Hallo Antje,
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: Ich hatte persönlich bisher Umgang mit den Molosser-Rassen Mastiff, Bullmastiff und Bordeux Dogge (und Dt. Dogge, die ich aber nicht unbedingt zu den Molossern zähle) und sowohl der Bullmastiff als auch der Mastiff sind für mich weniger typische Phlegmatiker als z.B. der Berner Sennenhund (wobei ich auch bei dieser Rasse einzelne Exemplare kenne, die sanuinisch veranlagt sind und in einem Fall sogar stark cholerische Tendenzen aufweisen).
Molosser sollen/sind generell nicht phlegmatisch, da sie ja immerhin Schutzhunde sind. Es gibt wahrscheinlich bei nahezu jedem Hund phlegmatische Reaktionen. Alles auch wieder eine Auslegungsfrage. Nehmen wir mal an mein Hund döst, eines unserer Meerschweine läuft auf ihn zu, der Hund regt sich nicht. Für andere Menschen sieht das so aus als ob dies der phlegmatischste Hund der Welt wäre. Ein anderer Hund würde total ausflippen und sich draufstürzen. In der nächsten Sekunde steht ein fremder Hund vor meinem Hund und er geht von Null auf hundert in Bruchteilen einer Sekunde. Andere Menschen stellen mit Erschrecken fest wie cholerisch doch der Hund ist. Ein anderer Hund in dieser Situation steht "nur" auf und kriegt einen Kamm.
Ich denke jeder Hund zeigt Verhaltensweisen, die allen Typen zuzuordnen sind und dieses Verhalten ist stark geprägt von Sozialisation und Erfahrungen.
Nach Deinen Beschreibungen kann ein Hund ja theoretisch nicht zwei extrem voneinander abweichende Verhaltensweisen zu ein und dem selben Stimulus zeigen.
: Für den Hund müssen alle Ausbildungsschritte vollkommen logisch kombinierbar sein, sonst treten unerwünschte Übersprungshandlungen auf, ausgelöst durch Konflikte.
Es gibt Hunderassen (Molosser...) für die muß ein Kommando/Arbeit nicht nur logisch kombinierbar sein sondern und das ist das Wichtigste, es muß für sie einen SINN ergeben. Warum sollte mein Rüde an einen Beißarm gehen, wo es viel effektiver wäre den Figuranten mit einem Sprung gegen die Brust umzuwerfen und ihn zu pinnen ? Weil es Sport ist ? Warum erzählte mir ein alter Schutzhundesportler, der seit 50 Jahren erfolgreich SCHH3 ausbildet und an Meisterschaften teilnimmt, daß sie zu Meisterschaften immer einen Wachhund mitnehmen, damit die Schutzhunde nicht gestohlen werden ? Was ist mit dem Ernstfall ? Ich glaube nicht, daß ein auf dem Platz trainierter, nicht zivilscharfer Schutzhund im Ernstfall sein Herrchen effektiv beschützen würde. Dazu habe ich viele interessante Artikel gelesen, in denen immer betont wurde, daß es sich eben um SchutzhundeSPORT handelt. Und Sport schließt einen Ernstfall aus, da die Regeln/Schema einfach anders sind.
: : In England gab es vor langer Zeit einen Bullmastiff-Police-Dog-Club, weil die Hunde einfach unschlagbar waren. Die Erziehung und Haltung ist jedoch nicht ganz so einfach und er wurde von anderen Rassen verdrängt.
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: Soweit ich weiß gibt es in England keine klassische SchH-Ausbildung.
Das habe ich auch nicht gemeint. Damals wurde eine andere "Technik" (schnelle Sprints hinter Flüchtenden her, ein kräftiger Satz und am Boden festhalten) gelobt, die der BM perfektionierte. Außerdem wurden sie als Suchhunde eingestzt.
: Das trifft auf den Prototypen des Phlegmatikers zu. Im "Real Life" haben wir es immer mit Mischtypen zu tun, bei uns Menschen, bei den Hunden usw. Der Arbeitshund erhält aber seinen Antrieb zur Arbeit über Reize, und wenn diese zu stark sein müssen, wird der Hund niemals verläßliche Arbeitsleistungen, egal in welchem Bereich, erbringen. Somit scheidet ein Hund mit zu starken phlegmatischen Tendenzen hier aus, wenn er nicht zu einer Leistung gezwungen werden soll.
