HAllo Marie,
: ich habe sie im alter von 12 wochen von einem bauernhof geholt.
Also, da muss man differenzieren zwischen "Bauernhofhunden" und "Bauernhofhunden". Es gibt solche, die in eine Scheune gepfercht aufwachsen, mit minimalem Kontakt zu Menschen, und solche, die in der Familie aufwachsen, "gehätschelt" werden, mit Leiterwagen durchs Dorf gefahren werden, um sie mal an andere Plätze zu bringen, etc. Das sind jetzt vielleicht schon fast zwei Extreme, und dazwischen gibt es zig Stufen, wie die Welpenaufzucht vorging.
Die Frage ist, wieviel Kontakt hatte deine Hündin während der 4.-7. Woche zu Menschen. Und welche Art Kontakt.
: erstmal hat sie angst vor menschen. sobald diese versuchen, sie zu streicheln, weicht sie aus. ich gehe viel unter menschen und übe seit zwei monaten mit ihr, aber es bessert sich fast nicht.
Im Prinzip kann ich da nur sagen, siehe Antwort von Mina. Das einzige, was ich anders machen würde, ich würde andere Menschen deine Hündin nicht locken lassen.
Such Dir am Anfang ein paar Bekannte aus, mit denen Du über euer Problem redest. Mach ihnen klar, dass sie erst dann deinen Hund beachten dürfen, wenn Du es ihnen sagst. Dann begegnest Du ihnen "zufällig" beim Spaziergang, redest ein paar Worte mit ihnen, und beobachtest dabei deinen Hund. Zeigt sie Interesse, also versucht sie, etwas Kontakt aufzunehmen, dann Lob und Leckerli, anderfalls einfach ignorieren. Lob und Leckerli sollten in der Anfangsphase von Dir kommen. Achtet aber beide, Du und "Testperson" darauf, dass ihr euch möglichst natürlich verhaltet, und nicht angespannt und nervös seit. Das ist zwar leichter gesagt als getan, das ist mir auch klar,
, aber dein Hund merkt, dass etwas nicht stimmt, dass Du unsicher/nervös/angespannt bist, und reagiert dann natürlich auch mit noch mehr Unsicherheit. Denn, wenn Du schon unsicher bist, hat Hund ja allen Grund Angst zu haben. Ideal wäre, wenn Du es wirklich schaffen würdest, innerlich cool zu bleiben.
Wenn deine Hündin dann anfängt, gib ihr ganz ruhig ein Leckerli, keine extremen Freudenausbrüche. Einfach "fein" und Leckerli. Das wiederholt ihr ein paar Tage, Wochen, möglichst mit mehreren Personen bis Hundi keine Angst mehr hat, Kontakt aufzunehmen.
Nächster Schritt wäre dann, Hündin nimmt Kontakt auf, schnuppert "Übungsperson" ab, "Ü-Person" fängt langsam an, Gegenkontakt aufzunehmen. Dabei ist folgendes zu beachten:
- nicht über den Hund beugen - Drohgeste
- nicht mit der Hand von oben kommen - Drohgeste
übrigens, diese beiden Punkte sollten bei deinem Hund auch von Dir
beachtet werden, wenn möglich immer
- "Ü-Person" sieht deine Hündin nicht direkt an, nimmt relativ wenig Notiz von deiner Hündin, ideal wäre, wenn deine Hündin die Hand abschnuppert, einfach mal Finger bewegen, etwas unterm Kinn und an den Lefzen kraulen. Von jetzt ab, würde ich an deiner Stelle Lob und Leckerli sein lassen. Je nachdem, wie deine Hündin reagiert, darf eure jeweilige "Ü-Person" dann langsam bis zu den Mundwinkeln hin kraulen, Backen, Ohrbereich. Dabei anfangen, auch mit Worten Kontakt aufzunehmen.
:dazu kommt, dass sie panische angst vor dem tierarzt hat.
im Prinzip das gleiche Spiel, dabei anstatt auf Feldwegen oder im Haus, einfach in der TA-Praxis üben, wie Mina schon sagte, mehrmals die Woche in die Praxis fahren, und dort üben. Frag aber vorher besser deinen TA, ideal wäre, wenn ihr am Anfang zu einer etwas ruhigeren Zeit hinfahren würdet, wenn das Wartezimmer vielleicht nicht so voller Menschen und Tieren ist. Dadurch ist allein schon die Umgebung weniger stressig. Euer TA müsste eigentlich wissen, zu welchen Zeiten es bei ihm eher ruhig ist.
:es kann auch vorkommen, dass sie auf dem spaziergang entgegenkommende leute anbellt.
