er dann dennoch mit dem Softstock
: geschlagen oder ist das gar nicht so ?

Ja, das wird er. Ist noch gar nicht so lange her, da wurde ein Rohrstock genommen, das hat ganz schön gepetzt und damit wurde getestet, wie belastbar der Hund ist, was er wegstecken kann. Der Softstock petzt nicht mehr, aber alleine das Geräusch und die Bewegungen mit dem Stock sind für viele Hunde eine Belastung, der sie nicht gewachsen sind. Auch wieder wichtig für die Zucht. Das fängt schon da an, zu beobachten, welche Hunde die Augen schließen, wenn die Stockhand angehoben wird. Nuancen zwar, aber wenn Du Zuchtparnter kombinierst, sind solche Nuancen wichtig, da sie sehr viel über das Interieur des Hundes aussagen.


: Und lernt er auch, Menschen zu stellen und zu verbellen ? Das wäre
: doch auch eher etwas für Polizeihunde, die wirklich den Menschen an
: sich angehen oder ?

Auch hier wieder: Warum verbellt der Hund den Figuranten? Getestet wird, wie der Hund mit dem Konflikt fertig wird, welchen diese Situation für ihn darstellt. Da steht einer irgend wo herum, völlig unbeteiligt, und trägt das Ziel der Begierde = den Schutzarm. Der Hund darf nicht anbeißen, solange der Helfer still steht, sondern versucht, mit seinem natürlichen Dominanzverhalten den Helfer dazu zu bringen, daß dieser sich bewegt, er "treibt" den Helfer also. Dabei muß er mental in der Lage bleiben, einerseits seine ganze Konzentration auf den Helfer zu richten, andererseits so führig bleiben, daß er auf ein einziges Kommando "Fuß" zu seinem Hundeführer kommt, d.h. er muß in seinen Triebbereichen wechseln können, und natürlich muß er in der Lage sein, sich zu beherrschen. Auch hier wieder wichtige Indikatoren für die Zuchtselektion.

Viele Grüße

Antje

von Antje(YCH) am 16. November 2001 06:37

Hallo Jana,

: obwohl heute fast überall (zum Glück) über Beutetrieb trainiert wird,
: frage ich mich, weshalb diese Beute an einem Arm "hängt". Wenn es nur
: um die Beute geht, könnte ein Helfer doch auch einen Gummiring, eine
: Beißwurst oder was weiß ich einfach in der Hand halten.

Siehe meine Antwort an Melli. Alleine schon ein physikalisches Problem: Versuche mal eine Beißwurst festzuhalten, wenn ein Malinois über eine Sportplatzlänge "voll einsteigt". Unmöglich...


: Und wieso sind die Helfer von oben bis unten geschützt? Wenn es doch
: nur um den "Arm" geht.

Viele Hunde arbeiten mit "Ganzkörpereinsatz". Unserer Hetzhosen sind regelmäßig an den Oberschenkeln zerschlissen, dadurch, daß sich die Hunde mit den Pfoten und Krallen abstützen und/oder Halt suchen. Du glaubst gar nicht, was für Striemen und blaue Flecke das gibt.

Hinzu kommt, daß die Hunde im Training lernen müssen, schnell zu sein und sich bemühen müssen, den Arm an der richtigen Stelle zu fassen. Auf größeren Prüfungen kommen die Helfer teilweise schon mit allen Tricks, das muß man im Training auch mal üben und das traut sich ein Helfer verständlicherweise nur, wenn er auch neben dem Arm gut geschützt ist, sollte ein Hund mal abrutschen oder knapp daneben packen. Bei Veranstaltungen ist die Schutzjacke aus Versicherungsgründen vorgeschrieben, in den Übungsstunden wird i.d.R. nur die Hose getragen, und das wegen der Krallen.


: Kannste mal sehen: wir sind auch mal unterschiedlicher Meinung *g*.

Wäre ja auch unheimlich, wenn man in allem immer einer Meinugn wäre, oder...* *grins*

Viele Grüße

Antje

von Silvia(YCH) am 16. November 2001 08:40

Hallo Antje!

"Ich habe schon gesehen, daß ein Dreijähriger mit Softsock und Hetzarm zu den angebundenen Hunden spaziert ist und diese Kind und Ärmel links liegen haben lassen. Ein erwachsener Hund, der klar im Kopf ist, läßt sich von einem Welpen ja auch mehr gefallen in Bezug auf seine Spielzeuge/Beuteobjekte als von einem mental und körperlich gleich starken Hund."

Zu diesem Text muß ich etwas dazu beitragen. Ich bin erst seit einem halben Jahr Hundebesitzerin - also hab ich nicht so viel Ahnung wie Du wenn Du 3 Jahre oder noch mehr Ausbildung gemacht hast. Allerdings hab ich in den letzten Tagen einen Bericht im Fernsehen gesehen wo es darum gegangen ist, dass ein Retriever der eigenen Familie (ein ausgebildeter Hund!) das eigene Kind gebissen hat.
In diesem Bericht ist es darum gegangen, das man Kinder nie allein mit Hunden und nicht mal mit dem eigenen spielen lassen sollte - auch wenn er noch so ausgebildet ist. Da ist zB ein Hund, er in Anwesenheit seines Hundeführers total brav ist, sich alles gefallen hat lassen und als er allein war, hat er das Kind geschnappt (wurde mit Videokamera gezeigt).

Ich wollte nur drauf hinweisen, das es gefährlich ist Hunde und Kinder. Ich hab es am eigenen Leib in der Familie erfahren - mein Bruder wurde von einem Hund als kleiner Junge gebissen, das war aber ein ausgebildeter Polizeihund und noch dazu hat er ihn gekannt. Die Narbe hat er heute noch und ist mittlerweile erwachsen.
Die Ausbildung schützt nicht vor Gefahr!

Die Moderatorin von dem Bericht war Verhaltensforscherin und deren Meinung war, dass Hunde Babies nicht als Welpen ansehen. Ist nur eine These, aber ich glaube ihr das. Babies haben ja nicht die selben Verhaltensweisen wie Welpen (gezeigt wurde das drücken am Hals wie einen Teddy-Bären was ja für einen Hund als Drohgebärde gilt) und vor allem sind sie als kleiner Mensch schon sehr groß im Verhältnis zu einem Welpen.

Allerdings muß ich Dir auf die eine Passage, wo die Harmonie und Freude angesprochen wurde, zustimmen. Immerhin hast Du ihn dazu gebracht und das macht sehr stolz!

Ciao baba Silvia

von Antje(YCH) am 16. November 2001 08:55

Hallo Silvia,

Du hast absolut recht, Kinder und Hunde sollten nie ohne Aufsicht zusammen sein. Es passiert auch so schon genügend Blödsinn wenn man dabei ist, wie z.B. mit dem Dreijährigen, der sich die Sachen geschnappt hat und, bevor jemand reagieren konnte, damit vor dem Hund stand.

Klar, Kleinkinder sind keine Welpen, aber ein Hund realisiert sehr gut, daß er bei Kindern runterschalten muß, genau wie bei Welpen. Wir haben viele triebstarke Hunde im Verein, die keinerlei Rücksicht auf Deine und meine Finger nehmen würden, wenn sie nach einem Ball schnappen, aber den Ball nicht oder nur sehr vorsichtig nehmen, wenn ein kleines Kind diesen in den Fingern hat. Für mich ist ein ausgewachsener Hund nicht "normal im Kopf", der ein Kleinkind auf der Treppe ohne Grund umrempelt oder nach einem Ball schnappt wie bei einem Erwachsenen.

Viele Grüße

Antje

von P.H(YCH) am 16. November 2001 09:14

Tschau Jana

::Und wieso sind die Helfer von oben bis unten geschützt? Wenn es doch nur um den "Arm" geht.
::

Es könnte sein dass er sich aus gesundheitlichen Gründen schützt. Mein letzter Hund war auch so ein springwunder und einmal flog er bei einem gewaltigen Absprung über den Ärmel hinweg direkt in die Brust. Obwohl er nicht biss, konnte er seine Zähne nicht herunter klappen. Diese hat er nun einfach mal im Maul und obwohl der Schutzdiensthelfer geschützt war, hatte er einen riesigen blauen Flecken auf der Brust. Was meinst Du was passiert wäre, wenn sich dieser nicht geschützt hätte?

Leider war der Schutzdiensthelfer eine Pflaume, ich sagte ihm, dass er den Hund hoch abnehmen muss und am Schluss packte ihn die nackte Angst und er machte eine komische Bewegung. Zum Glück nahm mein Hund keinen Schaden dabei.

Noch was, in unserer Gruppe nehmen viele auch ihre Kinder mit und nicht selten spielen diese auf dem gleichen Platz, auf dem wir Schutzdienst machen. Nie gab es ein Problem damit. Außer bei Junghunden, dann müssen sie sich ruhig verhalten. Nicht wegen der Aggression, nein damit sich der Hund auf die Arbeit konzentriert und nicht abgelenkt wird. Bei erwachsenen Hunden ist es sogar positiv, wenn er zum Beispiel reviert und die Kinder spielen Fußball auf dem Platz. Oder wenn die Kinder vor dem Versteck spielen und der Hund sich einen Weg suchen muss zum Figuranten. Nie gab es auch nur das kleinste Problem damit.

Zudem wenn ein Schutzdiensthelfer seinen Ärmel auf den Boden legt, dann hat der Hund kein Interesse mehr am Helfer sondern nur am Ärmel. Er kann dann zum Hund gehen und ihn streicheln. Dem Hund ist das dann gleichgültig, er beobachtet nur den Ärmel, ob sich diese nun tote Beute nicht doch noch vielleicht einmal bewegt.

Gruß P.H

von P.H(YCH) am 16. November 2001 09:43

Tschau Antje

::
Für mich ist ein ausgewachsener Hund nicht "normal im Kopf", der ein Kleinkind auf der Treppe ohne Grund umrempelt oder nach einem Ball schnappt wie bei einem Erwachsenen.
::

Ja dem ist so, wie will man aber die nervenstarken von den nervenschwachen trennen, wenn der Hund nicht mehr belastet werden darf. Dann haben wir am Schluss nur noch wesensschwache Hunde und dann wird die Diskussion um Hunde noch größer werden. Gefährlich sind ja nicht die Hunde, die im Schutzdienst gut sind. Gefährlich sind die, die man nicht gebrauchen kann. Die, die in den Trieblagen nicht umschalten können. Die, die sich nur im Wehr und im Meiden befinden. Die, die aggressiv sind. Die, die keine Belastung ertragen.
Wie will man das testen? Ich habe noch keine bessere Form gesehen als der Schutzdienst.

Wesensschwäche schlägt auch schneller durch in der Zucht und wenn da der Hund nicht mehr belastet wird, um zu schauen mit welchen man züchten sollte, dann laufen wir einer Katastrophe entgegen.

Immer wird die PO angepasst damit auch die ruhe haben, die nichts vom Schutzdienst verstehen. Das ist aber ein gefährliches Spiel und könnte sich mit der Zeit rächen.

Ich schreibe das Dir, weil Du dich für den Schutzhund einsetzt, und nicht als eine Kritik an Dich.

Gruß P.H

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