Von was für einer Art Arbeit sprechen wir hier eigentlich ? Für mich bedeutet Arbeit (beim Hund) eine Tätigkeit die einen bestimmten/ernsthaften und nützlichen Zweck hat (Wach- und Schutzarbeit, Arbeit an der Herde, Suchhund, Behindertenbegleithund, Jagdhund...). Da fällt der Schutzhundesport eingentlich raus, weil er keinen anderen Zweck des sportlichen Vergleichs erfüllt, im positivsten Falle eine enge Bindung des Hundes an sein Herrchen (was sicherlich auch durch andere "Sportarten" erreicht werden kann). Anders sieht es bei zivilscharfen Hunden aus.
Sicher ist ein Hund der in vielen Situationen nur auf die allerstärksten Reize reagiert nicht der ideale Hund mit dem man arbeitet. Ich denke aber, daß die Motivationsfähigkeit ein entscheidener Punkt bei der Ausbildung allgemein ist. Und da kann man mit einem bestimmten Mittel auch einen "langweiligen" Hund hinter dem Ofen vorlocken. Das Problem dabei sind die Nerven der Besitzer/Führer, ob sie sich damit arrangieren können oder nicht.
: Ich halte es für völligen Blödsinn, von Tieren Leistungen zu fordern denen sie nicht gewachsen sind. Selbst ein optimal sanuinisch veranlagter Mastiff etc. hätte für mich im SchH-Sport nichts zu suchen, da ich mir nicht vorstellen kann, daß er mit seiner Größe und seinem Gewicht auch nur ein Jahr Leistungssport gesund überstehen würde, abgesehen von allen psychischen Voraussetzungen. Mental halte ich Einzelexemplare durchaus für geeignet, aber körperlich nicht. Hier hapert es ja beim DSH schon an allen Ecken und Kanten.
Da hast Du recht. Aber in der ehemaligen DDR gab es hervorragende Doggen im Schutzhundesport. Sie wurden auch desöfteren von der Polizei geführt.
: Im Hinblick auf die "Führigkeit" kennst Du anscheinend keine besonders harten Hunde der Schutzhunderassen. Ich habe selten teilweise so führerharte Hunde gesehen wie bei DSH, Malinois, aber auch Rottweiler und neuerdings wieder beim Riesenschnauzer...
Die "Führigkeit" eines Hundes hat gar nichts mit Führerhärte zu tun. Ein leichtführiger Hund (bestes Beispiel Labrador) ist ein Hund mit dem Willen seinem Herrchen alles recht zu machen. Er ist lerneifrig wenn er merkt, daß es für ihn Vorteile bringt. Sei es nun Lob oder Spiel oder im schlechtesten Falle keine Strafreize. Was soll das Wort Führerhärte genau bedeuten? Daß ein Hund trotz harter Strafen einen Befehl ausführt? Daß ein Hund mit Absicht gegen seinen Herren arbeitet, daß er sich leicht ablenken läßt oder daß er gar nicht auf Herrchen reagiert? Ich habe mal einen typisch versauten führerharten Hund gesehen. Sie war eine schon etwas steife 8jährige RS-Hündin unter Führung eines alten Schutzhundesportlers. Er führte uns eine Begleithundeprüfung mit ihr vor auf eine Art und Weise, daß allen schlecht wurde. Dann legte er sie demonstrativ 10m von uns entfernt ab. Diese Hündin pflegte aber eine so masochistische Liebe zu ihrem Herren, daß sie fiepte und ein paar Meter zu unserer Gruppe ranrobbte. Er brüllte sie erst an, dann ging er zu ihr und riß ihr dermaßen am Würger, daß der Hund entsetzlich schrie. Ihrer Liebe tat das keinen Abbruch und sie lag mitlerweile neben mir und meiner Hündin (ich war die Letzte im "Glied"
. Da kam der Typ angesaust und schlug sie dermaßen zusammen. Meine Hündin versuchte ihn anzugehen und alle Hunde bellten und knurrten den Pisser an. Kurz danach präsentierte er uns mit seiner Hündin eine perverse Beifuß-Freifolge. Das ist nur ein Erlebnis zum Thema führerharter Hund. Auf diversen Hundeplätzen erlebten die Schutzhunde ihre einzige positive Bestärkung durch ausbleiben von Strafen. Trotzdem hingen sie außerordentlich an ihrem Herrchen.
: Das stimmt nicht! Um weitgehend zuverlässig zu arbeiten müssen bestimmte Voraussetzungen in Bezug auf die Veranlagung eines Hundes gegeben sein!
Sicher, aber die spezifischen Veranlagungen sind je nach Betätigungsfeld sehr unterschiedlich.
