von Carola(YCH) am 28. Juli 2000 13:48
Hallo Reinhold,
wollte eigentlich neues Thema: Erwünschtes/Unerwünschtes/Inakzeptables Verhalten eröffnen, bekomme aber Deinen Text nicht kopiert, hoffe dieser darf stehenbleiben. Bitte Rolf, nicht löschen.
Du meinst:
: wir reden immer noch weit aneinander vorbei.:
Bei genauer Betrachtung eigentlich nicht, besonders bezüglich der Etablierung eines erwünschten Verhaltens.
Was Du sicher falsch vertanden hast: Ich belege doch nicht jedes unerwünschte Verhalten mit einem Tabu oder wirke direkt auf jedes Verhalten ein.
Ich unterscheide bei unerwünschtem Verhalten hauptsächlich bei sozialen Interaktionen, ob dieses Verhalten mit der Sozialgemeinschaft oder der sogenannten Umweltverträglichkeit *inkompatibel * ist und wirke direkt oder indirekt über etabliertes Tabusignal und je nach individuellem Verhaltensrepertoire des Hundes ein.
Hierbei handelt es sich hauptsächlich um aggressives Verhalten(auch nicht jedes) oder um soziale Expansionsbestrebungen im privaten Bereich, sprich um das regelmäßige Einfordern und Bestehen auf Privilegien durch den Hund, um seine soziale Stellung nach oben zu manifestieren. Hierbei will ich nur aggressives Verhalten gegenübern Kindern und sonstigen Mitgliedern der Familie und deren Besucher erwähnen. Da gibt es die Alternative,wenn überhaupt, aus meiner Sicht immer nur *nach* Abbruch der Aktion und nicht anstelle dieser. Das kommt dann als nächster Schritt. Expansionsverhalten ist primär, beim ersten Auftreten durch nichts zu ersetzen und schon gar nicht zu ignorieren,jedenfalls aus meiner bescheidenen Sicht.
Aber: natürlich und nach Möglichkeit emotionslos, immer ohne Wut und immer präzise ohne Vor- und Nachwort. Das versteht sich wohl von selbst.
Reinhold, ich rede über konditionierte Strafe, die aber irgendwann mal bei inakzeptablem Verhalten eingeführt werden muß(Disceinführung mal ausgenommen), damit der Hund lernen kann, dies als solches zu erkennen und eben Wiederholungen zu vermeiden.
Unerwünschtes Verhalten kann aber einfach auch als falsch oder nicht gelerntes Verhalten zum besseren Verständnis bezeichnet werden, woraus sich die Art seiner Beeinflussung ergibt, was ganz besonders für ängstliches Verhalten(wie bei Deinem Nachbarpudel)gilt:
Nämlich einfach eine Vorzeichenumkehr:
Beispiele:
Unerwünscht Erwünscht
_______________________________________________________________________
vor Männern weglaufen zu Männern kontaktaufnehmen
zu langsam ins Auto steigen schnell ins Auto steigen
ängstlich vor dem Fahrstuhl zurück- zügig in den Fahrstuhl
weichen steigen
hastig ganze Futterbrocken schlingend Futterbrocken kauend
an der Leine ziehen an lockerer Leine laufen
Vor Freude hochspringen vor Freude am Boden bleiben
Leinenaggression Gelassenheit an der Leine
Um nur anhand einiger Beispiele meine Position zu verdeutlichen, also
B durch A komplett zu ersetzen.
Und wie gesagt, nicht bei jedem expansiven Verhalten kommt eine Einwirkung- ist vom Hund, vom Halter und vor allem von der Situation abhängig.
Grundprinzip allen Umganges ist:
Der Hund soll in seiner Sozialgemeinschaft lernen können, welches Verhalten gewünscht ist, ihm also Vorteile bringt(die im Sozialverhalten existentiell sind) und welches nicht(bedeutet aber auch keinen Nachteil in seiner Lebensqualität, wenn es über Tabu vermittelt wurde).
Darüber hinaus kann er lernen, was wir wollen und uns und ihm Spaß macht, je nach Veranlagung von Hund und Halter.
In jedem Bereich arbeitet man erfolgreich mit Clicker,eben auch nach einem Tabu, einer add. Strafe ,durch Nachschalten einer Alternativ -oder von mir aus auch Anschlußhandlung.
: Akademisch ??? (du siehst, auch Fragezeichen kann man stapeln)
*grins*
: Ich denke es sollte der alltägliche Normalfall sein,
: dass man bei einem Welpen / Junghund darauf achtet,
: dass sich keine *unerwünschten* Verhaltensweisen etablieren.
Ja natürlich , da gebe ich Dir recht, aber ich habe doch den häufigsten Fall des manifestierten Fehlverhaltens gemeint.
: Nun, bei Tierheimhunden da liegt der Fall wohl anders. Graduell anders. ;-)
: Denn auch stark etablierte Verhaltensweisen lassen sich nach den Clickerregeln
: prima ausmerzen. Es dauert eben länger, als bei nicht etablierten.