Ignorieren. Wenn Du anfängst zu schimpfen, rutscht meist die Stimme etwas höher, und Hund versteht das dann weniger als Schimpfen mit ihm, denn vielmehr als "mitbellen". Im Prinzip wäre das einfachste, wenn ihr am Anfang ausweichen könntet. Also, Du siehst Spaziergänger auf euch zukommen, schaust einfach in eine etwas andere Richtung, gehst auch etwas weg vom Weg und schlägst einen Bogen um den Spaziergänger. Dummerweise sind die meisten Wege relativ eingegrenzt, durch Felder, Bäume etc. Je nachdem, wo ihr spazierengeht. Da würde ich es dann eher mit Ablenkung versuchen. Ballspielen etc. Versuche vor allem, dabei innerlich ruhig zu bleiben. Wenn Du Spaziergänger siehst, und denkst "oh Gott, schon wieder, jetzt fängt sie gleich wieder an zu bellen", dann hast Du schon verloren. Deine Hündin merkt deine Unsicherheit, und wird erst recht unsicher.
: dann das beissen. ich habe auch da schon beinah alles versucht, aber sie hört einfach nicht auf damit. wenn ich nach hause komme, beisst sie mich vor freude in die hand und springt auch viel hoch. das tut sie für gewöhnlich nicht fest, aber wenn sie beispielsweise nur eine fingerspitze zwischen den zähnen hat kann es wirklich schmerzhaft werden. auch beim spielen beisst sie viel.
Welpen und junge Hunde "beissen" viel beim Spielen. Wenn Du diese "Monster" beim Spielen untereinander beobachtest, da werden die reinsten "Beissereien" veranstaltet. DAbei lernen die Welpen auch eine Beisshemmung, nämlich anhand der Reaktion des "Gebissenen". Ich würde an deiner Stelle hergehen, wenn deine Hündin zu fest zubeisst, laut und tief "Au" schreien, und dann sofort mit Spiel etc. aufhören, Hündin ein paar Minuten ignorieren, und dann wieder neu anfangen zu spielen. Wenn Du am Anfang etwas festere Bisse noch zulässt, und dann langsam immer "zimperlicher" wirst, also bei immer weniger "festen Bissen" reagierst, hast Du relativ schnell einen Hund, der genau weiss, dass man mit Menschen im Spiel vorsichtiger umgehen muss, als mit anderen Hunden.
: dann hat sie schon einige wohnungsmöbel beschädigt und teilweise könnte man denken, sie hätte noch nie das wort sitz oder komm gehört.
Möbel beschädigen, das kann sein. Angeknabbert, oder? Welpen haben im Prinzip nur ihre Zähne um ihre Umwelt richtig zu erforschen, also wird erst mal alles angeknabbert. Und wenn sie jetzt noch in den Zahnwechsel kommt, dann sowieso. Meistens gibt sich das Möbelanknabbern von allein. Ansonsten gilt auch hier, eine Strafe bringt nur dann wirklich wirkungsvoll etwas, wenn man Hund in der Startphase erwischt. Sprich, wenn sie anfängt mit Knabbern. Selbstverständlich sollte man es unterbinden, wenn man sieht, dass sie knabbert. Nur kann es sein, dass dann die Verknüpfung eine andere ist. Nämlich, dass Knabbern nur dann Tabu ist, wenn Frauchen in der Nähe ist.
Andere Frage, war sie allein, beim Knabbern? Also, warst Du zu dem Zeitpunkt nicht im Haus? Das kann auch mit ein Grund sein.
DAs mit dem Sitz und Komm, da ist erst mal die Frage, wie hat sie es gelernt, und wo? Wenn ihr immer an der gleichen Stelle, in der gleichen Position übt, dann kann sie es einfach noch nicht. Dann kann sie es an der Stelle, in der Position von Dir, aber die Generalisierung, also dass sie es überall kann, fehlt.
: und doch, ist mein welpe verhaltensgestört? kann daraus jemals ein normaler umgänglicher hund werden?
Verhaltensgestört würde ich nicht direkt sagen. Etwas unsicher, ängstlich, ja. Und dagegen solltest Du etwas unternehmen. Wenn Du jetzt damit anfängst, hast Du es natürlich weit leicher, und es besteht die Chance, dass sie wirklich ein "normaler" Hund wird, was auch immer man darunter verstehen mag. Du solltest dich aber vielleicht damit abfinden, dass nicht jeder Hund alle Menschen heiss und innig liebt. Sondern dass dein Hund vielleicht zu der Sorte gehört, die eher etwas introvertiert bleiben. Vor allem Fremden gegenüber.
Andere Frage, ich will hier ja niemanden zu irgendwas "bekehren", aber hast Du dich schon mal mit Clickertraining beschäftigt? Gerade bei eher ängstlichen, unsicheren Hunden würde ich mal darüber nachdenken, meinen Hund auf diese Weise auszubilden. Schau einfach mal im Forum Clickertraining nach. Ob das was für dich selbst sein könnte. Für deinen Hund bestimmt.
Gruss Cindy