: Vorsicht! Es kommt nicht nur darauf an, was ein Hund erlernt hat, sondern auch darauf, ob er fähig ist, einmal Erlerntes auf andere Situationen zu übertragen. Sonst kann es ganz schnell passieren, daß ein Hund eine erlernte Handlung in gewohnter Situation perfekt ausführt, in einer ungewohnten Situation aber kläglich versagt, weil er nicht kombinieren kann.
Diese Fähigkeit ist teilweise reine Erziehungssache. Wenn ich als Mensch mit meinem Hund nicht an vielen unterschiedlichen Orten z.B. das Platz übe, wird er es auch nicht überall zuverlässig tun. Und wenn Hunde angeblich kombinieren können, warum bildet die Polizei ihre Hunde zu zivilscharfen Hunden aus?
: Gerade dieser Hund zeigte starke Übersprungshandlungen (Unsauberkeit, Nachfassen, nicht Ablassen etc.), wenn sich am gewohnten Umfeld etwas änderte, er stand sich mit seinem nervlichen Phlegma hier selbst irgendwie im Weg. Der Hund war trotzdem temperamentvoll und zeigt überschäumende Arbeitsfreude, aber in seiner Nerventätigkeit zeigte er eindeutig phlegmatische Tendenzen.
Das verstehe ich nicht ganz. Ein Hund mit phlegmatischen Tendenzen müßte doch eher nur schwach auf neue Reize reagieren ?
: Vorurteile?
Wenn man das so nennen will, ja. Allerdings mit vielzähligen Erlebnissen, Gesprächen, Beobachtungen, Publikationen. Ich habe nur sehr wenige vernünftige Schutzhundesportler erlebt.
: Das läuft aber nur in eine Richtung. Zwar ist es möglich, prägungsmäßig auch einen Sanguiniker, Phlegmatiker oder Choleriker zu ruinieren und aus ihm einen "schwachen" Typ zu machen, aber nicht die beste Prägung der Welt wird aus einem Melancholiker einen "starken" Typ hervorzaubern.
Mir ging es in diesem Fall hauptsächlich um die Fehlprägung. Ich bin aber schon überzeugt, daß man einem melacholischen Hund zu seiner wesentlichen Verbesserung aufbauen kann.
: Und elementar ist der Grundtyp dann, wenn ein Hund ausgebildet wird. Wenn ich nicht erkenne, in welchem nervlichen Typ ein Hund steht, dann doktere ich bei einem Fehlverhalten meines Hundes an ihm herum wie ein Arzt, der nicht erkennt, ob die Bauchschmerzen seines Patienten an einer Blinddarmentzündung, einem verdorbenen Magen oder an eine Magengeschwür liegen.
Es wäre ja sehr schön, wenn das die Allgemeinheit auch so handhaben würde. Aber wie sieht denn die Realität wirklich aus? Einheitsbrei für alle. Ein guter Hund ist mit üblichen Methoden zu erziehen/korrigieren. Alles was außerhalb dieses Schemas liegt ist ungeeignet. Finde ich allerdings total irrsinnig. Wenn es soviele verschiedene Hundtypen gibt, warum basiert die Ausbildung immer auf ein und dem selben Prinzip ?
Warum wissen dies gerade die Hundesportler nicht, die von ihren Tieren Höchstleistungen verlangen? Sie werden wohl kaum alle den selben Typ haben.
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: Ich bin in Bezug auf die Zucht sowieso ein Extremist, mit mir kann man sich darüber nicht vernünftig unterhalten. Wenn es meiner Meinung nach ginge würde eine andere Selektion erfolgen, er gäbe viel weniger Welpen und die eine oder andere Rasse vielleicht sogar überhaupt nicht mehr.
Selektion in Bezug auf Gesundheit und Wesen halte ich auch für überaus wichtig. Aber welche Rassen sollte es Deiner Meinung nach nicht mehr geben?
: Auch wenn jetzt die Dobi-Freunde auf mich sauer sind, aber 80% der Dobis, die ich kenne, dürften meiner Meinung nach nicht in die Zucht gehen. Bei Golden Retriever noch weniger... (weia, das gibt jetzt bestimmt keile...)
Sehe ich genauso. Wenn man nur ein bißchen genau Vertreter bestimmter Rassen beobachtet (Zucht-/Leistungsschow) werden einem unbedingte Veränderungen bewußt und man fragt sich öfter warum gerade dieses Tier so häufig zur Zucht eingesetzt wird. Extremer ist noch die Schönheitszucht.
Viele Grüße
Susi