Ja gewiß. Da wird es doch wieder ein klein wenig akademisch.
Der Zeitfaktor ist nicht unwesentlich und...
na. das habe ich oben schon geschrieben...-)
: Nein -- nicht mit dem Clicker, sonst ganz herkömmlich. Damals hat
: bei uns noch niemand von Clickern geredet oder geschrieben.
Ja Reinhold, ich habe den Tierheimhund auch durch Clickertraining zu einem angenehmen Begleiter formen können, allerdings nicht ohne einige deutliche Signale aus der anderen Ecke, der war weder ängstlich noch sonst neurotisch, sondern einfach asozial im Wortsinn,zum Glück aber sehr jung.
:Nein, Carola, ohne Clickerwissen, :
Ja, Reinhold, ohne dieses hätte ich es vielleicht oder sicher auch nicht so hinbekommen.
Kennst Du eigentlich Helge Schneiders "Ausflug mit Reinhold zum Nordpol"?
Gerade werde ich daran erinnert(*vergnügt lachend*)
: Ja, mach mal, das interessiert mich ganz brennend.
Gar nicht wahr.
Na eins noch:
Ein einjähriger Rüde, der wegen seiner sexuellen Aktivitäten kastriert wurde, natürlich ohne Auswirkungen auf sein Sozialverhalten, griff in aggressiver Weise alles Lebendige an, legte dabei lange Distanzen zurück und biß auch zu. Leinentraining brachte einen deutlichen Fortschritt, bei dem jegliches aggressionsfreie Verhalten verstärkt wurde, abe rglaube mir, da es sich hier auch um ein selbstbestärkendes Verhalten handelt, was offenbar bei deisem Hund einen hohen Stellenwert hatte, brachte erst der gezielte Wurf mit der Kette im rechten Moment des Startens der Attacke den Durchbruch, nachdem vor allem schon Halswirbelsäulen,-Knie- und Schulterverletzungen bei der Halterin zu behandeln waren. Hilfreich war mein Altrüde, bei dem eine Attacke abglitschte, aber das kann man eben von einem Zweibeiner, schon gar nicht einem kleinen verlangen...Alternativ durfte der Hund mit befreundeten Hunden spielen, Leckerchen suchen. Heute werde ich überschwenglich und beschwichtigend begrüßt, ebenso wie meine Hunde, um im Anschluß sofort fröhlich mit gleichaltrigen herumzutoben, Menschen werden in Ruhe gelassen, gelegentlich auftretende Aggression wird im Ansatz abgebrochen.
Reinhold, Verhalten, was keine Verstärkung erfährt erlischt, wie lange das dauert, ist verschieden und häufig mit einem Zusammenleben schlecht oder überhaupt nicht vereinbar, daher ist ein Abbruch über Tabu oder direkte Einwirkung mitunter das entscheidende Zünglein an der Waage, um wie Martin sagt, "den Fuß in die Tür" des erwünschten Verhaltens zu bekommen.
Die reine Etablierung von Ersatzhandlungen für inakzebtables Sozialverhalten bringt aus meiner Sicht keinen entscheidenden Erfolg, weil der Hund dann häufig unter permanenter Kontrolle stehen muß, weil sich seine "Einstellung zum Thema " nicht geändert hatweil die Wertigkeiten einfach unterscheidlich sind.
Beispielsweise halte ich ein "Sitz" in der Anwendung bei innernartlicher Aggression für untauglich, da es in keiner Weise eine existentielle Bedeutung hat, also aus einem anderen Formenkreis stammt wie Futtersuche oder Sexualverhalten.
Viele wundern sich, daß manche Rüden nach der Kastration Geschlechtsgenossen aggressiver auftreten.
Dies hat meineserachtens einzig den Grund, daß alternativ das Sexualverhalten (Schnüffeln nach den Spuren läufiger Hündinnen)weggefallen ist, welches ihnen sonst die anderen Rüden Schnuppe sein läßt, weil einzig und allein die Beschäftigung mit einer eventuellen Braut zählt. habe das wirklich beobachten können.
Aber nochmals: Alle! Aktionen , Interaktionen sehe ich nie losgelöst in dem Gesamtkomplex des individuellen Zusammenlebens, sonst ist jegliche Instrumentalisierung der Hunderziehung bestenfalls für Gimmicks oder gar bleibendes Fehlverhalten geeignet, auch nur nochmal nebenbei: immer ganzheitlich!(Huch, fange an, die Zeichen zu mögen).
: Vielleicht verhelfen mir deine Beispiele zum Ausstieg. ;-)
: Dann lassen wir sie als Gebrauchsmuster schützen.
Ja Reinhold, für viel Geld...:-))
:
: Das war deutlich zu spüren. Schnief.
: Na, dann werd ich es eben mal
: mit ganz kleinen Diamanten versuchen. ;-)
Au ja bitte.
Ich hoffe, der Knoten hat sich ein wenig entwirrt.
Herzliche Grüße
Carola
: