Lieber Wolfgang,
wie verträgt sich denn die Terrierhündin mit Euren Hunden? Habt Ihr Rüden und/oder Hündinnen? Falls sie sich nicht verstehen, und mindestens einer Eurer Hunde ebenfalls weiblich ist, halte ich es durchaus für möglich, daß der Geruch des menschlichen "Welpen"nach einer anderen Hündin die Reaktion der Terrierhündin zusätzlich negativ verstärkt. Hündinnen haben oft ein extremes Revierbewußtsein und dulden einfach weder fremde Hündinnen noch deren Welpen dort.
Im Augenblick tut Ihr leider so ziemlich alles, um die Hündin in ihrem Verhalten zu verstärken: Sie wird angeleint und durch die Leinenverbindung psychisch unterstützt. Sie sitzt auf dem Schoß, von wo sie einen prima Überblick plus erneuter psychischer Unterstützung durch den Körperkontakt hat. Das heißt, sie wird derzeit in ihrem Chefverhalten in jeder Hinsicht unterstützt. Wie sieht denn die Situation genau aus, wenn sie auf Euren Sohn "losgeht"? Soweit ich der bisherigen Beschreibung entnehmen kann, ist sie nämlich keineswegs aggressiv zu ihm. Sie scheint ihn vielmehr tatsächlich als eine Art Welpen zu betrachten, den sie erziehen muß. Das würde ungefähr so aussehen, daß sie eine Weile gar nichts tut, sondern ihn nur beobachtet. Plötzlich und scheinbar grundlos düst sie dann knurrend auf ihn los und knurrt, bellt oder schnappt ab. Wahrscheinlich haben ihre Zähne dabei gar keinen Kontakt zu ihm, wobei es aber durchaus passieren kann, daß Euer Sohn irgendwann mal einen Kratzer abkriegt. Damit hat die Hündin aber noch lange nicht "gebissen". Wenn ein Welsh-Terrier zubeißt, wäre der Arm Eures Sohnes nämlich durchgebissen. So scheint es aber doch nicht zu sein oder? Ich denke, augenblicklich nimmt die Hündin wirklich nur ihre "Erzieherfunktion" wahr, so wie sie es mit ihren Welpen auch tun würde. Tut Euer Sohn irgendetwas, was in ihrer Wahrnehmung nicht in Ordnung ist, weist sie ihn zurecht. Ihr tut das mit Eurer Stimme und möglicherweise einer Geste, wie mit dem Zeigefinger drohen. Die Hündin benutzt ebenfalls ihre Stimme (sie knurrt und bellt) und verwendet das Abschnappen als unterstützende Geste. Ist es übrigens überhaupt schon so weit gekommen, daß sie tatsächlich abgeschnappt (also in der Nähe des Kindes in die Luft "gebissen"
hat? Wenn ja, wäre das bereits Stufe zwei ihres Erzieherverhaltens. Noch was: Handelt die Hündin, wenn Euer Sohn läuft oder wenn er am Boden sitzt?
Was die Hündin, die ja kleine Kinder nicht gewöhnt ist, vermutlich zusätzlich verunsichert, sind die Bewegungen und Laute Eures Sohnes. Er geht und äußert sich völlig anders als die Erwachsenen, die der Hündin vertraut sind. Je mehr sie also Gelegenheit hat, sich an das Verhalten eines Zweijährigen zu gewöhnen, desto weniger unsicher wird sie reagieren.
Da es auch anklingt, daß im "Rudel" der Hündin grundsätzlich sie das Sagen hat (sie bleibt nicht alleine, vielleicht zeigt sie auch noch andere Verhaltensweisen, die das erkennen lassen), akzeptiert sie auch nicht, daß ihr Frauchen als "Boß" entscheidet, wem sie (die Oma) Zuwendung schenkt. In ihrem hundlichen Verständnis muß das dann die Hündin tun.
Was ich bisher geschrieben habe, sind Versuche, aufgrund Deiner Schilderung das Verhalten des Hundes zu verstehen. Ich tue das so ausführlich, weil es wichtig ist, die Ursachen für bestimmte Reaktionen zu erkennen, bevor man mit der Einwirkung anfängt. Wenn Du denkst, daß meine Situationsbeschreibungen zutreffen, könntet Ihr folgendes versuchen: 1. Weg mit der Leine und runter vom Schoß und allen erhöhten Plätzen. 2. Zunächst hoch mit Eurem Sohn vom Boden. Wenn er spielt, setzt ihn auf die Couch. 3. Versucht die Hündin, ebenfalls hochzuspringen, wird sie energisch wieder runtergeschickt. 4. Sollte die Hündin den Jungen anknurren, wird sie sofort energisch zurechtgewiesen. 5. Laßt Euren Sohn in Anwesenheit der Hündin möglichst nicht alleine herumlaufen, sondern begleitet ihn. Zum einen wird sie kaum wagen, ihn im Beisein eines stehenden Erwachsenen zurechtzuweisen, zum anderen wird sie dadurch mit seinem Gang vertraut. 6. Ignoriert alle Annäherungsversuche, die die Hündin möglicherweise bei Euch Erwachsenen macht. Stattdessen ruft Ihr sie ab und zu her, wenn sie grade was anderes tut und streichelt sie dann. Beendet die Zuwendung, bevor die Hündin von selber geht und wendet Euch demonstrativ Eurem Sohn zu. Fordert die Hündin weiter Aufmerksamkeit, ignoriert sie (Über Zeitpunkt und Dauer der Zuwendung entscheidet immer der Boß). Dieses Verhalten ist besonders für die Oma wichtig! 7. Verhindert, daß Euer Sohn auf die Hündin zugeht. Ist sie wirklich verunsichert, könnte sie nach ihm schnappen. 8. Geht öfter mal zusammen spazieren. Bleibt dabei immer dicht neben Eurem Sohn, aber laßt ihn möglichst laufen (also nicht im Buggy oder so). Draußen hat die Hündin noch anderes zu tun, als den Jungen zu beobachten und gewöhnt sich so nebenbei daran, wie er sich verhält. 9. Immer wenn Ihr die Oma besucht, habt Ihr ein supertolles Leckerle (Wurst o.ä.) dabei. Sobald Ihr in der Wohnung seid, nehmt Ihr Euren Sohn auf der Coch auf den Schoß und ruft die Hündin her. Der Junge gibt ihr die Wurst, Ihr lobt die Hündin. Wascht ihm danach die Hände, damit die Hündin ihn nicht aufgrund des Wurstgeruchs bedrängt.
So, das wars fürs Erste,
liebe Grüße, Jutta